Warum wurde CRRC die Übernahme von Vossloh genehmigt?

Chinesische Staatsunternehmen und deutsche Fusionskontrolle: Die Entscheidung des Bundeskartellamts zum Erwerb der Vossloh Locomotives durch CRRC Zhuzhou Locomotives

Kartellamt genehmigt Übernahme von Vossloh durch CRRC
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Nach längerer Prüfung hat das Bundeskartellamt den Erwerb der Vossloh Locomotives (Vossloh), dem europäischen Marktführer für Rangierlokomotiven, durch den chinesischen Zughersteller CRRC Zhuzhou Locomotives (CRRC) am 27. April 2020 freigegeben. Die Transaktion wurde zum 31. Mail 2020 vollzogen.

In der Entscheidung hat sich das Bundeskartellamt erstmals vertieft mit dem Erwerb eines Wettbewerbers durch ein chinesisches Staatsunternehmen befasst. Die Entscheidung veranschaulicht, was bei einer Anmeldung derartiger Transaktionen zu beachten ist und wo die Behörde Prüfungsschwerpunkte setzt. Es ist sehr zu begrüßen, dass das Bundeskartellamt sich hierbei – unbeeinflusst von politischen Debatten – ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Aspekte konzentriert.

Vossloh Locomotives stand schon vor dem Erwerb durch CRRC seit längerer Zeit zum Verkauf. Mit einem Marktanteil von 40-50 % ist das Unternehmen europäischer Marktführer bei Rangierlokomotiven. Allerdings sind Investitionen in innovative Antriebstechnologien zuletzt unterblieben. CRRC ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der börsennotierten CRRC Corporation, an der der chinesische Staat mit 51 % beteiligt ist. CRRC ist der weltgrößte Hersteller von Schienenfahrzeugen. Die Produkte werden bislang überwiegend in China abgesetzt. Auch bei Rangierlokomotiven befindet CRRC sich erst im Begriff, in den europäischen Markt einzutreten.

Betrachtung chinesischer Staatsunternehmen als Konzernverbund

Nach Einschätzung des Bundeskartellamts befindet sich CRRC durch den mittelbar kontrollierenden Einfluss des chinesischen Staates in einem Konzernverbund mit anderen chinesischen Staatsunternehmen gemäß § 36 Abs. 2 GWB. Die Norm ordnet an, dass mehrere verbundene Unternehmen als ein einheitliches Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne anzusehen sind. Da die Volksrepublik China mittelbar die Mehrheit der Anteile an CRRC hält, sei die Beherrschungsvermutung erfüllt (§ 17 Abs. 2 AktG). Die Ermittlungen haben zudem ergeben, dass auch der ausdrückliche Anspruch der staatlichen Beteiligungsverwaltung SASAC (die staatliche Kommission zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen) bestehe, wesentliche Aspekte des wirtschaftlichen Verhaltens ihrer Staatsunternehmen zu beeinflussen. Zudem zeigten interne Dokumente, dass CRRC ihr Verhalten eng an den Vorgaben der derzeit gültigen Fünfjahresplanung ausrichte.

Angaben zum Konzernverbund sind zunächst für die Vollständigkeit einer Anmeldung relevant. Die Fristen, innerhalb derer das Bundeskartellamt ein Vorhaben prüfen muss, werden durch den Eingang einer vollständigen Anmeldung ausgelöst. Dabei muss die Beteiligungsliste vor allem in für die Beurteilung eines Falles bedeutsamen Bereichen vollständig sein, insbesondere bezüglich Beteiligungen in dem betroffenen Sektor sowie hierzu vor- und nachgelagerten Märkten. In dem Verfahren hatte das Bundeskartellamt mehrmals Informationen zu Beteiligungen nachgefordert. Die Anmeldung war bereits am 13. September 2019 eingereicht worden.

Zudem sind Verbundvorteile aus einem Konzernverbund für die materielle Bewertung relevant.

Besonderheiten von Staatsunternehmen, insbesondere Niedrigpreisstrategien

Das Bundeskartellamt stellt klar, dass, auch wenn der Kauf deutscher Unternehmen durch Firmen aus China derzeit intensiv diskutiert wird, viele Aspekte dieser Debatte für die Fusionskontrolle keine Rolle spielen. Allerdings ergeben sich durch die Beteiligung eines Staatsunternehmens aus einer zentral geplanten Volkswirtschaft Besonderheiten für die kartellrechtliche Analyse.

Eine Besonderheit besteht in der Größe des Konzernverbunds. Durch die erhebliche vertikale Integration des Verbunds von Staatsunternehmen können Verbundvorteile entstehen. Staatsunternehmen aus zentral geplanten Volkswirtschaften weisen eine besonders hohe Fertigungstiefe in ihrem Konzernverbund auf. Sie können viele Vorprodukte – teilweise bis weit nach oben in der Lieferkette – intern herstellen.

Zudem hat sich das Bundeskartellamt mit der Gefahr von Niedrigpreis- und Dumpingstrategien und Kostenvorteilen aufgrund des staatlich geförderten Engagements von CRRC in vielen anderen Märkten auseinandergesetzt. Niedrigpreisstrategien sind wettbewerblich ambivalent. Ein Markteintritt oder ein Ausbau der eigenen Marktstellung durch niedrige Preise ist dem Wettbewerbsgedanken inhärent. Allerdings können Niedrigpreise, die nicht mit komparativen Kostenvorteilen unterlegt sind, auf mittlere Sicht die Marktstruktur schädigen. Maßgeblich seien insofern Möglichkeiten und Anreize zur Umsetzung entsprechender Niedrigpreisstrategien.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch