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Chinas Hochtechnologiesektor

Moderne Produktion: China ist stark an Automatisierungstechnologie interessiert. 现代化生产:中国对自动化技术非常感兴趣。Bildquelle: Fotolia; © Oliver Sved

Chinesische Entscheidungsträger und Führer des Landes sind sich bewusst, dass China eine innovativere und technologisch fortschrittlichere Wirtschaft braucht. Die Politik der Volksrepublik China antwortet auf diese Herausforderung mit einer Mischung aus steuerlichen Anreizen und der Schaffung von Branchenclustern für die Hochtechnologieindustrie, zusammen mit finanziellen Reformen.

Eine Reihe von Richtlinien für Hochtechnologieunternehmen sind relevant für ausländische oder als ausländisch eingetragene Unternehmen in China. Einige Richtlinien (z. B. verschiedene steuerliche Maßnahmen) werden direkt auf die ausländischen Technikunternehmen in China wirken. Andere Effekte werden indirekter sein, da sie die Trends in der chinesischen Technikbranche beeinflussen.

Registrierung als Hochtechnologieunternehmen

In China ist ein „Hochtechnologieunternehmen“ im Wesentlichen ein Rechtstatus, welcher einer Firma verliehen werden kann. Dies berechtigt diese Firmen bestimmte Vorteile genießen zu dürfen: eine Absicht der chinesischen Regierung, die inländische Technologieinnovation zu verbessern.

Seit 2016 gibt es folgende Grundanforderungen für die Zulassung als Hochtechnologieunternehmen:

  • WFOEs oder teilweise ausländisch geführte Unternehmen sind förderfähig, jedoch muss das Unternehmen in China registriert sein
  • Ausgaben für technologische Produktentwicklung ist proportional zu mindestens vier Prozent des Umsatzes
  • der Anteil der Beschäftigten des Unternehmens, die aktiv in F&E arbeiten, muss mindestens zehn Prozent der gesamten Mitarbeiter des Unternehmens ausmachen.

Seit 2016 sind die Anforderungen der bisherigen Rechtsvorschriften gelockert worden, da es zuvor Vorgaben über die Menge der Gesamtmitarbeiter mit fachlichen Qualifikationen gab. Die Angestellte in der F&E Abteilung mussten außerdem, im Gegensatz zu den jetzigen zehn Prozent, 30 Prozent des Unternehmens ausmachten.

Angesichts der Tatsache, dass der Hochtechnologiestatus durch verschiedene Regierungsbehörden bestätigt werden muss, wird diese Lockerung der Anforderungen wahrscheinlich keine Schlupflöcher für nicht Hochtechnologieunternehmen darstellen, die einen Anspruch auf Steuerminderung wollen. Die Unternehmen, die sich als  Hochtechnologieunternehmen registrieren möchten, müssen sich mit drei großen staatlichen Behörden in Verbindung setzen: dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie, dem Ministerium für Finanzen und der zentralen Behörde für Steuern.

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Shanghai Electric beteiligt sich an Manz

Investor aus der Megacity: Shanghai Electric zählt zu den Marktführern in China. 来自中国超级大都市的投资者:上海电气是中国市场领导者。

Shanghai Electric wird sich im Zuge einer Kapitalerhöhung an dem deutschen Maschinenbauer Manz beteiligen. Dazu plant Manz eine Kapitalerhöhung um rund 43%. Das Ehepaar Manz, das zusammen Anteile von 39% an dem Unternehmen hält, wird dazu Ihre Bezugsrechte an das chinesische Staatsunternehmen abgeben. Maximal können die Shanghaier im Rahmen dieser Kapitalmaßnahme zunächst bis zu 29,9% der Anteile erwerben. Die von Manz in einer Ad Hoc-Mitteilung bekannt gegebene Kapitalerhöhung steht noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die BaFin und soll noch im Laufe des ersten Halbjahres umgesetzt werden.

Vorstandsvorsitzender Dieter Manz hat außerdem Shanghai Electric die Option einer Stimmbindungsvereinbarung eingeräumt. Demnach wäre Manz bei der Ausübung seiner Stimmreche in der Hauptversammlung an die Weisung des Investors aus China gebunden. Gleichzeitig ist für diesen Fall vereinbart, dass Manz so viele Anteile veräußert, dass Shanghai Electric eine Kontrollmehrheit von 30,1% erreicht. Damit wären die Chinesen verpflichtet, sämtlichen Aktionären ein Übernahmeangebot zu unterbreiten.

