Nach einer Analyse von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, sind chinesische Anleihen weiter attraktiv. Anleger müssten aber Risiken abwägen und dürften keine Kurssprünge wie im letzten Jahr erwarten.
Chinas Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie waren schnell erfolgreich. So konnte die chinesische Wirtschaft bereits ab dem 2. Quartal 2020 stufenweise und nachhaltig geöffnet werden. Die Volksrepublik war dann auch das einzige G20-Land mit positivem Wirtschaftswachstum 2020. Entsprechend legte der heimische Aktienmarkt im vergangenen Jahr kräftig zu. Nach Ansicht von Tilmann Galler bei J.P. Morgan stehen die Chancen für eine weitere positive Entwicklung gut. Gleichzeitig sollten Investoren mit Interesse an chinesische Anleihen aber auch mögliche Risiken im Auge behalten.
Hohe Verschuldung belastet Wachstum
So hat die chinesische Regierung vor allem auf Steuersenkungen für Unternehmen sowie Ausgaben in Infrastruktur gesetzt, um die Wirtschaft im Krisenmodus zu stützen. Damit hat sie jedoch das Fiskaldefizit nach Schätzungen des IWF von 6,3 Prozent im Jahr 2019 auf 11,8 Prozent im Jahr 2020 erhöht. Die Staatsverschuldung Chinas ist dadurch auf 62 Prozent zum BIP gestiegen.
Dieser Wert ist deutlich niedriger als die 98 Prozent in der Eurozone oder 131 Prozent in den USA. Allerdings summiert sich die Gesamtverschuldung der Wirtschaft auf 278 Prozent, wenn man den hochverschuldeten Unternehmenssektor und die Privathaushalte mitzählt. Darüber hinaus liegt der chinesische Schuldendienst bei aktuell 3 Prozent Zinsen. Daher ist er nach Einschätzung von Tilmann Galler für China ein größeres Problem als für die USA mit 0,7 oder die EU mit 0 Prozent. „Die Fiskalpolitik dürfte in den kommenden Jahren eher konsolidierend als expandierend sein. Damit könnte sich der chinesische Wachstumsvorsprung gegenüber den anderen großen Volkswirtschaften verringern – vorausgesetzt, dass die globalen Impfkampagnen erfolgreich sind“, stellt der Kapitalmarktexperte fest.
Chinesische Anleihen bleiben attraktiv und der Aktienmarkt bietet noch Chancen
Nach Ansicht von Tilmann Galler bietet der chinesische Kapitalmarkt weiterhin gute Investmentchancen. Zwar sei das KGV des CSI 300 Index, der die beiden Börsen Schanghai und Shenzhen abbildet, im vergangenen Jahr von 11,5x auf 16x gestiegen – und läge damit auf einem ähnlich hohen Bewertungsniveau wie 2015 in der letzten Überhitzungsphase des Marktes. Doch im Vergleich zu den Industrieländeraktien sei das immer noch ein Bewertungsabschlag von knapp 25 Prozent. „Das kann durchaus gerechtfertigt sein, da die Gewinnerwartungen für chinesische Aktien für die kommenden zwei Jahre niedriger sind. Aber man darf nicht vergessen, dass der Ausblick in China aufgrund der besseren COVID-Situation stabiler ist als in den Industrieländern“, erläutert der Experte.
Anleger sollten sich aber bewusst machen, dass nach dem kräftigen Anstieg der Kurse und der Bewertungen die zukünftigen Ertragserwartungen deutlich niedriger seien als noch vor einem Jahr.
Insgesamt gelte es für Investoren, die Störfaktoren Verschuldung, Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung sowie politische Risiken im Blick zu halten. Das weiterhin kräftige Wachstum könnte sich daher in eher moderaten Kursentwicklungen niederschlagen.