Es war eine überraschende Wende im Überlebenskampf der Poggenpohl Möbelwerke GmbH. Entgegen der Erwartungen ging die Edelmarke, die im Zuge der Corona-Pandemie Insolvenz anmelden musste, in chinesische Hände. Dabei hatte noch Mitte Juni 2020 Insolvenzverwalter Manuel Sack den britischen Premiumküchen-Anbieter Lux Group zusammen mit der deutschen Unternehmerfamilie Wolf als Käufer präsentiert. „Dieser Verkauf ist am Ende aber nicht zustande gekommen“, erklärte der Insolvenzverwalter, ohne weitere Details zu nennen. Neuer Eigentümer des über 125 Jahre alten Herforder Mittelständlers ist der Sanitär- und Küchenarmaturenhersteller Jomoo aus Xiamen.
Weltbekannt durch Anbauküche
Poggenpohl gehört zu den bekanntesten Möbelmarken der Welt. Der große Aufstieg gelang unter Walter Ludewig, der das Unternehmen von 1940 bis 1987 als persönlich haftender Gesellschafter leitete. Ab 1950 machte er in Deutschland und auf der ganzen Welt die Anbauküche populär, wie das System der Küchen-Serienfertigung genannt wurde. Nachdem Ludewig seine Firma 1987 verkauft hatte, kam es zu weiteren Besitzerwechseln. Wegen erheblicher Auftrags- und Umsatzrückgänge in der Pandemie musste die Firma im April 2020 Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen.
Jomoo: Von Badartikeln bis Küchenmöbel
Jomoo hat seinen Hauptsitz in Xiamen, Provinz Fujian, an der Südostküste Chinas. Die Gruppe – zu 100 Prozent in Privatbesitz – ist sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Bad- und Küchenartikeln, verwandten Metallwaren, Schränken und Möbeln konzentriert. 5 % des Jahresumsatzes fließen in Forschung und Entwicklung. Der Konzern betreibt Produktionsstätten an allen wichtigen Standorten in China, beschäftigt weltweit über 14.500 Mitarbeiter und erzielte 2019 einen Jahresumsatz von 1,7 Mrd.
Auf vier Kontinenten vertreten
Mittlerweile verfügt der Großkonzern über ein nationales Netzwerk mit 5.000 Händlern und über 4.000 Geschäften und Ausstellungsräumen. So deckt er alle Regionen und Städte Chinas ab. International ist Jomoo in 48 Ländern vertreten – neben Nordamerika in Europa, Asien, Afrika und im Mittleren Osten. Vor drei Jahren eröffnete Jomoo das Europäische Operations-Center in München.
Poggenpohl füllt Lücke im Premium-Segment
Für die langfristige, nachhaltige Markt- und Produktstrategie der Chinesen ist jedoch unabdingbar, das Spitzen- und Premium-Segment abzudecken. „Wir haben schon längere Zeit darüber nachgedacht, mit einer etablierten Marke zusammenzuarbeiten, die für hohe Qualität und großes Design-Renommée steht“, erläutert Xiaowei Lin, Geschäftsführer Jomoo Deutschland. „Oder eine sehr verbreitete Marke mit diesen Stärken zu erwerben.“ Idealerweise sollte der Brand weltweit bekannt sein sowie eine lange Tradition und einen guten Ruf für ausgezeichnetes Handwerk besitzen. „Alle Kriterien treffen auf Poggenpohl zu, weshalb der Mittelständler sehr gut zu unserer Wachstumsstrategie mit Küchen- und Badmöbeln passt“, freut sich Lin.
Neue Chancen im Projektgeschäft
Die Poggenpohl-Manager rechnen damit, dass sich aus der Verbindung des Know-hows des deutschen Küchenspezialisten mit den asiatischen Badexperten neue Geschäftsfelder für die eigene Firma ergeben werden – z.B. im internationalen Projektgeschäft. „Dort werden interessante Synergien zwischen den Bereichen Küche und Bad möglich, weil wir Projektentwicklern in Zukunft für beide Räume ein Design aus einer Hand anbieten können“, kündigte Ex-Geschäftsführer Gernot Mang noch vor seinem Ausscheiden an. Gleichzeitig werde Poggenpohl stärker in den Bereich der Luxusküchen vorstoßen. Ziel sei es, die Stückzahlen der in Herford produzierten Küchen weiter zu erhöhen.
Die meisten Poggenpohl-Mitarbeiter bleiben
Jomoo bekennt sich zum Hauptstandort Herford und wird den Großteil der bisherigen Mitarbeiter übernehmen. Einige Beschäftigte müssen allerdings das Unternehmen verlassen. Das sind, neben dem bisherigen Geschäftsführer Gernot Mang, weitere neun Mitarbeiter. Sie waren nach der Übernahme durch den Finanzinvestor Adcuram auf Leitungspositionen gelangt. „Durch diese Personalwechsel ist das Unternehmen für seine langfristige Wachstumsstrategie am besten aufgestellt“, begründet Lin diese Maßnahmen. Der Premium-Küchenhersteller beschäftigte zuletzt 270 Mitarbeiter.
Wachstumspläne für Europa und Übersee
Die Herforder werden sich unter chinesischer Flagge weiterhin auf Produktdesign und -innovation konzentrieren. „Poggenpohl wird eine deutsche Küchenmarke mit Produktion in Herford bleiben, die für anspruchsvolles, modernes Design sowie hohe Qualität und hohe Zuverlässigkeit steht“, bestätigt der neue Geschäftsführer Ralf Marohn. „Unsere Kunden können sich auf das hohe Markenversprechen verlassen.“ Ein Schwerpunkt des neuen Investments soll die Expansion in kontinentaleuropäische Länder und regionale Überseemärkte wie USA, China, Indien und Naher Osten sein. Außerdem ist geplant, das Netz der bestehenden Niederlassungen und Händler weiter auszubauen. Soll weiterhin die hohe Qualität der Produkte und des B2B-Kundenservice sichergestellt werden.
Ausblick
Noch in letzter Sekunde hat Jomoo den Kauf des britischen Premiumküchen-Anbieters Lux verhindert und sich Poggenpohl selber einverleibt. Erneut zeigt dieses Beispiel, dass die Chinesen von renommierten und international bekannten Marken sehr fasziniert sind – egal, wie profitabel sie hergestellt und welche Preise dafür verlangt werden. Sehr gute Produkte zu sich an der Nachgefrage orientierenden Preisen zu vermarkten, ist bekanntlich eine große Stärke chinesischer Unternehmen. Deshalb wird auch Poggenpohl künftig seine Küchen günstiger herstellen müssen, um auf den neuen Weltmärkten bestehen zu können.
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