Auswirkungen der EU-Screening-Verordnung und verschärften Investitionskontrolle

Die EU-Screening-Verordnung und verschärfte Investitionskontrolle
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Seit dem 11. Oktober 2020 gilt die neue EU-Screening-Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen. Gleichzeitig wurden auch in Deutschland in jüngster Zeit mehrere Änderungen im Außenwirtschaftsgesetz vorgenommen. Zudem zeigt das kürzlich erlassene Verbot der Bundesregierung in Bezug auf die China-Aktivitäten des Hightech-Unternehmens Mynaric, dass mit einer erweiterten Investitionskontrolle zu rechnen ist. Der folgende Beitrag stellt die aktuellen Neuerungen vor, erörtert die Auswirkungen auf M&A-Transaktionen und gibt praktische Handlungsempfehlungen.

Inkrafttreten der EU-Screening-Verordnung

Bisher war die Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen innerhalb der EU Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten. Mit der sogenannten EU-Screening-Verordnung („Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019“) wurde ein Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen geschaffen. Die neue Verordnung gilt ab dem 11. Oktober 2020 und folgt der nationalen und europaweiten Tendenz hin zu verschärften Investitionskontrollen. Ein eigenständiges europäisches Investitionskontrollverfahren – zum Beispiel nach Vorbild des EU-Beihilfenrechts – wird durch die EU-Screening-Verordnung jedoch nicht geschaffen. Die Mitgliedsstaaten sind nun allerdings verpflichtet, Rahmenbedingungen für die Überprüfung und Kontrolle von Direktinvestitionen in wichtigen Schlüsselsektoren und in Bezug auf kritische Infrastrukturen zu schaffen und bei der Kontrolle mit den anderen EU-Ländern und der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat dafür eine Kontaktstelle für die EU-weite Kooperation eingerichtet und fungiert als Bindeglied zwischen europäischen und nationalen Organen.

Informationen über Überprüfungen von Transaktionen sollen so bald wie möglich der Kommission und den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden (Art. 6 Abs. 1). Ein Mitgliedsstaat kann innerhalb von 35 Tagen nach Kenntnis der Transaktion Kommentare an die Kommission und den jeweiligen Mitgliedstaat richten. Gesetzt den Fall, er ist der Überzeugung, dass die Transaktion seine Sicherheit oder öffentliche Ordnung gefährdet (Art. 6 Abs. 6). Wenn zusätzliche Informationen zur Transaktion angefordert werden, kann sich diese Frist entsprechend verlängern. Die finale Entscheidung über die Zulässigkeit einer geplanten Transaktion verbleibt jedoch auch weiterhin bei den jeweils zuständigen nationalen Behörden, in Deutschland somit beim BMWi. Das BMWi hat die Kommentare der anderen Mitgliedsstaaten aber angemessen zu berücksichtigen. Die EU-Screening-Verordnung hat zudem Einfluss auf Verfahrensregeln und Fristen nach dem Außenwirtschaftsgesetz bzw. der Außenwirtschaftsverordnung (AWG/AWV), sodass es auch in Deutschland zu Verzögerungen bei M&A-Transaktionen kommen kann.

Erste Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes seit 2013

Während der Gesetzgeber die deutschen Außenwirtschaftsverordnungen (AWV) in den letzten Jahren mehrmals verschärft hat, fand beim Außenwirtschaftsgesetz (AWG) seit der letzten Neufassung vor sieben Jahren bis zu diesem Jahr keine Änderung statt. Die Neuregelungen, die am 17. Juli 2020 in Kraft getreten sind, verschärfen nunmehr den Prüfungsmaßstab für Investitionsprüfungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz. Bislang waren die Investitionsprüfung sowie die Anordnung bestimmter Maßnahmen erst bei einer „tatsächlichen Gefährdung“ der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland bei beabsichtigten ausländischen Investitionen in Deutschland möglich. Seit Juli 2020 reicht nunmehr eine „voraussichtliche Beeinträchtigung“ der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen Mitgliedsstaates der EU. Somit kommt es nun auf das gesamte Gebiet der EU an. Es wird davon ausgegangen, dass durch das Herabsetzen des Prüfungsmaßstabes in Form einer Präventivkontrolle in Zukunft wesentlich mehr Investitionen überprüft werden. Die Bundesregierung selbst rechnet mit einem Anstieg von rund 20 Verfahren pro Jahr.

