Chinas Attraktivität: Größe und Finanzkraft

Das deutsche Biotechunternehmen Medigene AG konzentriert sich auf die Entwicklung personalisierten Immuntherapien zur Krebsbehandlung. Im Mittelpunkt stehen dabei T-Zell-Rezeptoren (TCR). Im April 2019 verkündete das Unternehmnehmen mit Sitz in Martinsried bei München eine Kooperationsvereinbarung mit dem chinesischen Unternehmen Cytovant. Bei Erreichen aller Meilensteine kann diese ein Volumen von bis zu einer Milliarde Euro erreichen. Wir sprachen mit der Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Dolores J. Schendel.

IP-D/C: Was ist die größere Strategie hinter der Kooperation bzw. Lizensierungen mit/für Cytovant?

Prof. Dr. Dolores J. Schendel: Zelluläre Immuntherapien versetzen das körpereigene Immunsystem in die Lage, Krebs zu bekämpfen. Voraussetzung für diesen Prozess ist eine starke Personalisierung der Therapie. Genau hier setzen wir bei Medigene mit unseren T-Zell-basierten Immuntherapien an. Letztlich können wir TCR-Therapien für ganz unterschiedliche Patientengruppen und Märkte weltweit maßschneidern. Natürlich wollen wir unsere Technologien für ausgesuchte Indikationen und Patientenpopulationen unternehmensintern selbst weiterentwickeln. Andere Indikationen und vor allem größere Märkte, wie zum Beispiel den chinesischen, wollen wir gemeinsam mit Partnern weiterverfolgen.

Das heißt, man braucht für China unbedingt einen Partner?

Nun ja, von unserer Strategie profitieren alle Seiten: Dank der Kenntnis der regionalen Besonderheiten werden wir in die Lage versetzt, exakt auf die Patientenbedürfnisse zugeschnittene Therapieansätze ausarbeiten. Die Lizenzzahlungen wiederum ermöglichen es uns, diese Ansätze auch in die kostspielige klinische Entwicklung weiterzuführen und damit für unsere Forschung wichtige Patientendaten zu gewinnen. Mit dem Roivant-Tochterunternehmen Cytovant haben wir genau den richtigen Partner für die Erschließung des chinesischen und asiatischen Marktes gefunden.

Wie verlief die bisherige Zusammenarbeit mit den Chinesen?

Vom ersten Kennenlernen bis hin zu konkreten Ausarbeitung des Kooperationsvertrages war die Zusammenarbeit durchwegs positiv und ausgesprochen zielorientiert. Besonders gefreut haben uns die schnellen und zuverlässigen Absprachen innerhalb der Verhandlungen, sodass wir zu einem gelungenen Vertragsabschluss kommen konnten. Mit Roivant haben wir einen erfahrenen Partner, der über Cytovant auf dem asiatischen Markt, und insbesondere in China, den Paradigmen-Wechsel in der Behandlung von Krebserkrankungen hin zu personalisierten Therapien umsetzen möchte und entsprechende T-zellbasierte Immuntherapien der asiatischen Bevölkerung zugänglich machen will.

Wo liegen Risiken und Chance am chinesischen Markt und worauf muss beziehungsweise sollte ein deutscher Mittelständler besonders achten?

Dank ausreichend finanzieller Mittel im Hintergrund findet die klinische Entwicklung der Zelltherapien mittlerweile nicht nur in der westlichen Welt statt, sondern eben auch im asiatischen Raum. Die Anzahl laufender klinischer Studien übersteigt inzwischen sogar die derer zum Beispiel in den USA. Diese Finanzkraft sowie die Größe des Marktes machen chinesische Unternehmen zu attraktiven Partnern. Im Gegenzug dürfen aber die politischen Begebenheiten nicht außer Acht gelassen werden, genauso wie ein solider Patentschutz.

Worin bestehen grundlegende Unterschiede zwischen China und Deutschland in Sachen Biotech?

Wie bereits erwähnt, ist ein wichtiger Unterschied zwischen China und Deutschland die Investitionskraft, Risikobereitschaft und die Fülle an klinischen Aktivitäten auch im Biotech-Bereich. Wir finden hier in Deutschland weniger risikoaffine oder spezialisierte Investoren, die unser risikobehaftetes Geschäftsmodell, das auch ab und an mit Rückschlägen zu kämpfen hat, unterstützen. Es gibt nur wenige Fonds mit Fokus auf Biotechnologie, die zudem auch nicht über eine vergleichbare Kapitalausstattung verfügen wie US-amerikanische oder chinesische Fonds.

Besteht angesichts dieser finanziellen Unterschiede die Gefahr, dass der deutsche Biotech-Sektor deutlich ins Hintertreffen gerät?

Da Medikamentenentwicklung, wie eingangs erwähnt, ein teures „Pflaster“ ist – gerade wenn man innovative, personalisierte Ansätze wie unsere TCR-Therapie weiterentwickeln möchte – müssen sich deutsche Biotech-Unternehmen auch an ausländische Investoren wenden. Die deutsche Politik sollte darüber nachdenken, wie sich die Rahmenbedingungen für Risikoinvestments verbessern lassen und entsprechend handeln. Zudem sollte sie eine größere Offenheit gegenüber Frühphasen- und Venture-affinen Geschäftsmodellen zeigen

Wie ist es um künftige Projekte bestellt? Plant Medigene weitere Lizensierungsverfahren oder anders geartete Kooperationen in Asien bzw. China?

Nachdem wir erst vor einigen Wochen die Kooperationsvereinbarung mit Roivant/Cytovant gemeldet haben, liegt unsere oberste Priorität nun darin, mit der tatsächlichen Forschungsarbeit zu beginnen. Es müssen vor Ort bei unserem Partner noch ein paar technische Voraussetzungen etabliert werden und auch wir hier bei Medigene müssen entsprechende unternehmensstrukturelle Vorkehrungen treffen. Darauf konzentrieren wir uns jetzt. Auf der anderen Seite ist es weiterhin Teil unserer Unternehmensstrategie, unsere innovativen Technologien entweder allein oder aber auch in Partnerschaften weiterzuentwickeln, nicht nur für Krebserkrankungen des Blutes, sondern auch für solide Tumore. Deshalb befinden wir uns fortlaufend in Gesprächen mit verschiedenen Gegenübern und sondieren Optionen.

Welche Trends werden die Zukunft der Biotech-Branche maßgeblich bestimmen?

Unserer Meinung nach werden Patienten in der nahen Zukunft eine weitestgehend individualisierte, maßgeschneiderte Behandlung ihrer Krankheiten erfahren. Um dies zu ermöglichen, werden in der Zukunft einerseits spezialisierte Screening-Modelle und anderseits intelligente Analysetools, die aus den vielen Patientendaten die bestmögliche Behandlung ableiten lassen, eine große Rolle spielen.

Frau Prof. Dr. Schendel, herzlichen Dank für das Gespräch.

In unserem aktuellen Magazin Investment Plattform China/Deutschland (Ausgabe 2-2019) haben wir uns ausführlich mit dem Biotechsektor auseinandergesetzt. Hier geht es zur Ausgabe.

 

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch