China – Ein Investoren-Wegweiser

Viele Anleger sprechen über den Wachstumsmarkt China und seine Chancen. Aber nur wenige investieren dort auch. Dieser Investoren-Wegweiser für China zeigt daher institutionellen, aber auch privaten Anlegern worauf sie achten sollten – und auch welche Allokationsansätze sich für diesen speziellen Markt besonders anbieten.

Investoren-Wegweiser China
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Chinas Aktienmarkt kann mittlerweile als geradezu paradox bezeichnet werden. Denn sein Anteil an den weltweiten Aktienindizes stimmt jedes Jahr weniger mit der weltwirtschaftlichen Bedeutung der Volksrepublik und ihrer wirtschaftlichen Größe überein. Dieser Investoren-Wegweiser soll daher zeigen, welche Chancen sich in China für institutionelle und private Anleger ergeben können.

Bereits heute stellt China rund 17 % des globalen BIPs. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass das Land noch in diesem Jahrzehnt die US-Wirtschaft als größte der Welt ablösen wird. Allein der chinesische Inlandsmarkt für China A-Shares liegt schon jetzt bei 19 % des weltweiten Handelsvolumens. Sie machen mehr als 10 % der Aktienmarktkapitalisierung weltweit aus. 2019 war der chinesische A-Shares-Markt mit seinen 3.600 Aktien und einer Marktkapitalisierung auf der Basis des Streubesitzes von circa 3 Billionen USD für sich genommen der zweitgrößte Aktienmarkt der Welt. Und dennoch lag die Gewichtung von China im MSCI ACWI Ende 2019 knapp unter 4 % und die Gewichtung von A-Shares nur bei 0,5 %. Ein krasser Gegensatz zur weltweiten Bedeutung der chinesischen Wirtschaft und Aktienmärkte.

China ist ein Markt im Wandel – mit Luft nach oben

Zuletzt ist der ausländische Besitz von China A-Shares gestiegen – besonders seitens institutioneller Anleger. Diese Entwicklung könnte nun die Merkmale des chinesischen Inlandsmarktes verändern. Denn bisher dominieren in China die Privatanleger bei A-Shares. So gehen circa 80 % des Handelsvolumens allein auf ihr Konto. Diese Anleger denken in der Regel kurzfristig und sind oft weniger erfahren. Sie lassen sich daher mehr von Emotionen leiten. Zu unserem Investoren-Wegweiser gehört deshalb der Hinweis, dass Anleger in China mit einer höheren Volatilität bei A-Shares rechnen müssen, als sie das von Industrie- oder Schwellenländern gewöhnt sind.

Hier kommen die generell mehr auf Fundamentaldaten und Unternehmensführung fokussierten institutionellen Anleger ins Spiel. Ihr Einfluss könnte zukünftig dazu beitragen, dass die hochwertigeren Unternehmen mit einer starken Unternehmensführung und dadurch stabilen langfristigen Aussichten besser abschneiden. Wir gehen daher davon aus, dass sich die Kapitalflüsse zunehmend von qualitativ schwächeren Unternehmen und spekulativeren Anlagen wegverlagern werden. Diese Entwicklung hat sich so bereits in Südkorea und Taiwan vollzogen, nachdem diese vollständig in die globalen Indizes aufgenommen worden waren. Hier hatten zuvor Anleger, die sich mehr nach Fundamentaldaten richten, zu einer niedrigeren Volatilität der Märkte beitragen. Als Folge der Institutionalisierung dieser Märkte erhöhte sich mit der Zeit der Anteil ausländischer Anleger auf etwa 30–40 %. So ist die durchschnittliche Volatilität in Südkorea im Verlauf der letzten 30 Jahre nachweislich um circa 35 % gefallen. Für den chinesischen Aktienmarkt erwarten wir folglich eine ähnliche Entwicklung.

Das „A“ steht für „Alpha“

Ein Grund, warum unser Investoren-Wegweiser für China gute Aussichten prognostiziert, ist das verlässliche Potenzial des chinesischen Aktienmarktes zur Alpha-Generierung. Hier haben tatsächlich 100 % der A-Shares-Manager den Vergleichsindex auf mittlere bis lange Sicht übertroffen. Ein Hauptgrund ist, dass die chinesischen Aktien bisher überhaupt nur von einer überschaubaren Zahl von Sell-Side-Analysten beobachtet werden. Gleichzeitig herrscht aber eine rege Handelsaktivität seitens der bereits erwähnten Privatanleger. Im Ergebnis ist der chinesische Aktienmarkt bisher vergleichsweise ineffizient. Hinzu kommt, dass von den rund 3.600 Unternehmen mit A-Shares selbst die größten ausländischen Broker meistens nur 100 bis 200 beobachten. Die einheimischen Broker stellen zwar Research zu über 500 bis 1.000 Unternehmen bereit, diese dann aber in der Regel nur auf Chinesisch.

Erschwerend kommt hinzu, dass einheimische Broker die Titel nicht immer aktiv verfolgen. Die kurzfristig orientierten und emotional agierenden Privatanleger hingegen sind die deutlich aktiveren Händler. So entsteht die beobachtete Marktineffizienz, die wiederum Anleger für sich nutzen können, wenn sie sich an Fundamentaldaten orientieren. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die für die Alphagenerierung so wichtige Streuung an den chinesischen A-Shares-Märkten viel breiter ist als an vielen anderen Aktienmärkten auf der Welt.

China = A + H

Zusammen betrachtet bieten der Onshore-Markt für A-Shares und der Offshore-Markt – inklusive H-Shares und American Depositary Receipts – einen breiten Zugang zur chinesischen Wirtschaft. Interessierte Anleger müssen jedoch beachten, dass sie sich in manchen Merkmalen unterscheiden können. Dazu gehören etwa die Ineffizienz, aber auch die Sektor- oder Aktienzusammensetzung. Ein gutes Beispiel ist der Industrie- und Grundstoffsektor, der circa 20 % des MSCI China A Onshore Index stellt. Gleichzeitig macht er aber nur knapp 5 % des MSCI China Index aus. Mit chinesischen A-Shares erhalten Anleger daher unter Umständen eine größere Exposure in den Bereichen Konsolidierung und der Entstehung wettbewerbsfähiger nationaler Marken, die dann in klassischen Industriezweigen stattfinden werden.

Dennoch können sie auch vom Wachstum moderner Industrieunternehmen profitieren. Das könnte etwa in den Bereichen Elektromobilität und Solarenergie sein. Mit A-Shares lässt sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch die zunehmende Verbreitung von Spar- und Versicherungsprodukten im chinesischen Finanzsektor besser abbilden. Hier liegt die Gewichtung bei rund 22 % beträgt, während es im Offshore-Markt nur 13 % sind.


Anleger in China haben die besten Chancen, Alpha zu generieren, wenn sie sich in an beiden Märkten engagieren.

 

Im Gegenzug bietet der Offshore-Markt ein höheres Engagement bei den wachstumsstärkeren Sektoren der „New Economy“. Hierzu zählen Nichtbasiskonsumgüter und Kommunikationsdienstleistungen und damit viele Internet-Unternehmen. Ein Investoren-Wegweiser für China muss aber darauf hinweisen, dass dieses hohe Wachstum im Offshore-Markt teilweise sehr stark in einigen wenigen Unternehmen konzentriert sein kann. So machen allein Alibaba und Tencent bereits knapp 21 % beziehungsweise 17 % des gesamten MSCI China Index aus. Damit dominieren sie die Nichtbasiskonsumgüter sowie Kommunikationsdienstleistungen.

Aufgrund der Dynamik, mit der sich die Unterschiede zwischen den beiden Märkten entfalten, ist eine Voraussage über die relative Wertentwicklung eines Marktes im Vergleich zum anderen nur schwer möglich. Mittelfristig gehen wir aber davon aus, dass das Stock-Connect-Programm, das es Anlegern in chinesischen Offshore- und Onshore-Aktien erlaubt, ihre Wertpapiere am jeweils anderen Markt zu handeln, sowie der Anstieg von Zweit-Listings vermutlich zu einer Annäherung dieser beiden Märkte führen werden. Unser Investoren-Wegweiser postuliert daher, dass Anleger in China dann die besten Chancen haben, mit ihrer Allokation Alpha zu generieren, wenn sie sich in an beiden Märkten engagieren und vor allem Relative-Value-Chancen am Onshore- und Offshore-Markt nutzen.