Eine weitere wichtige Änderung für Unternehmen ist die Einführung eines umfassenden Vollzugsverbotes. Für die Dauer des Prüfungsverfahrens besteht für ein Unternehmenserwerb oder Teilerwerb ein Vollzugsverbot. Damit sind alle meldepflichtigen Unternehmenserwerbe bis zum Abschluss des Prüfungsverfahrens durch das BMWi schwebend unwirksam, dürfen somit nicht vollzogen werden. Mit der Änderung soll verhindert werden, dass Unternehmenserwerbe während des Prüfverfahrens vollzogen werden und damit das Ziel der Prüfung unterlaufen wird. Verkäufer dürfen während des Vollzugsverbots potentiellen Käufern auch keine sicherheitsrelevanten Informationen des Unternehmens zur Verfügung stellen. Wer das Verbot missachtet, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe sanktioniert werden. Fahrlässiges Handeln kann entsprechende Bußgelder nach sich ziehen.

Investitionskontrolle kritischer Technologien

Die Gesetzesnovelle regelt zusätzlich die Prüfungs- und Anordnungsfristen des BMWi neu. Die bisherige Frist von drei Monaten im Bereich der sektorübergreifenden Prüfung beträgt nur noch zwei Monate ab Kenntnis des Erwerbs. Für die sektorübergreifende und die sektorspezifische Investitionsprüfung gelten damit nun einheitliche Fristen. Innerhalb dieser vereinheitlichten Frist muss das BMWi entscheiden, ob es eine Investitionsprüfung eröffnet. Weitere Änderungen bezüglich der Außenwirtschaftsverordnung sind geplant. So ist beabsischtigt, die Sektoren Biotechnologie, Halbleiter, KI, Robotik, Quantentechnologie als kritische Technologien zu definieren. Das bedeutet, dass ein Erwerb von mindestens 10 Prozent der Stimmrechte mit einer Meldepflicht für Investoren aus Drittstaaten verbunden wäre.

„Corona“-Novelle

Aufgrund der Corona-Krise und den damit einhergehenden Befürchtungen, dass europäische Unternehmen leichtere Übernahmeziele aus dem Ausland und speziell aus China sind, hat die EU-Kommission außerdem am 26. März 2020 Leitlinien zum Schutz strategisch wichtiger Technologien und Konzerne (z.B. in den Bereichen Gesundheit, medizinische Forschung, Biotechnologie und Infrastruktur) veröffentlicht. Es handelt sich dabei aber nicht um rechtlich verbindliche Regelungen. Sie sind lediglich Appelle an die EU-Mitgliedstaaten, die bestehenden Mechanismen zu nutzen. Mitgliedsstaaten ohne Prüfmechanismen sind dazu aufgefordert, entsprechende Instrumente einzuführen. Vor diesem Hintergrund hat auch Deutschland seine Investitionskontrolle weiter verschärft und am 03. Juni 2020 eine sogenannte „Corona“-Novelle (15. Novelle der AWV) erlassen. Seitdem gelten Impfstoff- und Antibiotikahersteller, Hersteller medizinischer Schutzausrüstungen sowie Hersteller medizinischer Güter zur Behandlung hochansteckender Krankheiten als besonders sicherheitsrelevant.

Erweiterte Investitionskontrolle beim Export von Einzelgütern – der Fall Mynaric

Es kommt nur sehr selten vor, dass die Bundesregierung aufgrund von übergeordneten nationalen Interessen die Geschäfte von Unternehmen mit China verbietet. Seit Ende Juli 2020 ist allerdings bekannt, dass das junge Hightech-Unternehmen Mynaric seine Geschäfte mit China unterbinden muss. Der Spezialist für Laser-Satellitentechnik hat aufgrund nationaler Sicherheitsinteressen einen Unterlassungsbescheid erhalten. Mynaric hatte beabsichtigt, die Geschäfte mit China durch einen Buy-out zu veräußern.

Das Unternehmen war sich der strategischen Bedeutung seiner Produkte bewusst. Deshalb hatte Mynaric im Vorfeld um die Freigabe eines Ausfuhrvorhabens an seinen chinesischen Kunden gebeten. Daraufhin erhielt das Unternehmen die Rückmeldung, dass der beabsichtigte Export von Lasertechnik an den Kunden in China mittels eines sogenannten Einzeleingriffs auf Grundlage des AWG Artikel 6 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 4 Abs. 1 offiziell untersagt wird. Mynaric verkündigte umgehend in einer Pressemitteilung, dass es den einzig laufenden Vertrag mit seinem Kunden in China in Höhe von 1,7 Mio. Euro rückabwickeln und alle Geschäftsaktivitäten mit China sofort einstellen wird. Die Verhandlungen hinsichtlich des geplanten Buy-outs wurden abgebrochen.

Über den Umweg der Exportkontrolle wurde dadurch der Verkauf eines Geschäftsbereichs ins EU-Ausland untersagt, auch wenn der Verkauf per se nicht unter die Regelungen zur Investitionskontrolle zu subsumieren war. Anhand dieses aktuellen Beispiels kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in Zukunft die Exportbeschränkungen nach dem AWG als weiteres Hindernis für ausländische Direktinvestitionen hinzukommen.

Fazit

Die EU und Deutschland verschärfen stetig ihre Investitionskontrollen. Ein ausländischer Unternehmenserwerb in Deutschland wird zwar weiterhin nach den Vorgaben des deutschen Investitionsrechts beurteilt, allerdings sind aufgrund der erhöhten Komplexität durch die EU-Screening-Verordnung längere Verfahrensdauern einzukalkulieren. Ausländische Investoren sollten sich daher rechtzeitig informieren, ob ihr geplanter Unternehmensankauf Auswirkungen in mehreren EU-Staaten haben könnte (mögliche AWV-Meldepflichten sollten unbedingt Gegenstand der Due Diligence sein). Längere und aufwändigere Prüfverfahren im Rahmen der Investitionskontrolle sind der Transaktionsplanung und -sicherheit nicht zuträglich, sodass es beim Closing zu Verzögerungen kommen kann.

Unternehmen sollten deshalb wegen der EU-Screening-Verordnung mehr Zeit und einen höheren Kostenaufwand für die Transaktion einplanen. Gleichzeitig kann die fehlende Transaktionssicherheit zu Nachteilen für Bieter aus Nicht-EU Staaten bei Auktionsverfahren führen. Neue und teilweise unbestimmte Rechtsbegriffe und erweiterte Prüfkriterien (siehe oben z.B. „voraussichtliche Beeinträchtigung“) verstärken die Rechtsunsicherheit für ausländische Investoren. Da die verschärfte Investitionskontrolle im Rahmen der EU-Screening-Verordnung insbesondere chinesische Investoren in ihrem Expansionsdrang einschränken, werden wir in Zukunft möglicherweise mehr Greenfield Investments aus China sehen.

Nachbericht zum 10. Luther M&A-Forum

Der vorangegangene Artikel von Philipp Dietz und Dr. Shen basiert auf ihrem gemeinsamen Vortrag „Angst vor China? – Berlin verschärft schon wieder die Investitionskontrolle“ beim diesjährigen Luther M&A Forum. Für weitere Informationen zum Luther M&A-Forum kontaktieren Sie gerne die Autoren dieses Beitrags.

Vortragende zum Thema EU-Screening-Verordnung und Investitionskontrolle
Philipp Dietz und Dr. Yuan Shen bei ihrem Vortrag anlässlich des 10. Luther M&A Forums.
Quelle und ©: Luther Rechstsanwaltsgesellschaft mbH

Das Luther M&A-Forum wird jedes Jahr an mehreren deutschen Standorten der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft veranstaltet und hat sich in den letzten Jahren zu einem festen Termin im Kalender von CEOs und Führungskräften zahlreicher Unternehmen und M&A-Abteilungen etabliert. Im Jubiläumsjahr fand das 10. Luther M&A-Forum am 29. September 2020 statt und musste aufgrund von Covid-19 ausnahmsweise online stattfinden. Dennoch gab die virtuelle Veranstaltung, wie in den Vorjahren, durch Vorträge und Paneldiskussionen einen umfassenden Überblick über die aktuellen Möglichkeiten und Herausforderungen am M&A-Markt in Deutschland und Europa.

Neben den Rechtsexperten von Luther und Best-Friends-Kanzleien referierten und diskutierten Unternehmensvertreter und Berater von Bosch, Boston Consulting, Falkensteg und NCF Corporate Finance zu Themen wie Wachstumschancen für die Automobilindustrie, Investitionen in krisengeschüttelte Unternehmen oder Risiken bei Cross-Border-M&A in Europa. Praktische Hinweise für Carve-outs und die Bedeutung von W&I-Versicherungen vor dem Hintergrund der Pandemie standen ebenso im Fokus wie die neue EU-Screening-Verordnung und die weiteren Verschärfungen bei ausländischen Direktinvestitionen.

 

Philipp Dietz

Philipp Dietz, LL.M. (Edinburgh), Partner, ist seit 2004 bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft im Bereich Corporate/M&A tätig und hat in der Vergangenheit eine Vielzahl von zumeist internationalen M&A/Venture Capital Transaktionen und Joint Ventures begleitet. Länderschwerpunkte von Herrn Dietz sind China und Indien. Im aktuellen JUVE-Handbuch 2020/2021 wird Philipp Dietz als häufig empfohlener M&A Anwalt gelistet.

Yuan Shen

Dr. SHEN Yuan, LL.M. (CUPL/Köln) | ist als Anwältin in China zugelassen und seit 2010 im Kölner Büro der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft tätig. Als Counsel konzentriert sie sich in ihrer Beratungstätigkeit auf die Unterstützung deutscher und europäischer Mandanten in den Bereichen Unternehmensgründung, Joint Ventures sowie Arbeitsrecht in China. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Betreuung von chinesischen Unternehmen bei Investitionen in Europa (M&A, Arbeitsrecht, Greenfield Investment).

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch