Arbeitsrecht in China während der Corona-Krise

Auch wenn das öffentliche Leben und die Wirtschaft in China Schritt für Schritt zur Normalität zurückkehren, bestehen aufgrund der Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie – Quarantäne, Reisebeschränkungen etc. – weiterhin viele Fragen für die chinesischen Tochtergesellschaften. Im Vorteil ist, wer die arbeitsrechtlichen Antworten kennt.

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Vorsorge- und Kontrollmaßnahmen

Chinas „öffentliche Hand“ hat eine Vielzahl von Gesetzen und Rechtsvorschriften zur Eindämmung des Virus, zur weiteren Vorsorge, zum Schutz der Arbeitnehmer, Erleichterungen für Arbeitgeber usw. sowohl auf Staats-, Provinz- als auch auf lokaler Ebene erlassen, welche nach wie vor in Kraft sind. In diesem Zusammenhang bestehen besondere Pflichten für Arbeitgeber. Infizierte oder im Verdacht einer Infektion stehende Mitarbeiter müssen den zuständigen Behörden gemeldet werden. Der Gesundheitszustand aller Arbeitnehmer (insbesondere Überwachung der Körpertemperatur) ist zu beobachten, Gesundheitsberichte zu verfassen und die Reisehistorie der Arbeitnehmer an die Behörden zu übermitteln. Arbeitgeber haben Sorge zu tragen, dass Arbeitsplätze regelmäßig desinfiziert und ausreichend Schutz- und Hygieneartikel bereitgestellt werden. Die Nichteinhaltung der Vorschriften kann empfindliche Strafen nach sich ziehen.

Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern

Nach den staatlich angeordneten Ruhetagen standen zahlreiche Unternehmen vor der Herausforderung, dass die Rückkehr von Arbeitnehmern aufgrund von Reisebeschränkungen oder anderen Maßnahmen teils nur eingeschränkt möglich war. Deshalb wurden Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz und zur Vermeidung von Entlassungen verabschiedet, die direkt auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers und die arbeitsvertraglichen Regelungen wirken. So besteht kein Recht des Arbeitgebers, einen unter Quarantäne stehenden Arbeitnehmer zurückzurufen oder zu kündigen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber einem nicht-infizierten Arbeitnehmer keinen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann.

„Arbeitgeber haben Sorge zu tragen, dass Arbeitsplätze regelmäßig desinfiziert und ausreichend Schutz- und Hygieneartikel bereitgestellt werden.“

Im Falle von Reisebeschränkungen des Arbeitnehmers und soweit es ihm in Hinblick auf technische und organisatorische Voraussetzungen zumutbar ist, darf ein Arbeitgeber Homeoffice anordnen. Weigert sich ein Arbeitnehmer hierzu oder lehnt er die Rückkehr an den Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund ab, sind Disziplinarmaßnahmen möglich, von mündlichen Verwarnungen bis hin zur Kündigung durch den Arbeitgeber – den internen Regelungen des Arbeitgebers entsprechend. Bei Ablauf eines Arbeitsvertrags während einer medizinischen Behandlung, einer Quarantäne- oder sonstigen staatlichen Notfallmaßnahme verlängert sich die Laufzeit des Arbeitsvertrags automatisch bis zum Ende der medizinischen Behandlung oder der staatlichen Maßnahme.

Lohn- und Lohnfortzahlungen

Während der staatlich angeordneten Ruhetage hatten bzw. haben Arbeitnehmer Anspruch auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung. Wurde in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet, besteht Anspruch auf die doppelte Höhe der Vergütung (Arbeit an Ruhetagen). Im Falle einer darüber hinausgehenden Aussetzung der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers gelten die betreffenden Tage in der Regel als Arbeitstage, und es ist für den ersten Vergütungszeitraum (i.d.R. den betreffenden Monat) die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Ab dem zweiten Vergütungszeitraum bestehen Erleichterungen für den Arbeitgeber: So ist dem Arbeitnehmer lediglich das lokale Existenzminimum zu bezahlen, sofern keine andere Regelung (z.B. Urlaubsregelung) getroffen wurde. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die aufgrund von staatlichen Maßnahmen während des zweiten Vergütungszeitraums an der Rückkehr zur Arbeit gehindert sind.

„Um die finanziellen Belastungen für Arbeitgeber abzufedern, sehen Rechtsvorschriften Erleichterungen für Arbeitgeber insbesondere bei der Sozialversicherung vor.“

Bei der generellen Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit ist die vertraglich vereinbarte Vergütung für ordnungsgemäß erbrachte Arbeit zu zahlen. Liegen coronabedingte wirtschaftliche Probleme beim Arbeitgeber vor, besteht die Möglichkeit, nach Rücksprache und einer zu schließenden Vereinbarung mit den betroffenen Arbeitnehmern Anpassungen der Vergütung vorzunehmen, wobei diese nicht unter dem lokalen Mindestlohn liegen dürfen. Infizierte oder unter Verdacht einer Infektion stehende Arbeitnehmer, die sich Quarantänemaßnahmen und einer verbundenen ärztlichen Behandlung unterziehen müssen, haben grundsätzlich Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Für reguläre Arztbehandlungen ohne Quarantänemaßnahmen ist – soweit nicht anders im Arbeitsvertrag vereinbart – nur das entsprechende Krankengeld auszuzahlen.

Die chinesischen gesetzlichen Bestimmungen zur höheren Gewalt, die den betroffenen Vertragspartner von der Leistungspflicht befreien können, sind nicht auf Arbeitsverträge anwendbar. Ein Arbeitgeber kann also die Lohnzahlung nicht mit Verweis auf die Corona-Pandemie, welche in China als Fall höherer Gewalt (unter weiteren Voraussetzungen) anerkannt ist, verweigern oder den Arbeitsvertrag kündigen.

Entlastungen für Arbeitgeber

Um die finanziellen Belastungen für Arbeitgeber abzufedern, sehen Rechtsvorschriften Erleichterungen für Arbeitgeber insbesondere bei der Sozialversicherung vor. So können kleine und mittlere Unternehmen sowie Unternehmen aus Hubei auf Antrag für bis zu fünf Monate von der Beitragszahlung in den Pensionsfonds sowie die Arbeitslosen- und Arbeitsunfallversicherung befreit werden. Großunternehmen können eine Ermäßigung für drei und einen Zahlungsaufschub von bis zu sechs Monaten für diese Beiträge beantragen. Für die Beiträge zur Krankenversicherung kann eine Ermäßigung um die Hälfte des Beitrags für einen Zeitraum von bis zu fünf Monaten beantragt werden. Auf lokaler Ebene wurden die oben genannten staatlichen Maßnahmen größtenteils übernommen; allerdings gibt es mitunter abweichende Regelungen, beispielsweise die Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge für den Februar 2020 und weiteren Zahlungsaufschub für bestimmte Branchen.

Fazit

Durch Maßnahmen im Arbeitsrecht versucht die chinesische Regierung, die Folgen der Pandemie abzumildern. Oftmals handelt es sich um eine Gratwanderung zwischen der Vermeidung von (Massen-)Entlassungen und dem Arbeitnehmerschutz auf der einen und dem Abwürgen der Wirtschaft auf der anderen Seite. Wie bei Rechtsvorschriften in China häufig der Fall, sind verschiedene Begriffe sehr unbestimmt und nicht genau definiert; darüber hinaus können sie lokal variieren. Unternehmen sollten daher gerade in der aktuellen Krisenzeit die Entwicklung der Rechtslage noch intensiver als sonst beobachten und bei Unklarheiten rechtlichen Rat einholen.

Porträt Sebastian Wiendieck
Sebastian Wiendieck

Sebastian Wiendieck leitet als Partner den Rechtsbereich von Rödl & Partner in China. Er berät deutsche Mittelständler branchenübergreifend bei deren Aktivitäten in China, insbesondere im Bereich M&A. Vor seiner Tätigkeit bei Rödl & Partner war er bei zwei internationalen Kanzleien in Frankfurt bzw. Hongkong als Prozessanwalt mit der Spezialisierung auf Post-M&A-Schiedsverfahren tätig.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch