Man stelle sich vor, die Olympischen Winterspiele in Peking werden zu einem Corona-Hotspot. Große Fantasie braucht es nicht, um vorauszusagen, welche Schlagzeilen uns dann von früh bis spät bombardieren, welche Empörung sich rund um die Welt entlädt.
Schon bevor am 4. Februar in Peking die olympische Flamme entzündet wird, ist klar: Wie zuvor die Sommerspiele in Tokio werden auch die Winterspiele in Peking vorangegangen Olympischen Spielen nicht gleichen. Wie den Tokioter Organisatoren hat Corona auch den Pekinger Veranstaltern einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Ein Fest sollte es werden, in einer Stadt, die als erste im Abstand von nur wenigen Jahren sowohl für Sommer- als auch für Winterspiele Gastgeber ist. München hatte eigentlich darauf spekuliert, sich dessen rühmen zu können, dabei aber nicht den Unmut der Münchner gegen das Sportereignis einkalkuliert. Möglicherweise ist das auch ein Grund, warum die deutsche Vorab-Kritik an den Pekinger Spielen so kompromisslos hart ausfällt?
Im Vorfeld immer wieder Kritik
Kritik an Großveranstaltungen des Sports scheint ja inzwischen ein besonderer Sport geworden zu sein. Keine Olympischen Spiele sind in Erinnerung, egal wo sie veranstaltet wurden, an denen nicht vor Eröffnung gekrittelt wurde. Der Bau von Sportstätten verzögere sich und die Kosten uferten aus, die Logistik für Sportler, Trainer und Zuschauer funktioniere nicht reibungslos. Und so weiter, und so fort. Nachdem dann die Olympische Flamme erlosch, waren es immer „große Spiele“, die in Erinnerung bleiben werden. Fast entsteht der Eindruck, Sportlern, die sich vier Jahre mit viel Schweiß auf die Wettbewerbe der Wettbewerbe vorbereiten, solle die Teilnahme im Vorfeld „versauert“ und den Organisatoren eins ausgewischt werden.
Die Pekinger Sportstätten sind rechtzeitig fertig geworden, die Organisatoren haben ein modernes Highspeed-Schienensystem gebaut, das einen bequemen, schnellen und reibungslosen Verkehr zwischen den Olympiastätten in Peking, Zhangjiakou und Yanqing ermöglicht. Stadien der Sommerspiele des Jahres 2008 wurden umfunktioniert und können für Wintersportarten genutzt werden. Peking hat „grüne“ Spiele versprochen und dafür gesorgt, dass sie „grün“ werden.
Testen, testen, testen
Es wird aber auch dafür sorgen, dass mit den Spielen die Null-Covid-Strategie des Landes nicht über den Haufen geworfen wird. Testen, testen, testen heißt die Devise und Nachverfolgung möglicher Infektionen auf Basis moderner Technologien. Das ist sowohl im Interesse von Sportlern und Betreuern als auch der einheimischen Bevölkerung, auch wenn damit Einschränkungen verbunden sind und die Spiele nicht zu dem ausgelassenen Miteinander wie in Vor-Corona-Zeiten werden. Denn Peking hat auch sicherere Spiele versprochen. Und „sicher“ heißt in diesen Zeiten, das gesundheitliche Wohl aller Beteiligten nicht zu gefährden. Es dürfte doch wohl auf der Hand liegen: Keinem Sportler wäre damit gedient, müsste er, anstatt sich mit seinen Konkurrenten in der Arena zu messen, mit Corona kämpfen.
Konsequent gegen Infektionen
Was wird China aber vorgeworfen? Rigides Vorgehen bei jedem Infektionsfall, um die Verbreitungen des Virus im Keim zu ersticken. Massentests der Bevölkerung finden statt. Als unannehmbarer Zwang wird das dargestellt. Komischerweise empfinden es die Menschen, die es betrifft, anders. Ihnen macht es nicht Angst. Im Gegenteil. Die Strategie, konsequent gegen Infektionen vorzugehen, wird unterstützt, sicherlich auch in dem Wissen, bei einem ernsthaften massenhaften Ausbruch geriete das Gesundheitssystem in Schwierigkeiten. Vor allem haben die Menschen gesehen, dass es sich lohnt. Während in anderen Teilen der Welt von Welle zu Welle gestolpert wurde, haben die Chinesen spätesten seit dem Frühsommer 2020 wieder ein normales Leben geführt – mit den notwendigen Vorsichtsmaßnahmen. Das will keiner aufs Spiel setzen.
Wer zu Beginn des Jahres 2020 den chinesischen Umgang mit der Pandemie kritisiert hat, sollte heute anerkennen, dass es China anders als anderen Ländern gelungen ist, die Corona-Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Und: Dass die Olympischen Winterspiele des Jahres 2022 in gewisser Weise Spiele im Ausnahmezustand werden, ist nicht China vorzuwerfen, sondern der Weltgemeinschaft geschuldet, der es nicht gelungen ist, entschieden und geschlossen der Pandemie entgegenzutreten. Freiheit des Einzelnen steht eben nicht immer über dem Gemeinwohl der gesamten Gesellschaft.
Peter Tichauer
Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.