Handelskrieg mit China: Deutschland zwischen den Fronten

Handelskrieg zwischen China und den USA
Quelle: Adobe Stock; © yudhistirama

Bildnachweis: yudhistirama.

Im Januar 2018 hatte US-Präsident Donald Trump angekündigt, gegenüber China Strafzölle auf Solarzellen und -panels sowie Waschmaschinen  zu erheben und damit den US-chinesischen Handelskrieg begonnen. In vielen Ländern hat sich seither eine kritischere Stimmung gegenüber China aufgebaut. Gleichzeitig sind China und die USA für viele deutsche  Firmen zentrale Absatzmärkte. Wie sollen sich deutsche Firmen und Investoren also heute positionieren, um nicht Opfer des Handelskrieges zu werden und Umsatzeinbußen zu erleiden?

Welche Auswirkungen hat der Handelskrieg zwischen den USA und China auf das Investitionsklima und -verhalten von Deutschland und China?

Dr. Ernst Ludes: Vielzählige deutsche Gründer fragen sich mittlerweile: Wenn ich einen chinesischen Investor an Bord nehme, verbaue ich mir dann den Zugang im US-amerikanischen Markt? Der Handelskrieg erhöht die Unsicherheit und Risiken bei deutsch-chinesischen Investments. Wegen des Handelskriegs sinken Investitionen deutscher Firmen in China, aber auch chinesischer Unternehmen in Deutschland. Besonders betroffen sind die Technologiebranchen, so beispielsweise die Halbleiterbranche. Hier versuchen die USA, China von der globalen Lieferkette abzuschneiden. Damit wollen sie verhindern, dass China seine relative Schwäche in dieser Branche aufholen kann. Andere Branchen, in denen wegen des Handelskriegs die deutsch-chinesischen Investitionen leiden, sind Telekommunikation, Technology, Aerospace und Transportation.

Welche Rolle spielt der Handelskrieg für die Lieferketten?

Ludes: Zunächst muss man feststellen: Durch einen lange andauernden Handelskrieg verlieren wir alle. Auch die Globalisierung können wir nicht zurückdrehen – das würde nur Verlierer bringen. Aber manche deutsch chinesischen Liefersituationen und -ketten in Teilen zu überdenken ist sicher sinnvoll, wenn man gefährliche Abhängigkeiten von einem Land vermeiden will, insbesondere auch wenn es ein anderes politisches System hat. In Deutschland sollten wir z.B. von den Lieferketten bei Generika, die aus Indien oder China kommen, nicht so abhängig sein. Ähnliches mag für die Abhängigkeiten von China bei seltenen Erden wie Neodym, Scandium und Yttrium gelten.

Welche Rolle spielt die Verschärfung des deutschen Außenwirtschaftsgesetzes, wodurch chinesische Investoren bei einer Beteiligung an Unternehmen in Schlüsselbranchen von mehr als 10% eine staatliche Zustimmung benötigen?

Ludes: Der Handelskrieg hat eine starke und negative Stimmung gegenüber China kreiert. Die Chinesen fühlen sich in vielen Ländern wenig oder weniger willkommen – das gilt auch für viele Bereiche der deutschen Gesellschaft und auch hinsichtlich der Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes. Wegen der allgemeinen Negativstimmung richtet China seinen Blick bei Investitionen nun viel mehr nach Asien. Hier bieten sich Länder wie Indonesien, Kambodscha, Vietnam, Malaysia und auch Indien quasi als natürliche Handelspartner an. Wir sollten uns aber Eines klarmachen: Im Businessbereich nicht die guten oder bösen Chinesen, Amerikaner, Russen etc., sondern es gibt verlässliche Partner und weniger bis kaum verlässliche Partner.


„China kann ohne uns,
wir aber nicht wirklich ohne China“


Das dürfte im Businessbereich überall auf der Welt ähnlich sein. Wirtschaftlich gesehen sind wir als Exportnation Nummer eins abhängig von einem intakten Verhältnis zu China und auch davon, dass die chinesische Wirtschaft wächst. China kann ohne uns, wir aber nicht wirklich ohne China – Beispiel VW, das 40% seines Umsatzes in China macht. Während es für VW dieses Jahr in allen Ländern Umsatzeinbrüche gab, verzeichnete man in China in den letzten Monaten bereits wieder Zuwächse gegenüber dem Vorjahr.

Was können wir also konkret tun, um den Handelskrieg positiv für das deutsch-chinesische Investitionsklima zu nutzen?

Ludes: Auf der politischen Ebene sollten wir eine unabhängigere Stellung beziehen, die Chinesen und chinesische Unternehmen als Geschäftspartner und Investoren willkommen heißt. Das fehlt auf der politischen Ebene. Auch sollten deutsche Unternehmen viel mehr die Gemeinsamkeiten mit chinesischen Partnern, aber auch Wettbewerbern ausloten. Dafür müsste man natürlich viel mehr Kommunikation betreiben und fördern – auch und gerade in COVID-Zeiten. Wir sollten ganz allgemein viel mehr gemeinsame Unternehmungen unterstützen. Das kann von gemeinsamen Investitionsparks bis hin zu Joint Deals reichen, bei denen chinesische (Co-)Investoren gemeinsam mit europäischen Private-Equity (PE-)Firmen ein Bieterkonsortium bilden. Vereinzelt gibt es ja auch schon chinesische Finanzinvestoren, die hierzulande investieren, wie z.B. FountainVest, die sich bei Bosch Mahle Turbo Systems engagiert haben. Wir sollten Partnerschaften zwischen deutschen und chinesischen PE- und Venture-Capital-(VC-)Firmen fördern – was wir bei CVCapital auch aktiv tun –, umso mehr, als der chinesische VC-Markt den amerikanischen im letzten Jahr zum ersten Mal an Volumen überholt hat.


„In China erlebt man eine fantastische Dynamik“


In China erlebt man eine fantastische Dynamik; hier dagegen hat man den Eindruck, dass alles eher schläft. In China gibt es einen großartig funktionierenden VC-Markt, von dem wir hier nur träumen können, mit Hunderten interessanten chinesischen Finanzinvestoren, wie zum Beispiel Vision Knight Capital, das ja vom ehemaligen CEO von Alibaba geführt wird, CDH Fund, CICC, Ping An Capital, Auster Capital von Jennifer Yu mit Beteiligung von Rothschild & Co, und Centurium Capital, um nur einige zu nennen. Wenn mehr chinesische VCs sich an Firmen in Deutschland beteiligten, könnten sie diese ermuntern, auf den chinesischen Markt zu expandieren. Das könnte wiederum helfen, mehr deutsche Weltmarktplayer zu kreieren, die diesen großen Markt ja nutzen müssten.

Nehmen wir das Beispiel Telemedizin: Sie ist in Europa ein mit den jeweiligen Landesgesetzen überregulierter Sektor. Die deutschen und EU-Unternehmen stecken eher in den Kinderschuhen. Telemedizin-Start-ups aus China oder den USA hingegen werden weniger reguliert, aber systematisch ausgebaut und vorangetrieben. Zusätzlich finden sie durch die viel größeren Heimatmärkte bessere Startbedingungen vor.

Was könnte die chinesische Seite verbessern?

Ludes: Auch auf chinesischer Seite gibt es dafür Punkte, so den Schutz des geistigen Eigentums, den China aktuell verbessert, was aber durchaus noch schneller gehen könnte. Deutsche Unternehmen brauchen insgesamt mehr Rechtssicherheit in China. Andererseits wird dieses Thema heute oft überbetont. Das mag vor 30 Jahren anders gewesen sein. Weitere Punkte sind die Erlaubnis von Übernahmen und der freie Marktzugang auch ohne Joint-Venture-Zwang. Mittlerweile können deutsche Unternehmen chinesische Unternehmen auch in wichtigen Branchen gründen oder vollständig übernehmen. Das hat beispielsweise die Allianz mit ihrer 100%-Tochter Anlian in Shanghai gemacht.
Ein letzter Punkt noch: Damit mehr chinesische VC-Firmen in Deutschland gut agieren können, wäre es hilfreich, wenn die chinesische Regierung ihre Beschränkungen bei Devisen abbaut oder eine entsprechende Bewilligung zum Investieren in Deutschland/Europa schnell erteilt.


 

Dr. Ernst Ludes ist Head of Europe der privaten chinesischen Investmentbank CVCapital. Zuvor war er Partner bei dem internationalen Private-Equity-Investor EQT und arbeitete bei Alchemy Partners sowie der M&A- und Corporate-Finance-Beratung Drueker & Co. Seine Karriere startete er bei McKinsey. 2010 gründete Dr. Ludes das Beratungshaus Turning Point Investments zur Beratung von Unternehmen in Sondersituationen.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch