Firmenübernahmen aus China werden zunehmen

Firmenübernahmen aus China werden wieder zunehmen
Quelle: Adobe Stock; © Worawut

Als Investmentbank unterstützt die Lincoln International AG Unternehmenseigentümer bei strukturierten Verkaufsprozessen und spricht auch potenzielle Käufer in China an. Das Spektrum reicht dabei von privaten Firmen oder börsennotierten Gesellschaften bis hin zu Staatsunternehmen. Im Interview spricht Vorstandsvorsitzender Dr. Michael Drill über die Entwicklung des deutsch-chinesischen-M&A-Markts. Wie er feststellt, sind die Firmenübernahmen aus China in den letzten Jahren zurückgegangen. Mittelfristig erwartet er aber einen nachhaltigen Anstieg.

Investment Plattform China/Deutschland: Zuletzt haben Firmenübernahmen aus China nachgelassen. Wie aktiv sind chinesische Käufer noch auf dem deutschen M&A-Markt?

Drill: Wir erwarten, dass M&A-Deals zwischen deutschen und chinesischen Parteien wieder spürbar zunehmen. Konkret rechnen wir nachhaltig mit jährlich etwa 40 Übernahmen deutscher Firmen durch Chinesen. Die chinesische Regierung hat in den letzten Jahren den Kapitalexport reguliert und stark darauf geachtet, dass viel im eigenen Land investiert wird. So will sie die abflauende Inlandskonjunktur stützen und dem längerfristigen Ziel einer autarken Volkswirtschaft näherkommen. Schließlich wuchs die Volkswirtschaft 2018 und 2019 auch wegen des Handelsstreits mit den USA so langsam wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Seit Herbst hat sich das Konjunktursentiment in China allerdings erstaunlich schnell von der Corona-Krise erholt. Für 2021 wird ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 8% erwartet. Dieser starke Anstieg – zusammen mit der Dual-Circulation-Strategie der Volksrepublik – wird die Bereitschaft der Politik und Großunternehmen für Akquisitionen von europäischen Unternehmen mit besonderen Technologien und Know-how deutlich stärken.

Wird es andererseits zum Ausverkauf der deutschen Wirtschaft an chinesische Staatskonzerne kommen?

Nein. In den letzten zehn Jahren haben Chinesen insgesamt etwa 10 Mrd. EUR für Firmenkäufe und Direktinvestitionen in Deutschland ausgegeben – demgegenüber haben deutsche Konzerne im gleichen Zeitraum etwa neun Mal so viel in China investiert, insbesondere für Greenfield-Fabriken und Joint Ventures.

Stehen deutsche Unternehmen in China aktuell höher im Kurs als Firmen aus dem europäischen Ausland?

Ja. Wir beobachten weiterhin starkes Interesse gerade an Industrieunternehmen. Firmenübernahmen wie die des Roboterherstellers Kuka oder des Spezialmaschinenbauers KraussMaffei durch Investoren aus China sind bestimmt nur der Anfang gewesen. Ich selbst habe vor zweieinhalb Jahren beim Verkauf des sächsischen Flugzeugbauzulieferers Cotesa an den chinesischen AT&M-Konzern beraten. Das war eine Transaktion, bei der die Technologie und das einzigartige Know-how zur Herstellung von hochwertigen Faserverbundbauteilen im Vordergrund standen.

Aber will die Bundesregierung solche Übernahmen mit der jüngsten Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung nicht eher verhindern?

Die Politik befürchtet, dass mithilfe staatlich gelenkter Investitionsprogramme wie „Made in China 2025“ der wirtschaftliche Aufstieg Chinas vorangetrieben wird und Interessen der Bundesrepublik zuwiderlaufen. So überraschte es nicht, dass im Dezember 2020 der Erwerb des Kommunikationstechnologieunternehmens IMST durch den staatlichen chinesischen Rüstungskonzern China Aerospace and Industry Group vom BMWi untersagt wurde. Auch 2018 hatte die Politik von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht, konkret bei der Übernahme der Leifeld Metal Spinning durch einen Investor aus China.

In welchen Fällen erwarten Sie Transaktionsprobleme im Zusammenhang mit der Außenwirtschaftsverordnung?

Wenn Zielunternehmen im Bereich wirklich kritischer Technologien agieren, eine wichtige Rolle für die Versorgungssicherheit der Bundeswehr einnehmen, oder einen entscheidenden Beitrag zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit unseres Landes leisten, ist eine erforderliche Genehmigung durch das BMWi in Gefahr. In der Praxis dürfte dies aber nur wenige Deals betreffen.

Dr. Drill, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 


Zur Person

Porträtfoto von Dr. Michael Drill, Vorstandsvorsitzender der Lincoln International AG, Frankfurt
Bild: Lincoln International AG

Dr. Michael Drill ist Vorstandsvorsitzender der Lincoln International AG mit Sitz in Frankfurt und strategischer und operativer Leiter des Geschäfts in der DACH- und Benelux-Region. Seit 25 Jahren ist der in den Bereichen M&A, öffentliche Übernahmen, Fairness Opinion und Ausgliederungen aktiv. Zu seinen Kunden gehören Großkonzerne, mittelständische Familienunternehmen und Private-Equity-Gruppen.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch