Warum wurde CRRC die Übernahme von Vossloh genehmigt?

Chinesische Staatsunternehmen und deutsche Fusionskontrolle: Die Entscheidung des Bundeskartellamts zum Erwerb der Vossloh Locomotives durch CRRC Zhuzhou Locomotives

Bildnachweis: Marco2811.

Erfolg mit Niedrigpreisstrategien

Bedeutsam in diesem Kontext sind der Zugang zu Finanzmitteln und Subventionen sowie das Vorverhalten von CRRC. Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass CRRC als Staatsunternehmenüber einen herausragenden Zugang zu Finanzmitteln verfügt. Hintergrund ist die Förderung im Rahmen zweier wichtiger chinesischer Industriestrategien – „Made in China 2025“ und „Neue Seidenstraße“. Dazu gehörten öffentliche und verdeckte staatliche Subventionen, die erhebliche Verzerrungen der Wettbewerbsbedingungen hervorrufen können. Ferner hat das Bundeskartellamt die Möglichkeiten der Finanzierung von chinesischen Staatsunternehmen mit Krediten zu nicht marktgerechten Zinssätzen durch staatliche Banken in Betracht gezogen.

Nach Ansicht des Bundeskartellamts verfügt CRRC über weitreichende Möglichkeiten, Niedrigpreisstrategien durchzuführen. Das bisherige Verhalten von CRRC auf ausländischen Märkten wie auch interne Dokumente ließen darauf schließen, dass CRRC zur Ausweitung seiner Marktstellung auf Auslandsmärkten auch gezielt günstige Preise einsetzt. Anders als bei privatwirtschaftlichen Unternehmen bestehe bei Staatsunternehmen auch ein stärkerer Anreiz zu Niedrigpreisstrategien. Grund sei, dass diese nicht nur auf Gewinnerzielung, sondern auch auf industriepolitische Ziele ausgerichtet seien.

Die Prognoseentscheidung des Bundeskartellamts

Aber auch unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten kam das Bundeskartellamt nicht zu dem Ergebnis, dass die Transaktion zu untersagen wäre. Entscheidend hierfür war, dass es nicht ausreichend wahrscheinlich war, dass die Marktstellung von Vossloh hinreichend stark sein würde, um CRRC ihren Ausbau zu einer Marktbeherrschung zu erlauben.

Hierbei spielten die Besonderheiten des konkreten Marktes eine wichtige Rolle. Es handelt sich um einen recht kleinen Markt mit zum Teil stark fluktuierenden Marktanteilen, da sich die Marktvolumina durch große Aufträge der Staatsbahnen stark verändern können. Zudem sei aufgrund des hohen Flottenalters und eines Technologiewechsels zu sparsameren Antriebstechniken mit einem steigenden Marktvolumen zu rechnen. Durch die dynamische Marktentwicklung entstehe eine höhere Prognoseunsicherheit, zumal sich die historische Marktstellung der Parteien nicht einfach extrapolieren lasse. Hier hat man auch berücksichtigt, dass neue Wettbewerber mit innovativen Produkten in den Markt eingetreten sind, während bei Vossloh Investitionen in neue Technologien unterblieben.

Insbesondere bestehe die Möglichkeit, dass sich die Wettbewerber in der Schwächephase, die in den nächsten zwei bis vier Jahren vor Vossloh liege, so stark im Markt etablieren können, dass dies anschließend nicht mehr korrigiert werden könne. In diesem Fall könne auch eine zu erwartende Niedrigpreisstrategie von CRRC nicht mehr zu einer substanziellen Änderung der Marktverhältnisse führen, da die neuen Wettbewerber bereits zu große Bedeutung für die Kunden erlangt hätten.

Fazit

Bei Erwerben durch Staatsunternehmen wie im Beispiel CRRC und Vossloh sind in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten zu beachten. Der Konzernverbund mit weiteren Staatsunternehmen kann unter dem Gesichtspunkt der Umsatzzurechnung entscheidend für die Frage sein, ob die Umsatzschwellen erfüllt sind und eine Anmeldepflicht besteht. Vollständige Angaben zu weiteren Staatsbeteiligungen in der Anmeldung können – zumindest sofern solche Beteiligungen für die wettbewerbliche Bewertung relevant sind – für die Frage der Vollständigkeit der Anmeldung und damit der Verfahrensdauer erheblich sein.

In materieller Hinsicht blendet das Bundeskartellamt die öffentliche Debatte über Akquisitionen chinesischer Staatsunternehmen in Deutschland nicht aus. Es konzentriert sich aber ausschließlich auf kartellrechtliche Aspekte, insbesondere den erweiterten wettbewerblichen Handlungsspielraum von Staatsunternehmen. So ist zum Beispiel eine fehlende Gegenseitigkeit beim Marktzugang kein Aspekt, der im Kartellrecht berücksichtigt werden kann. Auch einer „Fiktion tatsächlich nicht existenter Weltmärkte“, wie im Nachgang zu der Untersagungsentscheidung der Europäischen Kommission in der Sache Siemens / Alstom von politischer Seite gefordert, erteilte das Bundeskartellamt eine Absage.

Besonders instruktiv sind die Ausführungen des Bundeskartellamts zu erweiterten Handlungsspielräumen von Staatsunternehmen aus zentral geplanten Volkswirtschaften, insbesondere durch den Umfang verfügbarer (und zentral gesteuerter) Ressourcen und Subventionen sowie Kostenvorteile und hierdurch mögliche Niedrigpreisstrategien. Allerdings gelten auch für die Prognose der Auswirkungen solcher Strategien die verwaltungsrechtlichen Beweismaßstäbe.


Der Beitrag ist erstmals in der M&A REVIEW 10/2020, Seite 332 ff., erschienen.

Daniel Wiedmann, LL.M. (NYU)
Daniel Wiedmann

Daniel Wiedmann, LL.M. (NYU) ist Associated Partner und Leiter des Kartellrechtsbereichs bei POELLATH in Frankfurt. Er ist als Experte für die Beratung im deutschen und europäischen Kartellrecht mit Fokus auf Fusionskontrolle sowie Investitionsprüfungen nach der Außenwirtschaftsverordnung.

Xin Zhang, LL.M
Xin Zhang

Xin Zhang, LL.M. ist Associate bei POELLATH in Frankfurt und in Deutschland wie auch in China als Rechtsanwalt zugelassen. Er ist Experte für die Beratung im deutschen und europäischen Kartellrecht mit Fokus auf Fusionskontrolle sowie Investitionsprüfungen nach der Außenwirtschaftsverordnung.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch