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Schwache Konjunkturindikatoren: PBOC kontert Wachstumsverlangsamung mit Zinssenkung

China führt Konjunkturerholung an
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Die Konjunkturindikatoren für Juli zeigten, dass sich die chinesische Wirtschaft im ersten Monat des dritten Quartals 2023 weiter verlangsamt hat. Die Daten wurden nach den schwächeren Kredit-, Handels- und Inflationszahlen der letzten Woche veröffentlicht. Von Carlos Casanova*

Vielfältige Gründe für anhaltende Wachstumsschwäche

Zum einen richtete der Taifun Doksuri in Nordchina große Verwüstungen an. Dadurch wurden der Konsum und die Investitionstätigkeit gestört, sodass die Daten unter dem zyklischen Trend lagen. Darüber hinaus haben sich die Sorgen um den Immobilienkonzern Country Garden zu der anhaltenden Schwäche und der gedämpften Stimmung im Inland gesellt, was die Haushalte zu größerer Zurückhaltung veranlasst hat.

Staatsunternehmen und Automobilbau stützen

Verglichen mit dem Vorjahreswert verlangsamte sich das Wachstum der Industrieproduktion im Juli auf 3,7%, nach 4,3% im Juni. Gegenüber dem Vormonat blieb die Industrieproduktion unverändert, nachdem sie im Juni noch 0,7% gegenüber Mai gestiegen war. Die privaten Unternehmen bleiben wie bereits im ersten Halbjahr weiterhin hinter den staatlichen Unternehmen zurück. Der Automobilbau bleibt eine Konjunkturstütze, verlangsamte sich aber auf 6,8% im Vergleich zum Vorjahr nach 8,8% im Juni. […]

Konjunkturindikatoren verschwommen

Wachsende Verunsicherung bei Jugendarbeitslosigkeit

Die erfasste Arbeitslosenquote stieg auf 5,3%, gegenüber 5,2% im Juni. Das nationale Statistikbüro veröffentlichte jedoch keine Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit (16-24-Jährige) und begründete dies mit der Notwendigkeit, Unstimmigkeiten bei komplexen Daten zu beseitigen. Die Entscheidung, die Daten zur Jugendarbeitslosigkeit nicht mehr zu veröffentlichen, ist für die Stimmung internationaler Investoren nicht gerade förderlich, da sie zu einer Verschlechterung der Sichtbarkeit führt. Im Juli sind viele neue Hochschulabsolventen in den Arbeitsmarkt eingetreten, was ein Risiko für die Jugendarbeitslosigkeit darstellt. Wir hatten für Juli mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 22% gerechnet, aber es sieht so aus, als ob die tatsächliche Zahl diese Prognose noch übertreffen könnte. Wir schätzen, dass es in China etwa 80 Mio. arbeitslose Jugendliche geben könnte. Das sollte Aufschluss darüber geben, wie die nächsten politischen Schritte aussehen könnten.

Aktueller Zinsschritt nur der Anfang

Das Politbüro betonte im Juli sehr deutlich, dass China seine antizyklischen Unterstützungsmaßnahmen verstärken würde. Das erste Anzeichen dafür war heute zu sehen, als die People’s Bank of China (PBOC) unerwartet den Zinssatz für die mittelfristige 1-Jahres-Kreditfazilität (MLF) um 15 Basispunkte auf 2,5% und den 7-tägigen Reverse-Repo-Satz um 10 Basispunkte auf 1,8% senkte. Entsprechend der bisherigen Vorgehensweise der PBOC sollten wir in der nächsten Woche eine symmetrische, überproportionale Senkung des 1Y- und 5Y-Loan Prime Rate (LPR) um 10-15 Bp erwarten. Mit Blick auf die Zukunft erwarten wir, dass die PBOC die Leitzinsen weiter um 50-75 Basispunkte senken und die Bilanz ausweiten wird, um die Risiken in Schlüsselsektoren wie den Schulden der Lokalregierungen und den regionalen Wohnungsmärkten zu mindern.

Insgesamt haben sich die Konjunkturindikatoren im Juli in allen Sektoren weiter abgeschwächt. Das bedeutet, dass sich die sequenzielle Verlangsamung bis ins dritte Quartal 2023 ausgedehnt hat, was konzertierte Anstrengungen und eine schnellere Reaktion erfordert. Obwohl einige Indikatoren begonnen haben, sich zu erholen, wird der August ein weiterer schwacher Monat sein. Die Wachstumsuntergrenze von 5,0% für 2023 bleibt in Reichweite, aber die Behörden müssen sicherstellen, dass die Wirtschaft in einem vernünftigen Rahmen wachsen kann. Die politischen Entscheidungsträger sollten das Ziel des ‚Gemeinsamen Wohlstands‘ nicht aus den Augen verlieren. Jetzt heißt es ‚Alle Mann an Deck!‘

Carlos Casanova

*) Carlos Casanova ist Seniorökonom für Asien bei der Union Bancaire Privée

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Künstliche Intelligenz: China verpasst den Anschluss!

Lange galt China neben den USA als Pionier im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Nun jedoch scheint das Land den Anschluss zu verlieren. Von Brice Prunas*

Chinesische Behörden brüsteten sich im vergangenen Sommer damit, dass China mit rund 80 verschiedenen Large Language Models (LLMs) größere Kapazitäten im Bereich generativer KI hätte als die USA. Wir ziehen das heraufbeschworene Bild von der chinesischen Dominanz auf diesem Feld in Zweifel, da China über nur wenige bis gar keine der vier für das Training von LLM wesentlichen Elemente verfügt. Was die generative KI betrifft, so scheint das chinesische Ökosystem in allen zentralen Punkten Schwächen zu haben.

Schwachstellen bei Datenvielfalt

AFFiRiS erhält Patent für Parkinson-Medikament in China
Quelle: Adobe Stock; © medistock

Datensätze sind essentiell für generative KI. Ausreichend qualitativ hochwertige Daten sind unersetzlich, damit die Ergebnisse einen Mehrwert liefern. Da sich China jedoch weit von westlichen Systemen isoliert hat, ist die Vollständigkeit der Daten fraglich. Das ‚Halluzinieren‘ einer KI, die Ergebnisse erfindet, ist schon bei westlichen Systemen ein Problem, könnte bei chinesischen Produkten womöglich noch öfter auftreten.

Rückständige Software

Die Qualität von Künstlicher Intelligenz hängt eng mit der Software zusammen, die auf öffentliche Clouds zugreift. Sie ermögliche die ‚industrielle‘ und optimierte Nutzung von langen Datenreihen, die für das LLM-Training erforderlich sind. Die Anbieter von hochmodernen Software-Lösungen für öffentliche Clouds sind US-Unternehmen und diese bieten ihre Dienste nicht in China an. China hat zwar eigene Produkte wie Oushu DB, die mit amerikanischen Diensten, unter anderem SnowFlake und Databricks, vergleichbar sind. Technologisch sind diese Programme mehrere Jahrzehnte im Rückstand.

KI: Simulation einer Stadt am Fluss. Kommt bekannt vor?