Neben der Beteiligung haben beide Unternehmen eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energiespeichersysteme, der Solar- und weiteren Bereichen der Automatisationstechnologie beschlossen. Manz stellt Maschinen für die Solar- und Batterieindustrie her, sowie Anlagen für die Produktion von Displays für Tablets, Smartphones und Notebooks. Manz ist auch Lieferant des iPhone-Herstellers Apple. Vor allem die Zukunft der Solarsparte bei Manz war in jüngster Zeit angesichts der Branchen-Krise ungewiss. Das Unternehmen war in den ersten neun Monaten 2015 tief in die roten Zahlen gerutscht und kündigte zum Jahresende ein Sparprogramm an. 174 von zuletzt gut 2000 Stellen sollten gestrichen werden. Shanghai Electric zählt zu den großen Anlagenausrüstern in China und liegt nach eigenen Angaben seit den neunziger Jahren landesweit nach Umsatz auf Platz drei.

Chinas Industriekonzerne sind die neuen Finanzinvestoren

Robotik für China: Europäische Anbieter stehen im Visier der aufstrebenden Unternehmen aus der Volksrepublik.中国关注欧洲机器人产业。Bildquelle: Fotolia; © julien tromeur

TCL legt zusammen mit der Tsinghua Unigroup einen Private Equity Fonds auf. Wie TCL Capital, der Investmentarm des chinesischen Elektronikriesen am 22. Februar bekanntgab, soll der Fonds 10 Mrd. RMB (1,4 Mrd. EUR) an Mitteln einsammeln. Im Visier stehen Targets aus den Bereichen Elektronik, TMT sowie Industrie 4.0 und „Internet Plus“, dem neuen chinesischen Konzept der vernetzten Produktion. Bereits im Oktober vergangenen Jahres gründete der Maschinenbauer Sany Heavy Industry mit Enlightenment Capital eine eigene Wagniskapitalgesellschaft.

Damit liegen die beiden Branchenführer voll im Trend. Zahlreiche chinesische Unternehmen initiieren eigene Private Equity- und Venture Capital-Gesellschaften. Ziel ist die Finanzierung von Übernahmen und damit die Konsolidierung innerhalb der eigenen Branche bzw. die Beteiligung an vielversprechenden Start-ups. Erst im Dezember vergangenen Jahres legte der Smartphone- und Konsumelektronikanbieter LeEco (ehemals LeTV) einen eigenen Fonds auf. Dieser soll ebenfalls ein Volumen von 10 Mrd. RMB erreichen und in Big Data, künstliche Intelligenz und den Unterhaltungssektor investieren.

Sany Heavy Industry ist seit dem vergangenen Herbst als Venture Capital Investor unterwegs. Einer der Partner der neu gegründeten Gesellschaft Enlightenment Capital ist Liang Zhizhong, Sohn des Sany-Gründers und Vorstandsvorsitzenden Liang Wengen. Nähere Angaben zu dem zur Verfügung stehenden Kapital gibt es bisher nicht. Doch die Wagniskapitalgesellschaft plant nach eigenen Angaben, in den nächsten drei Jahren in 50 Projekte aus dem Bereich Internet der Dinge und Industrie 4.0 zu investieren. Dadurch könnte sich der Maschinenbaukonzern Sany den Zugang zu zukunftsträchtigen Technologien der vernetzten Produktion verschaffen.

Sany ist in Deutschland vor allem für die Übernahme des Betonpumpenbauers Putzmeister bekannt. Die 2012 durchgeführte Transaktion mit einem Gesamtwert von über 500 Mio. EUR gilt als beispielgebend für eine erfolgreiche Akquisition eines deutschen Unternehmens durch einen chinesischen Investor. Im gleichen Jahr erwarb Sany über Putzmeister auch den Mischmaschinenhersteller Intermix. Außerdem hält der chinesische Konzern seit 2013 in Form einer Überkreuzbeteiligung 10% am österreichischen Kranbauer Palfinger.

Weniger erfolgreich als Investor in Deutschland war hingegen bisher TCL. Der Konzern hatte schon früh große Expansionspläne für Europa und kaufte 2002 in einem Asset-Deal die Produktionsanlagen des insolventen Unterhaltungselektronikanbieters Schneider in Türkheim. Der Neustart durch den damals international noch wenig erfahrenen Investor aus China kam jedoch nie richtig in die Gänge. 2005 wurde die Produktion bei Schneider eingestellt und das Werk in Türkheim verkauft.

China größter Nettokapitalexporteur der Welt

Fortschritt bei Freihandelszonen: Neue Regularien vereinfachen Inbound-Investments in China.自由贸易区进一步发展: 新的申请系统使得外商对中国境内投资更加便捷。Bildquelle: Fotolia; © zhu difeng

China weist 2015 mit 293 Mrd. USD den größten Leistungsbilanzüberschuss weltweit auf. Dies entspricht einem Kapitalexport in gleicher Höhe. Deutschland kommt demnach auf den zweiten Platz mit rund 280 Mrd. USD. Damit liegt der deutsche Wert der Kapitalexporte das erste Mal seit 2010 wieder hinter China. Auf Rang drei folgt mit großem Abstand Japan. Das geht aus Berechnungen des Münchner ifo-Instituts hervor.

Auch wenn Deutschland von China im vergangenen Jahr überflügelt und von der Spitzenposition verdrängt wurde, so weist das Land nach wie vor ein kräftiges Wachstum der Nettokapitalexporte auf. Treiber dieser Entwicklung waren die Exporte, während Dienstleistungen und Auslandseinkommen negativ in der Leistungsbilanz zu Buche schlugen. Deutschlands Nettokapitalexport stieg 2015 auf 8,3% der Jahreswirtschaftsleistung, nach 7,3% im Jahr 2014. Die EU hält maximal 6% für langfristig tragfähig. Damit bleibt Deutschland diesseits und jenseits des Atlantiks gemessen am Bruttoinlandsprodukt der bei weitem größte Finanzier der Schuldenländer.

Angesichts des niedrigen Ölpreises und des schwachen Euro sollte sich nach Einschätzung des Ifo-Instituts der Leistungsbilanzüberschuss im neuen Jahr weiter erhöhen und wieder über 8% der Jahreswirtschaftsleistung liegen.

In die Leistungsbilanz fließen neben dem Warenaustausch auch alle anderen Transfers mit dem Ausland ein, also auch Dienstleistungen sowie Überweisungen von Sozialleistungen und Geldgeschenken bis hin zur Entwicklungshilfe.

Skeptischer Blick auf Chinas Konjunktur

Neue Wege werden beschritten: Für China soll der Konsum wieder mehr zur Stütze des Wachstums werden. 新的经济发展之路:消费日益成为促进中国经济增长的重要支柱。Bildquelle: Fotolia; © eyetronic

Die Erwartungen für die chinesische Wirtschaftsentwicklung fallen zum Jahresanfang auf einen neuen Tiefstand. Der Indikator des China Economic Panel (CEP), der die Konjunkturerwartungen internationaler Finanzexperten für China in den nächsten zwölf Monaten wiedergibt, rutscht im Januar 2016 von minus 4,5 weiter ab auf minus 20,7 Punkte. Damit liegt das Konjunkturbarometer auf dem niedrigsten Wert seit seiner Einführung Mitte 2013. Das gab das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) als Ergebnis seiner monatlichen Umfrage bekannt.

Besonders stark bergab geht es bei den Teilindikatoren für die Beschäftigung sowie die PKW-Neuzulassungen. Hinter den gesunkenen Erwartungen stehen nach Ansicht des ZEW vor allem Befürchtungen, dass die schwächere Weltkonjunktur zu Umsatzeinbußen bei chinesischen Exporten führt. Außerdem rechnen die Experten mit geringeren ausländischen Direktinvestitionen in China. Der Binnenkonsum wird dagegen sogar leicht besser eingeschätzt als noch im Dezember. Der private Konsum wird damit immer mehr zu einer der wichtigsten Stützen für die chinesische Wirtschaft.

Auch die künftige Entwicklung der wichtigsten Aktienindizes wird negativer beurteilt. Selbst auf Sicht von zwölf Monaten wird mit Aktienkursrückgängen von 10% bis 15% gerechnet. Die Erwartungen beim Wechselkurs zum US-Dollar gehen weiterhin in Richtung einer Abwertung des Yuan. Gleichzeitig gehen die Experten von anhaltenden Stützungskäufen durch die chinesische Notenbank aus, verbunden mit einem starken Rückgang der Devisenreserven.

Das ZEW erstellt zusammen mit der Shanghaier Fudan-Universität monatlich den CEP-Indikator. Dafür werden weltweit China-Experten aus Finanz-, Research- und volkswirtschaftlichen Abteilungen von Banken, Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften und Industrieunternehmen befragt.

 

20160223_Konjunkturaussichten Finanzmarktexperten

Speed Dating mal anders

Speed Dating in München: Netzwerkpartner unterschiedlicher Publikationen der GoingPublic Media AG lernen sich kennen.

Beim Jahresnetzwerktreffen von „Unternehmeredition“, „VC-Magazin“ und „Die Stiftung“ war Spontaneität und schnelles Reden gefragt – ein Speed Dating der etwas anderen Art.

Schon der geringe Frauenanteil an diesem Abend im Café Glockenspiel am Münchner Marienplatz deutete an, dass es hier nicht um ein klassisches Single Dating mit Flirtcharakter ging. Viel mehr war es ein Treffen von Kapitalmarkexperten, Steuer- und M&A-Beratern, Stiftern, Unternehmern und Venture-Capital-Experten zum schnellen Kennenlernen. Einmal im Jahr laden die „Unternehmeredition“, „VC-Magazin“ und „Die Stiftung“ Kunden und Freunde des Hauses zum jährlichen Netzwerkevent ein. Dieses Mal über den Dächern Münchens unter der Moderation von Going-Public-Vorstand Markus Rieger.

Ziel des Speed Datings war es, innerhalb kürzester Zeit möglichst viel über den jeweiligen Tischnachbarn zu erfahren. Fünf Minuten dauerte ein Gespräch, dann wurde der Platz oder der Tisch gewechselt. Im Einzelnen bedeutete dies: Visitenkartentausch, fokussieren auf das Gegenüber, Konzentration auf das Wesentliche, Platzwechsel und dann alles wieder auf Anfang.

Die Resonanz der Gäste auf das „Financial Speed Dating“ war durchweg positiv. Denn anstatt sich lediglich mit wenigen Personen zu unterhalten, die man ohnehin schon kennt, war jeder Teilnehmer gezwungen, sich auf das Gegenüber einzulassen. Zumindest für einige Minuten. Fazit der Teilnehmer: Es kann sehr gewinnbringend sein, am Arbeitsalltag anderer teilzuhaben und kurz in ein Metiér einzutauchen, das einem nicht so geläufig ist. Dies befruchtet und führt zu neuen Ideen.

Dafür, dass die Stimmung während der Gespräche einigermaßen ausgelassen war, sorgte im Vorfeld Kabarettist Chin Meyer. Als Steuerfahnder Siegmund von Treiber erklärte er den Anwesenden, warum Raucher und Alkoholiker die neuen Gutmenschen und warum manche Ängste völlig irrational sind. Als er dann noch darüber ausließ, wie sich mit eigentlich wertlosen Schuldscheinen nicht bezahlter Kneipenrechnungen von Alkoholikern Geld verdienen lässt – in dem man sie bündelt und geschickt weiterverkauft – hatte er bei den meist geldaffinen Anwesenden die Lacher auf seiner Seite.

Für das Date danach blieb auch noch genügend Zeit. Denn für wirklich intensive Gespräche sind fünf Minuten dann doch etwas kurz. Mit Blick auf das Rathaus, einem Glas Wein und leckerem Buffet über den Dächern Münchens ließ es sich zwanglos gut plauschen.

Joyson finanziert Übernahmen mit Privatplatzierung

Zurück auf Los: Eine Änderunge der Anteilsregelung bei Joint Ventures würde den Automarkt in China fundamental verändern. 重新出发:合资企业股比放开将对中国汽车市场产生颠覆性影响. Bildquelle: Fotolia; © Thaut Images

Ningbo Joyson Electronic gibt in einer Pflichtmitteilung eine außerbörsliche Kapitalerhöhung zur Finanzierung der jüngsten Akquisitionen der deutschen TechniSat Automotive und des US-Unternehmens Key Safety Systems (KSS) bekannt. Demnach will der Automobilzulieferer aus Ningbo 360 Millionen Aktien privat platzieren und damit 8,6 Mrd. RMB (1,2 Mrd. EUR) einsammeln. Ein kleiner Teil der eingesammelten Gelder soll darüber hinaus als Umlaufmittel verwendet werden.

Ende Januar gab Joyson die Übernahme des Geschäftsbereichs TechniSat Automotive von der TechniSat Digital GmbH bekannt. Die Kaufsumme beläuft sich auf 180 Mio. EUR. Joyson stemmt die Akquisition zusammen mit der deutschen Tochterfirma Preh. Die Preh GmbH war 2011 das erste Unternehmen in Deutschland, das der 2004 gegründete chinesische Automobilzulieferer übernahm. 2013 und 2014 folgen Innoventis und IMA Automation sowie zuletzt der Lenkradhersteller Quin.

Praktisch gleichzeitig mit der Übernahme von TechniSat schlug der chinesische Serieninvestor auch in den USA zu. Dort erwarb das von Jeff Wang gegründete und geleitete Privatunternehmen den Autosicherheitsspezialisten KSS für 920 Mio. USD (828 Mio. EUR). KSS erzielte 2016 einen Umsatz von 1,6 Mrd. USD (1,4 Mrd. EUR). Zum Produktportfolio des Unternehmens aus Michigan gehören Airbags, und Fahrerassistenzsysteme sowie die Bereiche Human Machine Interface (HMI) und Sensorik. Durch die Übernahme der Amerikaner verdoppelt der Konzern aus Ningbo seiner Mitarbeiterzahl mit auf 20.000.

Rekordjahresauftakt in Deutschland

Synergieeffekte: Die deutsche und die chinesische Wirtschaft sind eng miteinander verknüpft. 协同效应:中德经济紧密连结。Bildquelle: Fotolia; © coround

In den ersten sechs Wochen des neuen Jahres kündigen chinesische Unternehmen Übernahmen in neuer Rekordhöhe an. Nach Berechnungen von M&A China/Deutschland beläuft sich das Gesamtvolumen der vier gemeldeten Transaktionen – darunter zwei neue Rekord-Deals – auf über 2,7 Mrd. EUR. Dies ist mehr als das Doppelte der 1,2 Mrd. EUR an allen Direktinvestitionen aus China, die im ganzen Jahr 2015 nach Deutschland flossen.

Laut einer neu veröffentlichten Studie von Merics und Rhodium betrug das Gesamtvolumen der chinesischen Outbound Direct Investments (ODI) in Deutschland (Greenfield- Investments und M&A) 2015 circa 1,2 Mrd. EUR und 2014 rund 1,4 Mrd. EUR. Im noch jungen Jahr 2016 übertreffen bereits jetzt die M&A-Aktivitäten die Summe sämtlicher Direktinvestitionen aus China in den vorangegangenen Jahren. Zurückzuführen ist dies auf lediglich vier Übernahmen: Kurz nach dem Jahreswechsel erwarb ChemChina zusammen mit dem Private Equity Investor AGIC die KraussMaffei Group. Der Münchener Spezialmaschinenbauer wechselte für 925 Mio. EUR den Besitzer. Ende Januar kaufte Joyson Electronics aus Ningbo TechniSat Automotive für 180 Mio. EUR. Anfang Februar gab es den ersten Milliarden-Deal – und damit einen erneuten Rekord – in Deutschland mit der Akquisition des Abfall- und Energiespezialisten EEW durch Beijing Enterprises. Die gemeldete Kaufsumme belief sich auf über 1,4 Mrd. EUR. Wenige Tage später schließlich erwarb Techcent aus Chengdu die Wassersparte des Baukonzerns Bilfinger.

Steigende Ticketgrößen

Mit den großen Deals deutet sich eine Trendwende an. Bisher waren die M&A-Transaktionen chinesischer Investoren in Deutschland vorwiegend durch kleinere Tickets im ein- bis zweistelligen Millionenbereich geprägt. Häufig wurden Mittelständler bevorzugt, die aufgrund einer akuten oder bevorstehenden Insolvenz günstig zu erwerben waren. Akquisitionen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro waren hingegen selten. So zählten die Übernahme von Medion durch Lenovo für über 600 Mio. EUR im Jahr 2011 und von Putzmeister durch Sany für insgesamt fast 500 Mio. EUR ein Jahr bisher zu den größten Transaktionen von Käufern aus der Volksrepublik.

Die Erfahrung wächst

Die neue Investitionswelle aus China geht im Kern auf staatlich geförderten Strukturwandel und die Modernisierung der chinesischen Wirtschaft zurück. Hierfür erscheinen fortgeschrittene Technologien aus deutschen Schlüsselbranchen wie Maschinenbau, Automobilproduktion und Umwelttechnik besonders begehrt. Der sprunghafte Anstieg der Ticketgrößen in den vergangenen Wochen mag aber auch auf die gewachsenen Erfahrungen der Investoren zurückgehen. So hat der Staatskonzern ChemChina in Europa mit der Übernahme von Pirelli in Italien und von Syngenta in der Schweiz bereits weitaus größere Deals gestemmt. Das Privatunternehmen Joyson wiederum entwickelte sich nach der spektakulären Übernahme von Preh 2011 zu einem Serieninvestor und kaufte vor dem TechniSat-Deal noch drei weitere deutsche Automobilzulieferer auf.

Chinas Direktinvestitionen in Europa auf Höchststand

Kompliziertes Verfahren: Bei Visaanträgen für China gibt es einiges zu beachten.复杂的流程:申请中国签证中的有关注意事项。Bildquelle: Fotolia; © destina

Der Trend beschleunigt sich. Im vergangenen Jahr erreichten die chinesischen Outbound Direct Investments (ODI) in Europa den Rekordwert von 20 Mrd. EUR. Gleichzeitig ist eine geografische und sektorale Differenzierung bei den Aktivitäten chinesischer Investoren zu beobachten. Südeuropa wird zieht verstärkt ODI aus dem Reich der Mitte an. Neben Marktführern verschiedener Branchen in technologischer Hinsicht, rücken auch bekannte Konsummarken und Dienstleistungsunternehmen in den Mittelpunkt des Interesses. Dies geht aus einer neuen Studie des Mercator Institute for China Studies (Merics) und des Beratungsunternehmens Rhodium Group hervor.

In den vergangenen fünf Jahren betrugen die chinesischen ODI in Europa durchschnittlich 10 Mrd. EUR. 2014 waren es 14 Mrd. EUR. Der neue Rekordstand im vergangenen Jahr war demgegenüber nochmals ein Wachstumssprung in Höhe von 44%. 2015 war das Marktgeschehen vor allem durch große Einzeldeals geprägt – so die Übernahme des italienischen Reifenherstellers Pirelli durch ChemChina für über 7 Mrd. EUR.

Treiber des Wachstums

Die Autoren der Studie sehen in dem Wachstum der chinesischen Direktinvestitionen in Europa einen langfristigen Trend. Treiber ist der strukturelle Wandel in der chinesischen Wirtschaft. Ein entscheidender Faktor dabei ist das verlangsamte Wirtschaftswachstum in China, das einen noch höheren Wettbewerbsdruck und volatilere Marktschwankungen in der Heimat zur Folge hat. Langfristig eine noch größere Rolle aber spielt der von der Politik angestrebte Übergang zu einem moderneren Wirtschaftsmodell, das von Hochtechnologie und der Hinwendung zur Konsum- und Dienstleistungsgesellschaft geprägt sein soll.

ODI immer differenzierter

Entsprechend lässt sich mit dem gestiegenen Investitionsvolumen auch eine höhere Differenzierung bei den Branchen feststellen. Bei den M&A-Aktivitäten stehen neben Technologie-, Maschinenbau- und Automobilunternehmen verstärkt auch IT- und Telekommunikationsanbieter, Finanzdienstleister und Hotelketten im Fokus. Geographisch rücken nach den „Großen Drei“ Großbritannien, Frankreich und Deutschland vor allem südeuropäische Länder ins Blickfeld. Dorthin ging in den vergangenen zwei Jahren rund die Hälfte der chinesischen ODI in Europa. Gerade große Einzeltransaktionen –neben Pirelli z.B. auch die Beteiligung von Wanda am Fußballclub Atletico Madrid oder die Übernahme von Banco Espirito Santo durch Haitong – fanden vor allem in Südeuropa statt.

Gute Aussichten

Deutschland konnte in den letzten fünf Jahren die stabilsten Zuflüsse an ODI aus der Volksrepublik verzeichnen. Für 2015 berechneten die Autoren von Merics und Rhodium ein Volumen von 1,2 Mrd. EUR – etwas weniger als die 1,4 Mrd. EUR im Jahr davor. Im neuen Jahr werden diese Werte mit der Übernahme von EEW für rund 1,4 Mrd. EUR und von KraussMaffei für 925 Mio. EUR jedoch bereits deutlich übertroffen. Angesichts dieser großen Transaktionen und weiterer Deals, die in Europa in der Pipeline sind, gehen die Autoren davon aus, dass sich die Übernahmewelle fortsetzen wird. Zwar gibt es aktuell durchaus politische und wirtschaftliche Risiken in China, doch die Erfolgsstory bleibt intakt. Die makroökonomischen Faktoren für das Going Out der chinesischen Investoren wirken weiter. Der Strukturwandel und die Verfügbarkeit attraktiver Targets in Europa sollten auch in Zukunft die M&A-Aktivitäten der Investoren aus dem Reich der Mitte beflügeln.

Die Studie (Englisch) kann hier heruntergeladen werden.

Positive Erfahrungen mit chinesischen Investoren

Outbound-Investor China: In Europa wird ein neuer Höchststand bei den M&A-Aktivitäten verzeichnet. 中国成为海外投资大国:中国在欧洲的并购活动创造了新纪录。Bildquelle: Fotolia; © xtock

In Deutschland sind die Erfahrungen von Managern und Belegschaften mit Investoren aus China nach einer Übernahme überwiegend positiv. Die Muttergesellschaften aus der Volksrepublik üben relativ wenig Einfluss auf das Tagesgeschäft aus. Das vorhandene Management wird meist im meist im Amt belassen. Denn die Käufer selbst verfügen häufig nicht über genügend international erfahrenes, sprach-, rechts- und fachkundiges Personal. In bestimmten Kernbereichen bestehen die chinesischen Eigentümer jedoch auf die Entscheidungshoheit. Dies geht aus einer neuen Studie für die gewerkschaftsnahe Hans Böckler Stiftung hervor.

In der Regel gehen chinesische Investoren davon aus, dass durch Kontinuität in der Führung eines übernommen deutschen Unternehmens das Vertrauen der Mitarbeiter, aber auch der Kunden und Lieferanten am besten gewahrt werden kann. Auf diese Weise soll ein Abfluss von Personal mit wichtigem Know-how vermieden werden.

Doch es gibt auch zentrale Managementaufgaben, die chinesische Eigentümer bevorzugt direkt kontrollieren. Es macht aus ihrer Sicht oft Sinn, den Posten des Finanzvorstands (CFO) mit einem eigenen Vertreter zu besetzen. Es geht hierbei nicht allein um die Kontrolle über die Finanzen sondern vor allem auch um die Abstimmung der Investitionspläne mit der Zentrale. Entscheidungen über die Einsatz der Geldmittel und Forschung und Entwicklung sind für die Unternehmen aus China von strategischer Bedeutung. Daher wird im Mutterhaus darüber entschieden. Hingegen vertrauen die chinesischen Käufer weitgehend auf die Expertise des deutschen Managements nicht nur in technischen Fragen sondern auch im Bereichen wie Recht und Human Resources.

Dies sind zentrale Ergebnisse der neuen Studie „Politische/wirtschaftliche Rahmenbedingungen und strategische Interessen chinesischer Investoren in Deutschland“. Die Autorin Prof. Dr. Ulrike Reisach untersucht darin die Motivation und Vorgehensweise staatlicher und privater Akteure bei ihren Direktinvestitionen in Deutschland. Das Vorgehen bei der Integration nach einer Übernahme stellt sie anhand von kurzen Fallbeispielen wie die Akquisition von Preh durch Joyson oder Putzmeister durch Sany Heavy Industries dar.

Reisach forscht und publiziert seit Mitte der achtziger Jahre zu der deutsch-chinesischen Wirtschaftszusammenarbeit. Ihr Buch „China – Wirtschaftspartner zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, das bereits in vier Auflagen erschienen ist, gilt als ein wichtiger Leitfaden für den Einstieg in Verhandlungen mit chinesischen Geschäftspartnern.

Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

Techcent kauft Bilfingers Wassersparte

Kostbares Naß: Bilfinger verkauft seine Wassersparte an Techcent aus Chengdu. 昂贵的水资源:比尔芬格将水处理业务出售给成都天翔环境。Bildquelle: Fotolia; © tuastockphoto

Techcent Enviroment übernimmt die Bilfinger Water Technologies GmbH. Für voraussichtlich für 205 Mio. EUR wird das Umwelttechnikunternehmen aus Chengdu die Wassersparte des Mannheimer Konzerns erwerben. Ursprünglich war  der Privat Equity Investor Triton als wahrscheinlicher Käufer im Gespräch. Die Transaktion steht noch unter dem Vorbehalt der Kartellbehörden und soll bereits im ersten Quartal des laufenden Jahres abgeschlossen sein.

Bilfinger treibt durch den Verkauf den Konzernumbau voran. Das in den Bereichen Gebäude, Industrie und Kraftwerke tätige Unternehmen will sich auf den Immobilienservice und Dienstleistungen für die Prozessindustrie fokussieren. Die Wassersparte erwirtschaftet nach vorläufigen Angaben mit ihren rund 1.600 Mitarbeitern 2015 einen Umsatz von 282 Mio. EUR und erzielte ein EBITA von 22 Mio. EUR. TechCent aus Chengdu in der südwestchinesischen Provinz Sichuan, wurde 2001 gegründet und produziert u.a. industrielle Filter und Turbinen. Bei einem Umsatz von rund 400 Mio. RMB (54 Mio. EUR) im Jahr 2014 belief sich der Nettogewinn auf 33 Mio. RMB (4,5 Mio. EUR).

Begleitet wurde der Deal auf Seiten von Techcent Environment durch die Kanzlei King & Wood Mallesons. Der Konzern Bilfinger wurde von den deutschen Büros der New Yorker Sozietät Milbank Tweed Hadley & McCloy beraten.

Chinas M&A mit neuen Schwerpunkten in Deutschland

Deutsch-chinesische Geschäftswelt: Nicht immer ist es einfach, den richtigen Partner zu finden. 德中商业合作:找到一个合适的合作伙伴,并不是件容易的事。Bildquelle: Fotolia; © meshmerize

Chinesische Übernahmen und Beteiligungen in Deutschland differenzieren sich immer mehr. Bis vor kurzem waren Maschinenbau und die Automobilindustrie mit großem Abstand die beliebtesten Zielbranchen. Im Rekordjahr 2015 jedoch entwickelten sich die Life Sciences zum zweit wichtigsten Sektor. Auch der Konsum hat an Gewicht gewonnen. Zusammen mit dem Automobilbereich lag dieser Bereich vergangenes Jahr auf Platz drei. Das ist das Ergebnis einer Auswertung aller Transaktionen chinesischer Investoren 2015 durch die Plattform M&A-China/Deutschland.

Mit 46 Deals wurden im Jahr 2015 so viele Transaktionen chinesischer Investoren in Deutschland gezählt wie noch nie zuvor. Dies entspricht einem Plus von 28% gegenüber 2014 (36 Deals). Damit hält das Wachstum der Outbound M&A aus dem Reich der Mitte in das Herz Europas an. Von den 46 Investitionen waren 34 vollständige Übernahmen oder Mehrheitsbeteiligungen (darunter eine Erhöhung einer Mehrheitsbeteiligung) und 12 Minderheitsbeteiligungen (darunter zwei Erhöhungen einer Minderheitsbeteiligung).

Gesundheitssektor boomt

Im Gegensatz zu früheren Jahren, als Maschinenbau und Automotive zusammen jeweils deutlich mehr als die Hälfte der Übernahmen und Beteiligungen aus China ausmachten, ging die Bedeutung dieser beiden klassischen deutschen Industriezweige 2015 deutlich zurück. Nur etwas über ein Drittel der Deals konzentrierte sich auf diese traditionellen Bereiche. Neue Branchen stehen im Fokus: So ist die Sogwirkung des chinesischen Gesundheitsmarktes nun deutlich zu spüren. Hier hat China aktuell noch großen Nachholbedarf. Gleichzeitig steigt die Belastung des Gesundheitswesens durch die alternde Bevölkerung in den kommenden Jahren. So plant die chinesische Regierung, dass bis 2020 die Gesundheitsausgaben auf 8 Bio. RMB (1,1 Bio. EUR) steigen sollen. Das wäre das Dreifache der Aufwendungen aus dem Jahr 2012. Dementsprechend machen sich immer mehr Unternehmen aus diesem Sektor im Ausland auf der Suche nach Technologie und Know-how. 2015 wurden acht Übernahmen und Beteiligungen im Bereich von Krankenhäusern, Medizintechnik, Biotechnologie und Pharma verzeichnet. Die Anzahl der Transaktionen im Sektor Life Sciences hat sich damit gegenüber 2014 vervierfacht.

Marken aus dem Konsumsektor attraktiv

Auch im Konsumsektor hat sich mit sechs Deals die M&A-Aktivität chinesischer Investoren in Deutschland verdreifacht. Hochwertige Marken wie der Küchenspezialist Alno, der Besteckhersteller Carl Mertens oder das Unterwäschelabel Dorina werden für Unternehmen aus China immer attraktiver. Sie nutzen die deutschen Marken vor allem, um sich im härter gewordenen Wettbewerb auf dem Heimatmarkt zu differenzieren.

AUSBLICK

Deutschland wird für Chinas M&A-Aktivitäten ein immer wichtigerer Zielmarkt. Mit der steigenden Zahl der Deals ist auch ein zunehmender Grad an Branchendifferenzierung zu beobachten. Während die Transaktionen mit den höheren Volumina weiterhin im Maschinenbau und im Automobilsektor zu beobachten sein dürften, steht auf Grund des zunehmenden Drucks im chinesischen Heimatmarkt ein weiter wachsender Deal-Flow in den Sektoren Gesundheit und Konsum zu erwarten.

Die komplette Deal-Liste finden Sie in der aktuellen Ausgabe 1/2016 unseres Magazins M&A-China/Deutschland.

20160209_MuA Statistik 2015