„Uns fehlt eine langfristig orientierte Industriepolitik“

Industriepolitik angemahnt: KraussMaffei-CEO Dr. Frank Stieler (m.) fordert auf der Konferenz Asia Business Insights langfristige Zielsetzungen der Politik. 呼吁制定产业政策:在2018杜塞尔多夫经济论坛上克劳斯玛菲首席执行官Frank Stieler博士(中)呼吁德国政府制定长远政策。

„Das Potenzial in China ist für uns enorm“, so Kasper Rorsted. Der Adidas-Vorstandsvorsitzende war einer der zahlreichen hochkarätigen Redner auf der Asia Business Insights Konferenz. Unternehmenslenker und Fachleute aus dem ganzen Land hatten sich am 28. Februar in Düsseldorf versammelt, um sich auf der vom Handelsblatt und der HSBC organisierten Veranstaltung über die neuesten Trends im China und Asiengeschäft zu informieren. Auch Top-Manager deutscher Vorzeigunternehmen wie KraussMaffei und EEW berichteten von ihren Erfahrungen mit chinesischen Investoren. Daimler-Vorstand Hubertus Troska äußerte sich zu dem Einstieg von Geely bei Deutschlands renommiertesten Autobauer.

So wie Adidas-Chef Rorsted sieht auch Bernhard Kemper in China riesige Chancen – wenn auch in einer ganz anderen Branche als der Turnschuhhersteller. Wie der CEO des Abfallbehandlungsspezialisten EEW Energy from Waste erläuterte, sollen in den nächsten zehn bis 15 Jahren in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt 800 bis 1000 neue Müllverbrennungsanlagen zur thermischen Energiegewinnung gebaut werden. Damit würden dann rund 30% des Siedlungsabfalls verarbeitet werden. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es derzeit 80 Anlagen dieser Art.

Wachstum in Europa und China

Vor zwei Jahren war EEW durch das Versorgungsunternehmen Beijing Enterprises übernommen worden. Mit 1,4 Mrd. EUR handelte es sich um die bis dahin größte Investition aus China in Deutschland. Einige Monate später stieg noch der staatliche Silk Road Fund mit einem Minderheitsanteil in das Helmstedter Unternehmen ein. Laut EEW-Chef Kemper hatte sich Beijing Enterprises zwei Ziele gesetzt: an deutsches Know-how für den riesigen Bedarf an umweltschonender Abfallbehandlung in China zu gelangen, aber auch gemeinsam in Europa zu wachsen. Der chinesische Eigentümer setzt dabei großes Vertrauen in seine deutsche Tochter. „Wir sind sehr, sehr selbständig in der Geschäftsführung“, erklärte Kemper.

Vertrauensbasis geschaffen

Trotzdem verlief die erste gemeinsame Strecke in mancherlei Hinsicht auch holprig. Es galt zunächst, sprachliche und kulturelle Hindernisse auszuräumen, um eine reibungslose geschäftliche Kommunikation zwischen Mutter und Tochter zu gewährleisten. Vor allem auf informellen Weg gelang es dem Management auf beiden Seiten, eine gemeinsame Vertrauensbasis zu schaffen. Beim Essen kamen sich Deutsche und Chinesen weitaus schneller näher als in den formalen Meetings.

Deutsche Vorurteile

Das Geschäft brummt bei EEW auch nach der Übernahme. Beijing Enterprises hielt seine Zusagen ein und unterstützte die Deutschen bei neuen Projekten. So wurde vor Kurzem eine Investition in den Niederlanden in dreistelliger Millionenhöhe über die Bühne gebracht. Dagegen trifft der Abfallspezialist in der Heimat in jüngster Zeit vermehrt überraschend auf Widerstand. Wie Kemper schildert, äußern einzelne deutsche Kommunen nun Vorbehalte gegen einen Anbieter in chinesischem Besitz. Hier bleibt Kemper und seinem Management nur die Möglichkeit, aktiv das Gespräch mit den Verantwortlichen zu suchen.

Eigenständige Industriepolitik gefordert

Die Vorbehalte in Deutschland gegenüber China prangerte auch Dr. Frank Stieler von KraussMaffei an. Der Münchner Spezialmaschinenbauer war ebenfalls im Jahr 2016 von dem Staatskonzern ChemChina zusammen mit dem Private-Equity Fonds AGIC Kapital für 925 Mio. aufgekauft worden. Der KraussMaffei-CEO findet vor allem die Diskussion über die Hindernisse für deutsche Investoren auf dem chinesischen Markt findet befremdlich. „Alle Märkte haben ihre regulatorischen Besonderheiten“, stellte Stieler fest. Das gelte auch für Länder wie Frankreich und die USA. „Ich kann nicht verstehen, dass wir die Chinesen abblocken wollen, statt uns dem Wettbewerb zu stellen“, so Stieler. Um die Position der eigenen Unternehmen zu stärken, solle sich Deutschland lieber eine eigenständige Industriepolitik formulieren, statt über unfaire Praktiken zu jammern. „Was uns fehlt, ist eine langfristig orientierte Industriepolitik, auf die wir uns verlassen können“, resümierte Stieler.

Zukunftsmarkt China

Mit Spannung wurde der Auftritt von Daimler-Vorstand Hubertus Troska erwartet. Troska ist seit 2012 für das China-Geschäft des Autorkonzerns verantwortlich. Unter seiner Führung gelang es den Stuttgartern, insbesondere durch Verbesserung des Services und Händlernetzes den Rückstand dort zu BMW und Audi im Premiumsegment aufzuholen. Für Troska ist China gerade im Hinblick auf die Entwicklung der Elektromobilität weiterhin der weltweit bedeutendste Zukunftsmarkt.

Rätselraten um Daimler-Investor

Doch die anwesenden Unternehmenslenker und Berater interessierte vielmehr die Einschätzung des Daimler-Vorstands zum Einstieg von Geely. Erst wenige Tage zuvor war die Meldung wie eine Bombe eingeschlagen: Geely-Gründer Li Shufu hat für mehr als 7 Mrd. EUR an der Börse einen Anteil von knapp unter 10% an Deutschlands Vorzeigeautobauer erworben.  Wie steht Daimler dazu? „Wir begrüßen große, starke und langfristige orientierte Shareholder“, lautete die knappe Antwort Troskas, ohne von deroffiziellen Linie des Konzerns auch nur um einen Millimeter abzuweichen. „Mehr gibt es dazu nicht zu sagen“, versuchte er die Diskussion zu beenden. Und wie stehen die bisherigen Partner BAIC und BYD dazu? „Das müssen Sie diese fragen“, so Troska knapp.

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