KI-Chips fest in US-Hand

Grafikkarten, sogenannte GPUs, sind für die für generative KI benötigte Rechenleistung enorm wichtig. Nvidia und seine GPUs, aber auch alle auf diesem Feld tätigen Unternehmen, die potenziellen Lieferanten von KI-Chips sind, wie Broadcom, Marvell, AMD oder Intel, stammen allesamt aus den USA. Die Halbleiterindustrie Chinas ist nicht in der Lage, den eigenen Bedarf an KI-Chips zu decken. Die US-Regierung hat sowohl europäischen und amerikanischen Ausrüstern die Belieferung von Schlüsseltechnologien nach China untersagt und verhindert so das Wachstum des Sektors im Reich der Mitte.

Hemmnis Regulierung

Brice Prunas

Öffentliche Clouds werden in den USA und China von den jeweiligen Internetriesen betrieben. Die chinesischen Player haben gerade erst mehrere Jahre zum Teil sehr harter Regulierung hinter sich: Im Falle von Alibaba mit der Cloud-Tochter Alicloud kam das einer Demontage gleich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Cloud-Töchter von Internetunternehmen nicht ausreichend optimiert würden, da die meisten Unternehmenskunden weiterhin eigene Server betreiben. Auch perspektivisch kann Regulierung Chinas Entwicklung bei generativer KI behindern. Denn China muss, wie der Rest der Welt, seine generative KI irgendwann regulieren. Je nachdem, in welcher Form diese Regulierung in China erfolgt, würde dies das chinesische Entwicklungsmodell unter Umständen abermals schwächen.

*) Brice Prunas ist Fondsmanager des Fonds ODDO BHF Artificial Intelligence

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Chinaforum Bayern: neues Vorstands- wie auch neues Beiratsmitglied

Das Chinaforum Bayern hatte das Amt des/der Vorstandsvorsitzenden neu zu besetzen. Außerdem: Dr. Florian Wagner neu im Vorstand, Angela Wöhrl im Beirat

Ende Mai dieses Jahres legte Sabine Dietlmeier ihr Amt der Vorstandsvorsitzenden im Chinaforum Bayern aus persönlichen Gründen nieder. Der Verein bedankt sich herzlich bei der Kollegin für ihre engagierte und konstruktive Leitung in den vergangenen sechs Jahren und freut sich, dass sie dem Chinaforum auch weiterhin als Mitglied erhalten bleibe.

Kommissarische Nachfolge im Vorstand: Dr. Florian Wagner

Gemäß Satzung des Chinaforums wurde nunmehr Dr. Florian Wagner als kommissarischer Nachfolger in den Vorstand berufen. Wagner ist Senior Manager International Relations & Business Management bei der NürnbergMesse, wo er für die Tochtergesellschaften und Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe in China und Brasilien zuständig ist. Nach seinem Studium der Sinologie und Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Beijing Foreign Studies University promovierte Wagner an einem DAAD-Graduiertenkolleg der FAU in Sinologie.

Der neue Vorstandsvorsitzende: Dr. Christian Haug

Vor seiner jetzigen Tätigkeit bei der NürnbergMesse war er, neben seiner sinologischen Forschung (Schwerpunkte: Ideologiekritik, Ideengeschichte und Gegenwartskunst), in der deutsch-chinesischen Kulturarbeit tätig und beriet nach einem Wechsel in die Unternehmensberatung deutsche und chinesische Unternehmen aus der Automobilbranche.

Als kommissarisches Vorstandsmitglied bleibe Wagner bis zur nächsten Mitgliederversammlung im Amt und werde sich dort entsprechend zur turnusgemäßen Wahl stellen. Gleichzeitig wurde Dr. Christian Haug, Managing Director der Startup Factory China, zum neuen Vorstandsvorsitzenden ernannt.

Angela Wöhrl: neu im Beirat

Darüber hinaus habe der Verein mit Angela Wörl ein neues Mitglied für den Beirat des Chinaforums gewinnen können. Wörl ist 1967 in Addis Abeba, Äthiopien, geboren. Ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München schloss sie 1994 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen ab. 1995 erfolgte der Eintritt in die Rechtsabteilung der Wacker Chemie, wo sie ab 2003 die Verantwortung für internationale HR-Aufgaben und Personalentwicklung im Zentralbereich Personal übernahm. Nach weiteren Führungsaufgaben in der Personalarbeit des Unternehmens schied Wörl 2011 aus familiären Gründen vorübergehend bei Wacker aus und verbrachte knapp drei Jahre in Korea und China. 2014 kehrte sie in das Unternehmen zurück und übernahm die Leitung des Zentralbereichs Obere Führungskräfte, ein Jahr später dann die Führung des Zentralbereichs Personal.

Fotos: alle @Chinaforum Bayern

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CNBW: Bilanz von drei Jahren China Netzwerk Baden-Württemberg

Am 24. Juli vor drei Jahren fiel der Startschuss für das neu gegründete China Netzwerk Baden-Württemberg e.V. (CNBW) – der Verein wuchs sogar schneller als prognostiziert.

„Der Verein ist deutlich schneller gewachsen als angenommen. Wir haben mittlerweile rund 100 Mitglieder aus dem DACH-Raum und China“, bekräftigt Dr.-Ing. Elmar Stumpf, Vorsitzender des CNBW-Vorstands.

Für die deutsch-chinesische Community wurden bisher rund 50 Fachevents durchführt – in Präsenz, online, offen und auch in geschlossenen Fachgruppen. Das jeweilige Themenspektrum richtet sich durchweg pragmatisch und praxisorientiert an der wirtschaftspolitischen Aktualität und den speziellen Bedürfnissen der Teilnehmer (Mitglieder, Nichtmitglieder) aus. Hinzu kommen gemeinsame offene Veranstaltungen mit deutschen und chinesischen Partnerunternehmen bzw. -organisationen.

Elmar Stumpf

„Ziel war anfangs, die dringenden Bedürfnisse von Interessierten aus Baden-Württembergs Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur für den Erfahrungsaustausch auf einer neutralen Plattform zu bündeln bzw. zu intensivieren“, so Stumpf im Rückblick auf die ersten drei Jahre. Rasch habe sich herausgestellt, dass die Arbeit des Vereins auch über Landesgrenzen hinweg gefragt sei und greife.

Die öffentliche Wahrnehmung des CNBW in Wirtschaft, Politik, Kultur etc. sei unerwartet schnell gestiegen. Drei Gründe nennt der CNBW-Vorstandsvorsitzende: „Zum einen wird das Netzwerk von einem hochkarätig besetzten unabhängigen Beirat unterstützt. Zum anderen bringt sich eine Vielzahl Know-how-Träger unserer Community in CNBW-Formate in Deutschland und China ein, indem sie ‚brennende‘ Themen zur Diskussion stellen. Hinzu kommen zwei vielbeachtete CNBW-Umfragen zu aktuellen Aktivitäten und Plänen der deutschen Unternehmen in Sachen Standort China.“

Und Stumpf fügt hinzu: „Wir sind zudem auch mit Landes- und Bundespolitikern im Gespräch. Bekanntermaßen ist eine belastbare China-Expertise in vielen Bereichen bisher nur unzureichend vorhanden. Es gilt, Beweg- und Hintergründe zu erkennen, Handlungsweisen zu ‚verstehen‘ und Analysen auf Basis fundierter Informationen und hinreichender Erfahrungen zu treffen. Das gilt im Übrigen umgekehrt auch für die chinesische Seite. Das CNBW kann schon aufgrund seiner neutralen Ausrichtung allen Beteiligten wertvolle Hinweise geben, die eine Einschätzung des komplexen Kontextes in jeder Hinsicht erleichtern. Wir schaffen Formate für den bilateralen Austausch, unterstützen neue Geschäftsmöglichkeiten und ermöglichen belastbare Einordnungen von Anforderungen, die sich etwa aus neuen Gesetzen bzw. Regularien sowie aus Trends ergeben – dies immer in enger Zusammenarbeit mit angedockten Experten aus unserem engmaschigen, großen Netzwerk.“

Meilensteine des CNBW seit 2020

1.       Etablierung von Arbeitskreisen/Fachgruppen
2.       Ausbau von Veranstaltungsformaten in Deutschland und China (Präsenz und offline) (Deutsch-Chin. Zusammenarbeit, Artificial Intelligence, Legal & Tax, Young Leaders)
3.       Ansprechpartner auch in China (Beijing, Tianjin, Shanghai, Taicang)
4.       Gruppe auch in Berlin/Brandenburg (Berlin Nähkästle)
5.       Mitglieder-Benefits
6.       Umfragen zu Strategien und Geschäftsbeziehungen mit China (2020/21 + 2022/23)
7.       Podcast ‚China Ticker‘
8.       CNBW-Infos via WeChat und Linkedin
9.       täglich aktualisierte Website www.china-bw.net (News, Fachbeiträge, Studien, Buchtipps etc.)

2023/24 geplant

10.     Ausbau der Aktivitäten in Baden-Württemberg, Deutschland und China
11.     Ausbau der Mitgliederbasis
12.     Etablierung weiterer CNBW-Arbeitskreise
13.     Neue Kooperationen mit Organisationen, (China-)Verbänden, Verlagen etc.
14.     neue Services für Mitglieder und Nichtmitglieder; Beispiel: Matchmaking zwischen Studenten und Unternehmen
15.     Aktivitäten, die aus aktuellem Anlass aus dem Netzwerk an das CNBW herangetragen werden

Fotos: alle Fotos @CNBW

Über das CNBW

Der Verein bündelt als neutrale gemeinnützige Plattform die Interessen von Firmen, Kommunen, Institutionen, Universitäten, Hochschulen und anderen Organisationen sowie Privatpersonen. Hochkarätige deutsche und chinesische Beiratsmitglieder aus Ministerien, Kammern, Kommunen, Landesagenturen, Verbänden, Universitäten bzw. Business Schools sowie Unternehmen unterstützen die Vereinsarbeit. Das CNBW arbeitet zudem mit etablierten Fachorganisationen und anderen China-Vereinigungen auch aus angrenzenden Regionen zusammen. Im Netzwerk werden relevante aktuelle china-spezifische Fragestellungen diskutiert. Ziel ist die Schaffung von Synergien und gegenseitigem Mehrwert durch intensiven Austausch.

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Chinas Konjunkturlokomotive schwächelt ein bisschen

China mag immer noch die Lokomotive der Weltwirtschaft sein. Sie lahmt zwar etwas, zieht aber immer noch. Von Carsten Gerlinger

Die Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft ist immens, sein Wachstum und der Konsum seiner Bevölkerung sollten die Weltkonjunktur auf Jahre antreiben. „Doch mittlerweile hält Ernüchterung Einzug, Binnenprobleme treffen auf wachsenden Widerstand gegen das Geschäftsmodell der Volksrepublik“, meint Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM. Doch auch wenn die Aussichten nicht mehr ganz so gut sind: Ohne China geht nicht viel.

Noch Anfang des Jahres 2023 rechneten die Experten mit einer starken Erholung der chinesischen Wirtschaft. „Die chinesische Regierung änderte ihre Strategie gegenüber Covid, Lockdowns gehörten der Vergangenheit an“, so Gerlinger. „Damit schien klar, dass sich ein großer Nachholbedarf entfalten würde.“ Auch die Entspannung bei den Lieferketten und damit die Wiederaufnahme der Produktion an vielen Standorten sollte die Wirtschaft befeuern.

Die Hoffnungen wurden dabei von der Annahme gespeist, die vor allem die chinesische Binnenkonjunktur betrafen. „Mobilität, Konsum aber auch der Immobiliensektor hätten nach Ansicht der Experten profitieren sollen“, so Gerlinger. Doch es kam anders.

Mittlerweile wird China als zunehmendes Risiko für das globale Wachstum betrachtet. „Dabei treffen zwei starke Strömungen aufeinander“, erläutert Gerlinger. „So wird die starke Abhängigkeit vieler Staaten von chinesischen Waren und Rohstoffen mittlerweile aktiv verringert.“ Das sorgt für mehr Wettbewerb und zunächst einmal für weniger Aufträge für chinesische Firmen.

Auf der anderen Seite schaffte es die chinesische Führung bislang nicht, die Binnenkonjunktur wieder in Schwung zu bringen. Das liegt vor allem daran, dass nicht ausreichend Jobs für die Zahl der Einwohner verfügbar ist. „Die Jugendarbeitslosigkeit wird auf etwa zwanzig Prozent geschätzt, zehn Millionen Uniabsolventen sollen ohne Job sein“, bemerkt Gerlinger. Dazu kommt, dass die Krise des Immobiliensektors noch nicht gelöst ist. Die Nachbeben der Zahlungsschwierigkeiten des Konzerns Evergrande sind immer wieder zu spüren – und drücken auch auf den privaten Konsum.

Viele Privathaushalte haben weiterhin hohe Kredite zu bedienen“, so Gerlinger. „Löhne wie Ersparnisse fließen mehr in den Ausgleich von Verlusten als in den Konsum.“ Der für die chinesische Wirtschaft so wichtige Immobiliensektor ist immer noch weit von einer Gesundung und Erholung entfernt. Auch hier wird lautstark nach der Regierung gerufen, die Verluste aufzufangen und die Konjunktur wieder anzuschieben. Dies ist auch deshalb wichtig, da derzeit das Preisniveau ganz anders als in den westlichen Industrieländern stagniert und damit ohne Gegensteuern eine Deflation drohen könnte.

„Trotzdem zeigt China noch immer ein Wirtschaftswachstum, das höher ausfällt als in den meisten Industrienationen“, erinnert Gerlinger. „Und ohne China geht es auch nicht, viele Träume von Autarkie werden auch Träume bleiben.“ So ist China immer noch die Lokomotive der Weltwirtschaft. Sie lahmt zwar etwas, zieht aber immer noch.

Carsten Gerlinger

Moventum AM

Moventum Asset Management S.A. (Moventum AM) ist eine hundertprozentige Tochter der Moventum S.C.A. In der Management Company, in der sich seit Jahresbeginn 2019 die Expertise des Asset Managements konzentriert, werden die eigenen Dachfonds sowie die individuellen Mandate im Rahmen der Vermögensverwaltungsportfolios gemanagt. www.moventum.lu
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Steigende M&A-Aktivität in Aussicht

Die M&A-Aktivität mit deutscher und chinesischer Beteiligung ist aktuell zwar stark rückläufig, doch die Deal-Aktivität dürfte in den kommenden Jahren trotz geopolitischer Hemmnisse wieder deutlich an Fahrt aufnehmen. VON DR. MICHAEL R. DRILL

Die Coronapandemie, die russische Invasion in der Ukraine, daraus resultierende Lieferengpässe und explodierende Energiekosten sowie die geopolitische Positionierung der chinesischen Regierung haben sich 2022 negativ auf grenzüberschreitende M&A-Transaktionen zwischen China und Deutschland ausgewirkt. Die Anzahl chinesischer Übernahmen ist hierzulande mit 13 Transaktionen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte eingebrochen.

Der Verkauf des Geschäftsbereichs Digital Systems von ams OSRAM an die börsennotierte Inventronics-Gruppe, einen globalen Anbieter von LED-Elektronik, sowie die Übernahme des Autozulieferers ALLGAIER durch die Westron-Gruppe sind einige der wenigen visiblen Deals. Ein gleiches Bild ergibt sich für Akquisitionen deutscher Unternehmen in China: Die wenigen visiblen Deals waren der Kauf von Wing Pet Food durch Symrise oder BMWs Aufstockung am Joint Venture BMW Brilliance Automotive (BBA) auf 75%.

Neben dem allgemein schwierigen makroökonomischen Umfeld haben auch die Einschränkungen in der Reisetätigkeit eine wichtige Rolle für die Deal-Flaute gespielt. Schließlich sind M&A-Transaktionen mit Chinesen nicht nur mit Videocalls und virtuellen Werksbesichtigungen umzusetzen. Entscheidend ist nach wie vor, dass sich Käufer, Verkäufer und das Management persönlich kennenlernen und austauschen. Seit Anfang 2020 war das mit chinesischen Geschäftspartnern kaum möglich. Zudem hat die chinesische Regierung den Kapitalexport reguliert, und sie achtet nach wie vor darauf, dass viel im eigenen Land investiert wird, um die abflauende Inlandskonjunktur zu stützen.

Darüber hinaus wird seit geraumer Zeit bei deutschen Politikern und in breiten Bevölkerungskreisen der Verkauf von deutschen Unternehmen an chinesische Investoren zunehmend kritisch gesehen. Dies zeigt sich etwa an der öffentlichen Diskussion um den Einstieg der chinesischen Staatsreederei COSCO beim Hamburger ­Hafenbetreiber sowie bei der Untersagung des Verkaufs des Chipproduzenten Elmos an Silex Microsystems, einer schwedischen Tochtergesellschaft eines chinesischen Konzerns. Die fehlende Distanz des chinesischen Regimes zu Russland dürfte hierbei eine wichtige Rolle spielen.

Aufgrund der anhaltend belastenden ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen scheinen chinesisch-deutsche M&A-Vorhaben derzeit nicht en vogue zu sein. Die Praxis des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) offenbart, dass Transaktionen mit chinesischen Bietern nicht mehr ohne Weiteres von der Politik durchgewinkt werden. Auf der anderen Seite zeigt China – nicht zuletzt wegen der lange aufrechterhaltenen strikten Null-COVID-Politik – auch im laufenden Jahr gewisse Schwächezeichen. Für 2023 wird ein Wirtschaftswachstum von lediglich 4 bis 5% erwartet.

Erhöhung der M&A-Aktivitäten bereits 2023 zu erwarten

Gleichzeitig sprechen gute Gründe dafür, dass die M&A-Aktivität mit deutscher und chinesischer Beteiligung in den kommenden Jahren wieder deutlich steigen wird. China ist für die deutsche Volkswirtschaft seit 2016 mit Abstand der wichtigste Handelspartner. 2022 wurden Waren im Wert von knapp 300 Mrd. EUR zwischen Deutschland und China gehandelt, d.h. entweder importiert oder exportiert. Ferner gilt es zu bedenken, dass China bereits 2028 die USA als größte Volkswirtschaft der Welt ablösen wird. Schon heute zählt China fünf Mal so viele Erwerbstätige wie die USA. Viele Jahre war China die Werkbank der Welt für Konsumgüter wie Textilien oder Elektronik, doch angetrieben von Staatschef Xi Jinping hat sich das Reich der Mitte immer mehr zu einem Technologiestandort für hochwertige Produkte weiterentwickelt.

Vor diesem Hintergrund erscheint es logisch und wichtig, den Warenstrom mit der künftig weltweit größten Volkswirtschaft mit M&A-Transaktionen strukturell zu festigen. Während deutsche Großkonzerne in den vergangenen Jahren insgesamt einen nahezu dreistelligen Milliardenbetrag in China insbesondere in Form von Greenfield Operations investiert haben, dürften chinesische Konzerne bei Übernahmen in Deutschland erheblichen Nachholbedarf haben. Aufgrund staatlich gelenkter Investitionsprogramme wie ‚Made in China‘ und der Dual-Circulation-Strategie der Volksrepublik drängt die Politik große Staatsunternehmen zu Akquisitionen mit besonderen Technologien und Knowhow.

Wir erwarten daher in den kommenden Jahren erneut ein reges Interesse chinesischer Konzerne an Firmenübernahmen in Deutschland. Dieser Trend dürfte sich auch dadurch verstärken, dass die aktuellen Spannungen zwischen China und den USA den Fokus chinesischer Konzerne auf Europa – und hierbei insbesondere Deutschland – richten werden. Chinesische Manager und Investoren sind nach wie vor nicht nur vom deutschen Ingenieurswesen, sondern ebenso von der deutschen Geschäftskultur sehr angetan.

‚Made in Germany‘ dürfte auch künftig auf dem riesigen chinesischen Absatzmarkt einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen. Sektoren, die höchstwahrscheinlich im Mittelpunkt des Interesses stehen, sind Hightech, Robotik, Pharma, Biotechnologie, Medizintechnik oder erneuerbare Energien und Wasseraufbereitung. Für Unternehmen dieser Branchen sollten chinesische Käufer weiterhin bereit sein, hohe Bewertungen zu bezahlen.

Schwieriger wird es allerdings bei Unternehmen, die hierzulande in sensiblen Bereichen und der strategischen Infrastruktur tätig sind. Hier dürfte das BMWK von seinem Vetorecht zwar dann immer öfter Gebrauch machen, um weitere Abhängigkeiten von China zu begrenzen, insgesamt dürfte die chinesische M&A-Aktivität hierzulande trotzdem wieder zunehmen.

Eindrücke vom Bayerisch-Chinesischen Sommerdialog 2023

Auf dem bayerisch-chinesischen Sommerdialog 2023 standen naturgemäß die Entwicklungen der deutsch-chinesischen und bayerisch-chinesischen Beziehungen im Vordergrund. Diskutiert wurde, welche Weichenstellungen wünschenswert sind, um gute Beziehungen zu fördern. „Zentral wichtig sei, dass man Dialog mit China aufrechterhalte“, postulierte Stefan Geiger, Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des Chinaforum Bayern e.V. Gemeinsam mit seiner Vorstandskollegin LI Nan, Geschäftsführerin von China Agent, moderierte er den Bayerisch-Chinesischen Sommerdialog.

Nach einer kurzen Einführung startete der Abend mit einer Keynote von Prof. Dr. Klaus Mühlhahn, Präsident und Sprecher der Geschäftsführung der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Er betonte die Bedeutung des Dialogs und führte aus, dass Deutschland eine pluralistische, pragmatische und zukunftsorientierte Politik gegenüber China brauche. So ließen sich gemeinsame Interessen verfolgen, aber auch Werteunterschiede anerkennen. Europa könne auch eine Vermittlerrolle zwischen den USA und China zukommen.

Viele chinesische Delegationen in München

Der hohe Stellenwert der guten Verbindung zwischen Bayern und China wurde auch in der folgenden Podiumsdiskussion herausgearbeitet. Dr. Ulrike Wolf, Ministerialdirektorin im Bayerischen Wirtschaftsministerium, hob dazu den Besuch des chinesischen Premierministers LI Qiang hervor. Dieser war nach den Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen Ende Juni in Berlin auch zu einem Treffen mit Ministerpräsident Markus Söder nach München gereist.

China setze sich dann auch weiterhin für eine wirtschaftliche Kooperation und gegen ein De-Coupling ein. Generalkonsul TONG Defa, Generalkonsul der Volksrepublik China sagte dabei, es sei kein Zufall gewesen, dass die erste Auslandsreise von Premierminister LI nach Deutschland geführt habe. Ein gegenseitiges Interesse an einem Austausch sei also nach wie vor sehr groß. Das zeige sich auch an der hohen Zahl chinesischer Delegationen in München, betonte dazu Clemens Baumgärtner, Münchner Referent für Arbeit und Wirtschaft. Die Ansiedlung zahlreicher renommierter chinesischer Firmen in der Landeshauptstadt spiegele die hohe Attraktivität des Standorts München wider.

Schließlich könne man auch die langjährig aufgebauten Unternehmensstrukturen deutscher Firmen in China nicht kurzfristig in ein anderes Land transferieren, wie Bernd Reitmeier, Gründer und Managing Director der Startup Factory Kunshan, konstatierte. Ein De-Coupling von China wie es von Gruppen teilweise diskutiert werde, sei aktuell eher unmöglich. Die Automobilindustrie Vietnams beispielsweise betrage lediglich 1% des chinesischen Markts. Deutsche Automobilhersteller könnten dort mit einer einwöchigen Produktion den Bedarf eines ganzen Jahres decken. Es brauche insgesamt denn auch eine faktenbasierte Kommunikation im Zusammenhang mit China.

So warb denn auch Ingobert Veith, Vice President and Head of Public Affairs and Communications von Huawei Technology Deutschland, für offene Märkte und einen auf gegenseitigem Nutzen basierenden Umgang mit China. Während Huawei vom Aufbau des 5G-Netzes in vielen europäischen Ländern ausgeschlossen sei, habe China Mobile den Anteil von Komponenten der Huawei-Wettbewerber Nokia und Ericsson kürzlich verdoppelt.

Showprogamm und Netzwerken

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion ging es über in den kulinarischen und Show-Teil des Abends. Beim chinesisches Abendessen konnten die Gäste sich verschiedene chinesische Spezialitäten schmecken lassen und ihr Wissen beim beliebten interkulturellen China-Bayern-Quiz unter Beweis stellen. Zusätzlich gab es bei der Sommerdialogs-Tombola verschiedene Preise zu gewinnen. Für einen besonderen kulturellen Rahmen sorgte die Artistin und Akrobatin Simone Fluhr mit Auftritten an ihrem LED Cyr-Wheel und den LED Poi. Auf akrobatische Weise präsentierte sie eindrucksvolle Lichtkunstperformances auf der Bühne.

Zum Ausklang des Sommerdialogs konnten die rund 400 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in der Alten Kongresshalle Tischtennis spielen und sich die Kunstausstellung der Galerie Shanghai ansehen. Vor allem aber wurde bis in den späten Abend noch intensiv genetzwerkt und es kam zu vielen guten Gesprächen.

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Der ‚Instrumentenkasten‘ aus Berlin

Deutschland China CAI

Das mehr als 60 Seiten starke Dokument ‚China-Strategie‘ soll offenbar als Instrumentenkasten verstanden werden – um auf aktuelle Entwicklungen schneller reagieren zu können.

Nun ist die Katze aus dem Sack. Am gestrigen Donnerstag hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im ‚wichtigsten Forschungsinstitut‘ zu China, Merics, die am Vormittag im Bundeskabinett beschlossene ‚China-Strategie‘ präsentiert. Ein Herzensanliegen der Ministerin, wie es scheint, das schon vor Monaten angekündigt wurde, nun, kurz vor der parlamentarischen Sommerpause auf dem Tisch liegt und im Herbst von den Parlamentariern im Bundestag beraten werden soll. Denn Deutschland sei ja glücklicherweise eine Demokratie, in der die Regierung nicht wie in anderen Ländern Direktiven verabschieden könne, die umzusetzen seien.

Der Hieb hat gesessen.

Deutschland werde sich nicht von China abkoppeln, sagte die Ministerin. Die Strategie sieht es auch nicht vor. Zu wichtig ist China als Handelspartner, der auch gebraucht wird, um globale Probleme zu lösen. Ganz oben steht dabei der Klimaschutz.

Selbstverständlich erklärte Baerbock, China baue nach wie vor Kohlekraftwerke und sorge damit für eine weitere Zunahme globaler CO2-Emissionen. Sie konnte aber nicht umhin, anzuerkennen, dass das Land bei der grünen Energiewende vorangeht: Bei der Installation von Solar- und Windkraftanlagen könne Deutschland, könne Europa nicht mithalten.

Offenbar ist das ein Problem. China ist nicht mehr der ‚Bittsteller‘, der mit offenen Händen auf den ‚Regen‘ westlicher Technologie wartet, sondern in vielen Bereichen globaler Schrittmacher. So auch beim grünen Umbau des Verkehrs: Elektromobilität, gepaart mit einem intensiven Ausbau der notwendigen Infrastruktur und einer leistungsfähigen Batterie-Entwicklung und -Produktion.

Partner u/o Wettbewerber? – der Instrumentenkasten soll Werkzeuge an die Hand geben im Umgang mit China

Partner zu sein und Wettbewerber – in einer Wirtschaftswelt, die darauf zielt, technischen Fortschritt voranzubringen und Wohlstand für alle zu sichern, ist das eine ideale Kombination. Sich gegenseitig anzutreiben, um gemeinsam zu profitieren, was kann es Besseres geben?

Nun kommt aus deutscher und europäischer Sicht ein dritter Aspekt hinzu: der systemische Rivale. Denn China habe sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich verändert, erklärt die Ministerin. Selbstbewusst trete es auf, so lautet der Vorwurf, den Lauf der globalen Entwicklung wolle es beeinflussen.

Es gab eine Zeit, lange vor Baerbock & Co., als China genau das Gegenteil vorgeworfen wurde: Seine wirtschaftliche Stärke nutze es nicht, um international Verantwortung zu übernehmen. Nun tut es China, und es ist wieder falsch, wie etwa die jüngste Aufregung um die chinesische Rolle in den Vereinten Nationen zeigt, die China unterwandere.

Instrumentenkasten für alle Eventualitäten

Im Übrigen wird in der Kritik am chinesischen Selbstbewusstsein ein Kern westlichen Denkens sichtbar, wonach die Richtung der Entwicklung nur von einer Seite vorgegeben werden kann. Die Formel ‚Wandel durch Handel‘, die ja nach Einschätzung vieler deutscher Politiker gescheitert ist, macht dies mehr als deutlich. China setzt dagegen auf wirtschaftliche Überzeugung, nicht auf den Export von Modellen. Mit unfairen Mitteln, wird in Berlin behauptet, was dazu führe, dass beispielsweise Brasilien, wie Annalena Baerbock ausführte, in Größenordnungen mehr nach China als nach Deutschland exportiert.

An dieser Stelle schlug sie den Bogen zu den Selten-Erden, die global vornehmlich aus China bezogen werden. Lieferketten sichern und neu ausrichten, Abhängigkeiten minimieren – darum geht es im künftigen Umgang mit China. Risiken sollen minimiert werden, um in Krisen nicht durch einseitige Abhängigkeiten die Stabilität der eigenen Wirtschaft zu gefährden.

Im Grundsatz folgt Deutschland damit China, das längst auf dem Weg ist, geo- und handelspolitischen Turbulenzen auszuweichen. Indem etwa eine eigene leistungsstarke Halbleiter- und Chip-Produktion aufgebaut wird. Insofern sollte die Strategie auch in Peking eher mit kühlem Kopf bewertet werden, zumal das mehr als 60 Seiten starke Dokument offenbar als Instrumentenkasten verstanden werden soll, der künftig genutzt wird, um auf aktuelle Entwicklungen schneller reagieren zu können.

Um die Ausgestaltung wird es in den kommenden Wochen gehen müssen – gemeinsam mit den Akteuren, die es besonders betrifft. Mit den Unternehmen, für die China beziehungsweise der chinesische Markt Rückgrat ist. Breche es aus politischen Erwägungen, bliebe dies nicht ohne Folgen für den Wohlstand in Deutschland. Das sollte jedem Akteur in dem ‚Spiel‘ bewusst sein. Gleichwohl darf davon ausgegangen werden, dass deutsche Unternehmer die Weisheit haben, wirtschaftliche Risiken einzuschätzen und entsprechende strategische Entscheidungen zu treffen. Die chinesischen ebenso.

Rechte in China vertreten und durchsetzen

EU-China CAI: Hoffnungsträger der bilateralen M&A-Praxis
Quelle: Adobe Stock; © Onur

Ein chinesisches Sprichwort lautet ‚Wissen ist ein Schatz, der seinen Besitzer überallhin begleitet‘. Da zwischen Deutschland und China jährlich Waren im Wert von 300 Mrd. EUR gehandelt werden, ist dies sogar wörtlich zu verstehen – denn viel Geschäft bedeutet auch großes Risiko. Und gerade, wenn es einmal nicht so läuft wie geplant, ist es von großem Wert zu wissen, was zu tun ist. Im Interview erläutern Dr. Elske Fehl-Weileder[1] und Rainer Burkardt[2], welche Möglichkeiten deutsche Unternehmen in einem solchen Fall besitzen. Das Interview führte Eva Rathgeber für die UnternehmerEdition.

Frau Dr. Fehl-Weileder, Herr Burkardt, gerade das „Krisenjahr“ 2022 hat gezeigt, wie fragil die Handelswege von und nach China mitunter sind. Welche Vorsorgemöglichkeiten haben deutsche Unternehmen als Kunden chinesischer Lieferanten?
Burkardt: Eine Option ist, die Lieferantenbasis durch neue und zusätzliche Lieferanten und Bezugsquellen in China zu erweitern. Eine Produktion in China mit einem eigenen Tochterunternehmen klingt für deutsche Unternehmen verlockend, ist jedoch alles andere als einfach: Denn der Markteintritt oder -ausbau – im Fall der Fälle auch der Marktaustritt – sind in China keine leichte Aufgabe. Nicht nur die rechtlichen, sondern auch die praktischen Rahmenbedingungen in China unterscheiden sich zum Teil erheblich von denen in Deutschland. In bestimmten Fällen kann es daher für deutsche Unternehmen zielführender sein, mit chinesischen Geschäftspartnern zusammenzuarbeiten, die die Produktion der gewünschten Güter beispielsweise im Rahmen einer Auftragsfertigung übernehmen, sich aber auch auf den Fall der Fälle vorzubereiten. So lässt sich verhindern, dass im Krisenfall das Land des Lächelns in wirtschaftlicher Hinsicht für den deutschen Geschäftspartner zum Land des Weinens wird.

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Was können deutsche Unternehmen denn zum Beispiel machen, wenn ein chinesischer Lieferant seiner vertraglichen Verpflichtung nicht nachkommt oder sie nicht erfüllen kann?
Elske Fehl-Weileder: In einem solchen Fall haben deutsche Geschäftspartner die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen – gerade mit dem Blick auf mögliche Zahlungsverpflichtungen ohne Gegenleistung oder Warenlieferung. Allerdings müssen sie für diese Option vertraglich eindeutige Liefer- und Kündigungsfristen sowie auch Vertragslaufzeiten vereinbaren. Dadurch wird es dem zuständigen Gericht in Deutschland oder in China erleichtert, den Fall im Sinne des klagenden deutschen Unternehmens zu entscheiden, wobei sich bei der Wahl des Gerichtsstands oder alternativ als Ort der Schiedsgerichtsbarkeit China anbietet, da es zwischen der Volksrepublik und Deutschland keine bi- oder multilateralen Abkommen zur Vollstreckung von ordentlichen Gerichtsurteilen gibt.

Fast alle chinesischen Lieferanten – insbesondere kleinere, finanzschwache Hersteller – verlangen eine Anzahlung von mindestens 20% des Kaufpreises. Welche Möglichkeiten bestehen bei diesen Anzahlungen im Fall einer Vertragskündigung?
Burkardt: Das ist in der Tat eine besondere Herausforderung – denn auch mit einer rechtmäßigen Vertragskündigung steht der deutsche Kunde vor dem Problem, sich seine geleistete Anzahlung zurückholen zu müssen. Vor einer Anzahlung sollten deutsche Unternehmen daher Wert darauflegen, die Bonität ihres chinesischen Geschäftspartners zu prüfen. Eine solche Prüfung ist in den vergangenen Jahren aber leider immer schwieriger und sensibler geworden, da die chinesische Regierung verhindern möchte, dass insbesondere Finanzdaten von chinesischen Unternehmen ausländischen Interessenten zugänglich gemacht werden.
Fehl-Weileder: Zu einer Bonitätsprüfung gehört aber auch, zu prüfen, ob das chinesische Unternehmen unter Umständen bereits insolvent ist. Dabei ist der Punkt wichtig, dass es in China keine Insolvenzantragspflicht gibt. Kann ein chinesisches Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen, hat das für die handelnden Personen keine unmittelbaren Folgen. Sie müssen, anders als in Deutschland, keinen Insolvenzantrag stellen – dieser Umstand kann dazu führen, dass das Vermögen des Unternehmens möglicherweise komplett verschwindet, ohne dass es zu einer geordneten Abwicklung kommt.

Welche Optionen haben deutsche Unternehmen, wenn ein chinesischer Geschäftspartner seine Rechnung nicht bezahlt?
Fehl-Weileder: Deutsche Unternehmen haben in einem solchen Fall mehrere Optionen. So können sie etwa einen Insolvenzantrag gegen das chinesische Unternehmen stellen, gegen das sie eine offene Forderung haben. Das ist allerdings mit einigen Hürden verbunden, denn je nach Größe des Unternehmens ist es nicht einfach, das zuständige Gericht für das Schuldnerunternehmen und den möglichen Insolvenzantrag ausfindig zu machen. Das richtige Gericht zu kennen ist aber von großer Bedeutung, denn nur dort kann der Antrag mit den Nachweisen über die fällige und nicht oder nicht vollständig beglichene Forderung begründet werden. Allerdings müssen sowohl der Antrag als auch die Nachweise in chinesischer Sprache eingereicht werden. Kann das Unternehmen, gegen das der Antrag gestellt wurde, nicht nachweisen, dass kein Insolvenzgrund vorliegt, wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt. Bei diesem kann der deutsche Gläubiger dann seine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Ob sich eine Forderungsanmeldung angesichts der damit einhergehenden Kosten lohnt, sollten deutsche Unternehmen als Gläubiger allerdings genau prüfen.

Wieso?
Burkardt: Die Unterlagen, die für die Forderungsanmeldung notwendig sind, müssen in chinesischer Sprache eingereicht werden. Das macht es erforderlich, dass sich ein mit den entsprechenden Rechtstermini vertrauter Übersetzer – vorzugsweise ein Rechtsanwalt – damit befasst. Auch angesichts der bereits dargestellten Hürden und Kosten sowie der niedrigen Quoten in einem möglichen Insolvenzverfahren sind Maßnahmen von Gläubigerseite bereits bei Zahlungsverzögerungen oder -ausfällen außerhalb einer Insolvenz eine empfehlenswerte Alternative und sollten vor einem Insolvenzantrag ein- und umgesetzt werden.

Welche Maßnahmen sind das?
Burkardt: Als Gläubiger können deutsche Unternehmen ausstehende Zahlungen zum Beispiel mit dem entsprechenden Titel eines chinesischen Gerichts durch eine Zwangsvollstreckung eintreiben – allerdings nur, solange noch kein Insolvenzantrag gegen das chinesische Unternehmen gestellt wurde. Geschwindigkeit und Vorbereitung sind hierbei also Trumpf! Denn für eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung muss der Gläubiger zunächst einmal eine Zahlungsklage beim zuständigen Gericht in China einreichen und anschließend den Prozess möglichst schnell vorantreiben und zu seinen Gunsten entscheiden.
Fehl-Weileder: Die Zwangsvollstreckung hat für deutsche Unternehmen als Gläubiger einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Findet sie rechtzeitig und erfolgreich statt, können die Gläubiger das durch die Zwangsvollstreckung erlangte Geld in der Regel auch dann behalten, wenn das chinesische Unternehmen oder einer der anderen Gläubiger später einen Insolvenzantrag stellt – und das sogar dann, wenn die Zwangsvollstreckung erst kurz vor dem Insolvenzantrag erfolgt ist. Denn hier besteht ein wichtiger Unterschied zum deutschen Recht: In Deutschland könnte ein Insolvenzverwalter das durch die Zwangsvollstreckung erlangte Geld vom Gläubiger zurückfordern; in China greift in einem solchen Fall die sogenannte Insolvenzanfechtung gerade nicht und der Gläubiger kann das durch die Einzelzwangsvollstreckung erlangte Geld daher behalten.

[1] Dr. Elske Fehl-Weileder ist Rechtsanwältin und im Geschäftsbereich internationale Insolvenzverwaltung bei Schultze & Braun tätig. Die Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht ist Expertin für das chinesische Insolvenzrecht. www.schultze-braun.de

[2] Rainer Burkardt ist Rechtsanwalt und Gründer der Kanzlei Burkardt & Partner. Die in China zugelassene Kanzlei, die vorwiegend den deutschsprachigen Mittelstand bei Investitionen und Geschäften in China berät, wurde vom Kanzleimonitor unter die Top Five der Rechtsanwaltskanzleien in China gewählt. www.bktlegal.com

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Steuert China auf eine Deflation zu?

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Die Erzeugerpreise gingen im Juni noch schneller zurück als im Mai. Droht in China gar eine Deflation? Von Neil Wilson, Finalto Trading

Die chinesischen Erzeugerpreise fielen um 5,4%, der schnellste Rückgang seit mehr als sieben Jahren und eine Beschleunigung gegenüber dem Rückgang von 4,6% im Mai. Die chinesischen Werkspreise gelten als wichtiger Frühindikator für die weltweiten Verbraucherpreise. Auch der chinesische Verbraucherpreisindex ging im Monatsvergleich um 0,2% zurück, so dass der Jahreswert unverändert blieb – Anzeichen für eine Deflation sollten positiv sein, aber die Sorge ist, dass die Nachfrage – sei es auf dem Weltmarkt oder im Inland – nicht so stark ist wie erhofft.

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Diese schwachen Daten deuten eher darauf hin, dass die Zentralbank die Zinsen erneut senken wird und dass weitere Anreize von Peking… Waren-Deflation nicht wirklich zur Lösung der hartnäckigen Dienstleistungsinflation beitragen wird, mit der wir es hier zu tun haben.

Unterdessen sprach US-Finanzministerin Yellen von einem ‚konstruktiven Besuch‘ in China, bei dem sie ‚deutlich gemacht hat, dass die Vereinigten Staaten nicht versuchen, sich von China abzukoppeln‘. Auf der anderen Seite forderte China ‚praktische Maßnahmen‘ zu Sanktionen. Die Geopolitik steht im Mittelpunkt des NATO-Gipfels und der Frage, wie es mit der Ukraine in Bezug auf die Mitgliedschaft weitergeht.

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Medizinsektor in China boomt

Längst hat sich China auch im Medizinsektor von der Werkbank zum Global Player entwickelt. Von Yanxiu Gu, ODDO BHF Asset Management*

Chinesische Pharma-Unternehmen begnügen sich nicht länger damit, Patienten patentgeschützte Analogprodukte anzubieten, sondern mischen nun auch im „First-in-Class“-Segment, also bei Medikamenten mit neuem, einzigartigem Wirkmechanismus, mit.

Neue Konkurrenz für die Platzhirsche

In den letzten zehn Jahren haben sich viele Firmen zu Forschungs- und Entwicklungspartnern oder aber zu Konkurrenten großer internationaler Pharmaunternehmen wie Johnson & Johnson, Mercer, GlaxoSmithKline, Roche oder Pfizer entwickelt. Dazu gehörten beispielweise das pharmazeutische Unternehmen Biologics, die im Bereich der Auftragsforschung, -entwicklung und -herstellung tätige Wuxi Biologics und die Biotech-Firma Beigene.

Beigene ist in den USA, Hongkong und am chinesischen A-Shares-Markt börsennotiert. Die auf Krebsbehandlung spezialisierte Firma hat von der US-Arzneimittelbehörde FDA für ihr Präparat Baiyueze die Zulassung für die USA erhalten. Das ist das erste chinesische Originalpräparat, das von der FDA als „bahnbrechende Therapie“ anerkannt und dem Prioritätsstatus gewährt wurde.

Clusterbildung mit System

Nahe Shanghai, in der Stadt Suzhou haben sich die wichtigsten biomedizinischen Unternehmen in einem Stadtviertel, der sogenannten BioBay, angesiedelt und profitieren von der Nähe zueinander. Über 35.000 Forscher arbeiten hier an innovativen Therapien, hochwertigen medizinischen Geräten und in Biotechnologie. Auch Beigene ist mit einer Niederlassung dort vertreten.

Suzhou ist mit seinen 2.000 Unternehmen, davon 20 börsennotiert, nur eines der großen Pharma- und Medizin-Cluster in China. Seit 2009 fördert die chinesische Regierung den Aufbau einer biomedizinischen Industrie. Neueinstellungen werden subventioniert. Das zieht Wissenschaftler aus dem In- und Ausland an. Nachlässe beim Schulgeld, Rabatte bei Mieten oder einfachere Regelungen bei Arbeitsvisa – die Kommunalregierungen arbeiten daran, möglichst viele Hürden aus dem Weg zu räumen. Zudem hätten einige Schulen in Suzhou Kooperationen mit den dort ansässigen Life-Science-Laboren.

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Politik hält den Schlüssel

Die inländische Medizintechnik in China ist auch deswegen so erfolgreich, weil die Politik das begünstigt. Die chinesische Politik im Medizinsektor will zum einen einheimische Innovationen fördern und zum anderen die Grundbedürfnisse der breiten Bevölkerung befriedigen. So sind staatliche Krankenhäuser angehalten, Produkte heimischer Anbieter zu kaufen, Hersteller ausländischer Medizintechnik müssten komplizierte Verwaltungsverfahren durchlaufen.

Eine Schlüsselrolle nimmt die 2018 gegründete National Healthcare Security Administration (NHSA) ein. Sie bewertet jedes neue Produkt und legt den Preis für die am höchsten bewerteten Produkte fest. Die chinesische Regierung verlangt sowohl niedrige Preise als auch hohe Qualität. Hierdurch wird das Scheitern nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen befördert, inländische Unternehmen mit hoher Innovationskraft und wirksamer Kostenkontrolle hingegen begünstigt. Für die Pharmaunternehmen gilt bei Aufnahme in den nationalen Katalog der Krankenversicherungen das „The winner takes it all“-Prinzip – allerdings zu Lasten der Marge.

Wir bauen Brücken nach China für Life Science Start-ups
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Internationale Expansion

Dies stellt internationale Pharmaunternehmen vor Herausforderungen, aber bietet einen Anreiz für heimische Generika-Hersteller, stärker auf Produktinnovationen zu setzen. Auch veranlasst es führende chinesische Pharmaunternehmen dazu, auf der Suche nach höherer Rentabilität internationale Standorte zu erschließen. Junshi Biosciences, Innovent Biologics und CStone Pharmaceuticals expandierten derzeit nach Südostasien. Beigene ist mit Standorten in Cambridge (Massachusetts) und Basel vertreten.

*) Yanxiu Gu ist Produktspezialistin für chinesische Aktien ODDO BHF Asset Management

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Das Ziel ist gesteckt: China kann bis 2035 größte Volkswirtschaft sein

Chinas Wachstumsrate mag ihren Höhepunkt erreicht haben. Aber selbst bei 3,5% p.a. dürfte China vor 2035 die größte Volkswirtschaft der Welt sein. Von Robert Gilhooly*

Gerade besucht eine hochrangige chinesische Delegation Deutschland. Chinas Wachstumsrate mag ihren Höhepunkt erreicht haben. Aber die Größe seiner Wirtschaft bedeutet, dass selbst wenn sich das Wachstum in den nächsten zehn Jahren auf etwa 3,5% abschwächt, das Land immer noch etwa ein Drittel des weltweiten Wachstums ausmachen und vor 2035 die größte Volkswirtschaft der Welt sein wird.

Selbst in zehn Jahren wird China noch über ein beträchtliches Wachstumspotenzial verfügen, da das Pro-Kopf-BIP wahrscheinlich nur ein Viertel des US-BIP betragen wird, sodass es noch viel Potenzial zum Aufholen gibt.

China nähert sich beim Konsumverhalten dem Westen an

Die Art des chinesischen Wachstums werde sich ändern. Wenn Chinas Mittelschicht wächst, wird der Anteil des Konsums am BIP steigen. Chinas Konsum liegt bereits bei 50% des US-Konsums, und bis 2050 könnte er um fast 10% höher sein. Chinas alternde Bevölkerung wird die Angleichung des Konsumverhaltens an die Normen der Industrieländer verstärken. Der Konsum wird sich also zunehmend auf die Bereiche Wohnen, Gesundheit, Verkehr und Hygiene konzentrieren.

Bildung und Qualifikation gleichen Überalterung aus

Eine ‚Japanisierung‘ Chinas ist unwahrscheinlich: Natürlich gibt es einige Parallelen bei der Demografie, dem Immobilienabschwung, dem verlangsamten Wachstum, der Bedeutung des Exports und den Handelsspannungen mit den USA. Aber der Hauptunterschied liegt in den Entwicklungsstufen. Japan ist bereits Anfang der 1990er Jahre eine fortgeschrittene Volkswirtschaft gewesen. Das Pro-Kopf-BIP betrug etwa 70% desjenigen der USA.

Selbst wenn die chinesische Bevölkerung zu einem früheren Zeitpunkt überaltert, dürften die durch Bildung und Qualifikation erzielten Fortschritte bei den Arbeitnehmern einen Rückgang der Erwerbsbevölkerung ausgleichen. Einfach ausgedrückt: Die Qualität der Arbeitskräfte kann die Quantität der Arbeitskräfte kompensieren.

Finanzstabilität und Immobilienmarkt im Fokus

Zudem unterscheiden sich das japanische und das chinesische Finanzsystem erheblich. Staatlich gelenkte Investitionen können potenziell jeden Rückzug des Privatsektors ausgleichen. Das verringert das Risiko einer ‚Bilanzrezession‘, die durch eine hohe Verschuldung des Privatsektors verursacht wird, die Ausgaben oder Investitionen behindert.

Immobilien stellen für China nach wie vor eine große Herausforderung dar. Die Bevölkerung Chinas mag zwar seit 2022 zu sinken begonnen haben, doch dies ist kein Zeichen für einen bevorstehenden Zusammenbruch der Wohnungsnachfrage. Die Urbanisierung ist noch nicht abgeschlossen. Den privaten Wohnungsmarkt gibt es erst seit den späten 1990er Jahren, sodass noch viel Modernisierungsarbeit zu leisten sein wird.

Robert Gilhooly

Ich gehe davon aus, dass die sich ändernde Bevölkerungszusammensetzung die Haushaltsbildung bis 2035 in einem angemessenen Tempo vorantreiben wird (jedes Jahr kommen etwa 4 Mio. Haushalte hinzu). Die Haushaltsbildung insgesamt wird wahrscheinlich erst gegen 2045 ihren Höhepunkt erreichen. Allerdings sind 4 Mio. zusätzliche Haushalte pro Jahr nur halb so viele wie zwischen 2000 und 2010. Zudem besteht das Risiko, dass nach dieser Periode des starken Wohnungsbaus überschüssige Bestände abgebaut werden müssen.

*) Robert Gilhooly ist Senior Emerging Markets Research Economist bei abrdn

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