Chinas 15-Jahres-Technologieplan für die Innovationsführerschaft

China hat in kurzer Folge seinen neuen Fünf-Jahresplan sowie den 15-Jahres-Technologieplan verabschiedet. Beide zusammen können deutliche Fortschritte für die chinesische Wirtschaft mit sich bringen. So erwartet Stephen Li Jen, CEO und Co-CIO von Eurizon SLJ Capital Ltd, dass China sich in Zukunft stärker auf seinen Binnenmarkt fokussieren wird, den Umweltschutz stärker fördert und alles daransetzen wird, in den nächsten 15 Jahren den Aufstieg zum Technologieführer der Welt zu vollziehen.

hinas 15-Jahres-Technologieplan
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Nahezu zeitgleich mit dem 15-Jahres-Technologieplan wurde das asiatische Freihandelsabkommen RCEP verabschiedet. Es umfasst 15 Nationen und wird nach Ansicht von Stephen Li Jen weitreichende Auswirkungen auf die globalen Handelsströme haben. Das neue Freihandelsabkommen könnte die Globalisierung nachhaltig verändern und die Spielräume Chinas für die geplante „interne Zirkulation“ im Rahmen der neuen „Dual Circulation“ Wirtschaftspolitik erhöhen. Nicht zuletzt könnte es China dazu veranlassen, die Zölle zu senken – mit positiven Auswirkungen auf die ganze Welt.
Mit Hinblick auf die US-Wahlen erwartet Stephen Li Jen sich von Joe Bidens Wahlsieg eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen den USA und China. Eine Biden-Präsidentschaft wird daher aller Wahrscheinlichkeit auch den Markt für chinesische Renminbi-Anleihen positiv beeinflussen. Nach der chinesischen Währung selbst gefragt, schätzt er sie als ebenso solide ein, wie es einst die D-Mark war.

In China wurden kürzlich der 14. Fünf-Jahresplan und ein 15-Jahres-Technologieplan verabschiedet. Gibt es Aspekte dieser Pläne, die für westliche Investoren besonders interessant sind?

Stephen Li Jen: Es handelt sich beim kommenden Fünf-Jahresplan um eine absolut überraschende politische Neuausrichtung. Er ist daher nicht nur für Investoren wichtig, sondern auch für politische Entscheidungsträger. Dieser neue Plan besteht aus einigen Schlüsselkomponenten, die ich hier kurz aufzählen will:

Erstens wird China seine Anstrengungen hinsichtlich technologischer Entwicklungen beschleunigen. Dies wird durch den 15-Jahres-Technologieplan mit seinem Fokus auf die Hochtechnologie untermauert. Er ist auf den Zeitraum 2020 bis 2035 angelegt und orientiert sich dabei am Vorgängerplan, der die Jahre 2005 bis 2020 umfasst hatte. Dieser vorangegangene 15-Jahres-Technologieplan hatte ja in den USA viel unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Er war noch darauf angelegt, Chinas technologischen Rückstand im Vergleich zum Rest der Welt aufzuholen. Mittlerweile geht es im neuen 15-Jahres-Technologieplan darum, einen Sprung nach vorn zu machen. Das Ziel ist jetzt, dass China bis 2035 um zum Technologieführer der Welt aufsteigt.

Zweitens hat China sich vorgenommen, beim Umweltschutz bedeutende Fortschritte zu erzielen. Die Ankündigung Präsident Xis, dass China bis 2060 kohlenstoffneutral sein werde, hat alle überrascht. Zur Erreichung dieser Vorgabe werden unverzüglich alle nötigen Schritte eingeleitet. Diese Vorreiterrolle ist aus Sicht Chinas von strategischer Bedeutung, um seine Soft Power in der Welt auszubauen. Der Begriff „Soft Power“ steht für die internationale kulturelle Attraktivität eines Landes oder einer Kultur. Und die chinesische könnte sich, wenn das Vorhaben erfolgreich umgesetzt wird, auch deutlich steigern. Immerhin ist die Volksrepublik, Stand heute, noch für circa die Hälfte des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich.
Zusätzlich bietet die Priorisierung von Umweltthemen eine mögliche Grundlage für eine künftige engere Zusammenarbeit Chinas mit den Europäern. Denn auch in Europa konzentriert man sich in besonderem Maße auf Umweltthemen.


China wird sich im Rahmen der „Dual Circulation“ auf die Entwicklung des neu hinzugekommenen inneren Kreises konzentrieren.

 

Als Drittes wird sich im Rahmen der „Dual Circulation“ China auf die Entwicklung des neu hinzugekommenen inneren Kreises konzentrieren. In den letzten 20 Jahren war China zumeist auf den „Äußeren“, den „Exportkreis“ fokussiert. Dieser Kreis steht für das aktuelle Ökosystem aus Handelspartnern und Zulieferern, über die China Waren in die Welt exportiert. Unter der neuen Strategie wird China seinen Schwerpunkt aber vermehrt auf die Entwicklung der eigenen Binnennachfrage konzentrieren und auf die Importsubstitution verlagern. Im Ergebnis wird China versuchen, in Zukunft mehr selbst und für den eigenen Markt herzustellen, um einen höheren Grad an Selbstversorgung zu erzielen. Dass bedeutet für die Länder, die sich bisher auf China als Absatzmarkt verlassen haben, dass ihre Waren und Dienstleistungen dort möglicherweise bald nicht mehr nachgefragt werden könnten.

Viertens wird China die Reform seines Finanzsektor weiter vorantreiben. Damit will die Volksrepublik ausländische Investoren zum Kaufen und langfristigen Halten chinesischer Vermögenswerte motivieren.

Alle diese vier Punkte aus dem Fünf-Jahres-Plan und dem 15-Jahres-Technologieplan sind meiner Ansicht nach für ausländische Investoren in China wichtig.

Angesichts niedriger oder sogar negativer Zinsen überrascht es nicht, dass die chinesischen Renminbi-Anleihen mit ihren hohen Renditen und einem Spread zu Dollar- und Euro-Bonds zurzeit Rekordwerte erreichen. Was aber sind die Risiken?

Stephen Li Jen: Ein Hauptrisiko liegt in diesem Fall in den unterschiedlichen Währungen. Ein Euro-basierter Anleger, der im Ausland investiert, wird immer Wechselkursrisiken ausgesetzt sein. Mit Blick auf China bin ich allerdings der Meinung, dass der Renminbi eine ähnlich solide Währung ist, wie es früher einmal die D-Mark war. Das heißt allerdings nicht, dass es beim Renminbi kein Auf und Ab geben kann – und das Gleiche gilt natürlich auch für den Euro. Unter dem Strich sollte sich der Renminbi aber angemessen verhalten. So war es ja in den letzten Monaten der Fall.

Das zweite mögliche Risiko, das Investoren im Blick behalten müssen, ist ein möglicher Sell-off bei China-Anleihen. Dieser Fall könnte eintreten, wenn sich die globale Wirtschaft weiter erholt. Bereits jetzt liegen die Renditen in China knapp über dem Vorjahresniveau. Meiner Meinung nach können sie daher jetzt nicht mehr sehr viel höher steigen.

Ein drittes Risiko ist das sogenannte Konvertibilitätsrisiko. Es ist allerdings eher theoretischer Natur und würde nur eintreten, wenn es ein einschneidendes geopolitisches Ereignis gibt. Das wäre zum Beispiel ein Krieg Chinas mit den USA. In diesem sehr unwahrscheinlichen, aber nicht völlig unvorstellbarem Fall, würde China seine Schulden vermutlich nicht länger bedienen.