Erneute Verschärfung der Investitionskontrolle in Deutschland

Nach den Reformen der Investitionskontrolle in den Jahren 2017 und 2018 steht nun eine weitere deutliche Verschärfung bevor. In ihrer Kabinettssitzung am 8. April 2020 hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und anderer Gesetze gebilligt, der nun von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden muss. Die Übernahme von Unternehmen aus strategisch wichtigen Industriesektoren wird zum Schutze nationaler und europäischer Sicherheitsinteressen weiter erschwert. Durch den Gesetzesentwurf soll das AWG insbesondere an die am 21. März 2019 erlassene Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union (EU-Screening-VO) angepasst werden. Die EU-Screening-VO enthält Vorgaben zur Investitionskontrolle auf europäischer Ebene, die Prüfung und ggf. Untersagung ausländischer Übernahmen verbleibt jedoch weiterhin allein in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Quelle: Luther Rechtsanwaltsgesellschaft

Einschätzung und Bewertung

Die dritte AWG-Novelle sieht sich ebenso wie die Änderungen der AWV in den letzten Jahren deutlicher Kritik aus Wirtschaftskreisen ausgesetzt. BDI, DIHK und VDMA etwa lehnen die erneute Verschärfung des AWG ab und sind sich einig, dass dieser Schritt in der aktuell schwierigen Lage der Weltwirtschaft das falsche Signal ist. Immer neue regulatorische Hürden gefährdeten die Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort. Gerade in Krisenzeiten wie jetzt mit COVID-19 zeige sich doch, wie global vernetzt die Wirtschaft ist und wie sehr die deutsche Industrie auf offene Märkte angewiesen sei, um eine ausreichende Versorgung des Gemeinwesens gewährleisten zu können.

Die Bundesregierung wird Investoren aus dem EU-Ausland in Zukunft deutlich einfacher aussperren können als dies bislang der Fall war und greift mit den jetzt geplanten Änderungen stark in das verfassungsrechtlich geschützte Privateigentum und die Privatautonomie ein. Bereits länger abgezeichnet hat sich die Einbeziehung kritischer Technologien, die ähnlich wie die kritischen Infrastrukturen in der AWV verankert werden sollen und womit die Bundesregierung den Katalog relevanter Bereiche in Zukunft auch ohne Mitwirkung des Gesetzgebers erweitern kann. Besonders bedenklich ist die geplante Abkehr von dem auch bisher schon umstrittenen unbestimmten Rechtsbegriff der „tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung“ hin zu dem noch schwammigeren Begriff einer „voraussichtlichen Beeinträchtigung“ der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Mit der in kurzen Zeitabständen abermaligen Verschärfung der Investitionskontrolle und der Einführung immer weicherer Prüfungsmaßstäbe entfernen wir uns auch in Deutschland immer weiter weg von Transparenz und Rechtssicherheit – Werte, die Deutschland gerade von China zurecht immer wieder einfordert.

Das Bundesverfassungsgericht verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass Eingriffsnormen hinreichend bestimmt sein müssen, um dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot zu genügen. Der Gesetzesentwurf lässt diese verfassungsrechtlich gebotene Konkretisierung des nun massiv ausgeweiteten Ermessenspielraums der Beamten vermissen, Rechtsstreitigkeiten dürften vorprogrammiert sein. Deutlich gewichtiger als solche rechtlichen Bedenken ist aber das politische Signal, das Deutschland damit aussendet. Vor allem in China verfolgt man die Entwicklung mit Argusaugen. Umso wichtiger wird es sein, dass vom BMWi klare Hinweise zu den Prüfkriterien folgen, um den internationalen Flurschaden möglichst zu begrenzen.

Fazit: Auswirkungen auf die M&A-Praxis

Für die Transaktionspraxis bedeutet die AWG-Novelle erneut Unsicherheit für alle Beteiligten. In Transaktionen unter Beteiligung ausländischer und vor allem chinesischer Investoren wird künftig noch genauer zu prüfen sein, ob das Erwerbsgeschäft in den Anwendungsbereich des AWG und der AWV fällt oder die Einholung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung angezeigt ist. Nachdem künftig alle AWV-meldepflichtigen Rechtsgeschäfte bis zum Abschluss des Prüfverfahrens schwebend unwirksam sein werden, wird man dieser Frage noch mehr und noch früher Aufmerksamkeit widmen müssen. Deutschland folgt dem weltweiten Trend, dass Investitionsprüfungen ein immer wichtigeres Thema bei grenzüberschreitenden Transaktionen werden.

Porträt Thomas Weidlich
Thomas Weidlich

Thomas Weidlich, LL.M. (Hull) gehört der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft seit 1996 an. Zwischen 2000 und 2005 hat er das Büro der Kanzlei in Singapur geleitet. Seit 2005 ist er verantwortlicher Partner für die rechtliche Beratung im gesamten Asien-Pazifik-Raum mit Schwerpunkt auf China und Indien. Thomas Weidlich ist ausgewiesener Experte für die Beratung und Koordination von grenzüberschreitenden Unternehmenskäufen, Joint Ventures, Börsengängen und Restrukturierungen.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch