Rund 100 Gäste versammelten sich am 7. Mai im Sino German Hi Tech Tower im Süden Heidelbergs. Unter dem Motto „Shenyang meets Heidelberg“ organisierten der Deutsch-Chinesische Industriepark für Maschinen- und Anlagenbau in Shenyang und der Sino German Hi Tech Park ein Kooperationsforum, um eine Reihe von neuen Projekten in Angriff zu nehmen. Konkreter Anlass der Veranstaltung: die Einweihung eines Offshore-Innovationszentrums des Shenyanger Industrieparks.
Der Standort Shenyang hat einen schwierigen Weg hinter sich. In der Planwirtschaft der fünfziger Jahre als Zentrum der Kohle- und Stahlbranche auserkoren, erwies sich die gesamte Schwerindustrie Nordostchinas in den Anfangsjahren der Reform- und Öffnungspolitik als wenig anpassungsfähig. Die Stadt musste darum kämpfen, den Anschluss an die dynamische Entwicklung im Osten und Süden des Landes zu finden. Erst 2016 erlitt die Stadt eine empfindliche Wachstumsdelle. Seit vergangenem Jahr expandiert die Wirtschaft der Acht-Millionen-Einwohner-Metropole wieder, wie JIANG Youwei, Oberbürgermeister von Shenyang, auf dem Kooperationsforum betonte. Noch wichtiger: Auch der Strukturwandel schreitet voran. Seit 2017 machen modernen Industrien mit 54% erstmals mehr als die Hälfte der gesamten industriellen Wertschöpfung aus.
Zukunftsweisender Industriepark
Eine hohe Bedeutung für die Modernisierung ganz Shenyangs hat der 2015 direkt vom Staatsrat genehmigte Deutsch-Chinesische Industriepark für Maschinen- und Anlagenbau. Auf einer Fläche von 48 km² siedelt sich dort modernste Fertigungsindustrie an. An die 60 deutsche Unternehmen sind im Industriepark vertreten. Größter Investor ist BMW. Der deutsche Premiumautobauer hat in Shenyang mittlerweile eine Produktionskapazität für 450.000 Autos im Jahr aufgebaut. Bürgermeister Jiang sieht in dem Industriepark folglich auch eine wichtige Plattform zur Verknüpfung der chinesischen „Made in China 2025“-Strategie und des deutschen Konzepts der Industrie 4.0.
Gebündeltes Wissen
Die Chancen der Zusammenarbeit in den Zukunftsindustrien werden auch auf deutscher Seite erkannt. „Wenn wir deutsches und chinesisches Wissen zusammenbringen, können wir zusammen eine neue Welt schaffen“, erklärte Professor Dr. Eckart Würzner, Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg, und bekräftigte sein Interesse an einer vertieften Kooperation mit Shenyang. Auf den ersten Blick erscheint die beschauliche Stadt am Neckar mit ihren 158.000 Einwohnern als Partner für die nordostchinesische Industriemetropole eine Nummer zu klein. Doch bietet Heidelberg genau das was man in China für die Modernisierung der Wirtschaft braucht: Wissenschaft und Forschung auf höchstem Niveau. 35% der Bevölkerung haben einen akademischen Hintergrund. 40.000 Studenten sind in der ältesten Universität Deutschlands eingeschrieben. Weltunternehmen wie SAP, BASF, Henkel oder ABB unterhalten dort Forschungs- und Entwicklungszentren. „Heidelberg ist die Stadt der Nobelpreisgewinner“, merkte Würzner an. 57 Träger des prestigeträchtigen Wissenschaftspreises hat die Heidelberger Universität bereits hervorgebracht.
Verknüpfte Potenziale
„Shenyang und Heidelberg verknüpfen Potenziale“, meint auch Dr. Wolfgang Niopek von der IHK Rhein-Neckar und sieht hier eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer verwies auf die weiteren Planungen für den Sino German Hi Tech Park. Auf dem Gelände des Heidelberg Innovation Park wird ein deutsch-chinesisches Technologiezentrum für die Bereiche IT- und Life Sciences mit 60.000 m² an Büro- und Laborflächen entstehen. Damit solche Kooperationsprojekte auch künftig realisiert werden können, ist es für Niopek wichtig, den weltweit aufkommenden protektionistischen Tendenzen einen Riegel vorzuschieben. „Die vielfältige Zusammenarbeit sollte nicht durch neue Handelshemmnisse und neue Handelsbarrieren behindert werden“, so der Vertreter der IHK.
Große Herausforderungen
Eine ähnliche Ansicht vertrat auch Botschaftsrat WANG Weidong, der die Wirtschafts- und Handelsabteilung der chinesischen Botschaft in Berlin leitet. Er warf einen Blick zurück auf 40 Jahre Reform- und Öffnungspolitik. In deren Verlauf gelang es China rund 700 Mio. Menschen aus der Armut zu befreien. Zu den ersten Ausländern, die im großen Stil in China zu investieren begannen, gehörten die Deutschen. Bereits 1983 lief in Shanghai das erste in einem Joint Venture hergestellte Auto der Marke Volkswagen vom Band. „Öffnung bedeutet Fortschritt“, lautet Wangs Schlussfolgerung. Er verwies auf die jüngsten Maßnahmen der chinesischen Regierung wie die Rücknahme der Anteilsbeschränkungen für ausländischen Joint-Venture-Partner im Automobilsektor. Auch der Diplomat betonte die Notwendigkeit, voneinander zu lernen und Synergien zu heben. Gleichzeitig sieht auch er die große Herausforderung, die der neue Protektionismus darstellt. Dem gelte es gemeinsam entgegenzutreten. „Noch nie war das Bedürfnis nach Zusammenarbeit mit Deutschland so stark wie jetzt“, so Wang abschließend.
Neuer Inkubator
Zum Abschluss des Kooperationsforums wurden für vier deutsch-chinesische Projekte in den Bereichen Highspeed-Bildbearbeitung, E-Bikes, Umwelt- und Energietechnik sowie Leichtbauwerkstoffe Absichtserklärungen unterschrieben. Danach enthüllten die chinesischen Gäste zusammen mit ihren deutschen Gastgebern feierlich das Schild des Offshore-Innovationszentrums des Deutsch-Chinesischen Industrieparks für Maschinen- und Anlagenbau in Shenyang. Das gemeinsame Projekt des Sino German Hi Tech Parks und des Deutsch-Chinesischen Industrieparks soll eine Plattform und einen Inkubator für internationale technologische Zusammenarbeit darstellen, der künftig Dienstleistungen im Bereich Technologietransfer, Human Resources, Matching Services und Finanzierung anbietet.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch