Chinesische Unternehmer – Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Chinesische Unternehmer sind durch Konfuzius geprägt
Quelle: Adobe Stock; © christian straub

Dietmar Thiele, Managing Partner bei Network Corporate Finance, erklärt im Gespräch, wo Unterschiede und Gemeinsamkeiten von chinesischen und deutschen Unternehmern liegen, was chinesische Entrepreneure antreibt und mit welcher Philosophie man sich in jedem Fall vertraut machen sollte, wenn man in China bestehen möchte.

Investment Plattform China/Deutschland: Was ist Ihrer Meinung nach die herausragende Fähigkeit von chinesischen Unternehmern?

Dietmar Thiele: Wir haben viele chinesische Unternehmer als inhaltlich extrem pragmatisch erlebt. Sie schauen sich Opportunitäten an – Opportunität ist gleichbedeutend mit Gelegenheit/Chance und nicht zu verwechseln mit opportunistisch. Mir erscheint, dass das „unternehmerische“ Gespür hier stärker ausgeprägt ist oder weniger gezügelt wird als bei uns, wo oftmals eine primär Strategie- und Berater-getriebene Investitionslogik herrscht.

Was sind die gravierenden Unterschiede zwischen westlichen und chinesischen Unternehmern?

Ich glaube, die Unterschiede sind bei „richtigen“ Unternehmern gar nicht so groß – wenn man unternehmerische Entscheidungen mit einem „passt das zu mir?“ oder „sehe ich hier eine Chance auf wirtschaftlichen Erfolg?“ interpretiert. Allenfalls ist für chinesische Unternehmer – sicher im Gegensatz zu den meisten westlichen – immer auch eine gehörige Portion nationales Interesse oder sogar Patriotismus wichtig – ein „was ist gut für mein Land, gut für die Weiterentwicklung von China, beziehungsweise macht das für mein Heimatland Sinn?“

Unternehmerische Tugenden sind also weltweit gültig. Aber warum tun sich westliche Unternehmer dann in Fernost oftmals schwer?

Sicher gibt es auch große, deutlich spürbare Unterschiede – beispielsweise in der Verhandlungsführung. Diese sind so umfassend, dass ich glaube, dass etwa deutsch-chinesische M&A-Transaktionen, egal ob in- oder out-bound, immer umfassender Beratung bedürfen, M&A-spezifisch, aber vor allem auch interkulturell. Das decken nur internationale Beraterteams ab. Und das ist auch der Grund, warum wir bei Network Corporate Finance seit Jahren mit zwei M&A-Häusern in China – Merger China Group in Beijing und Metro Ascent Capital in Hong Kong – eng und partnerschaftlich und auch exklusiv zusammen arbeiten. Man kann meiner Meinung nach keine Deals wirklich erfolgreich closen, ohne hier sehr solide aufgestellt zu sein.

Worauf muss ein westlicher Unternehmer in China also neben der Verhandlungsführung achten?

Ich glaube, dass es aus Sicht deutscher Unternehmer wesentlich darauf ankommt, sich frühzeitig sehr intensiv mit einigen wesentlichen Aspekten der chinesischen Mentalität und Philosophie auseinander zu setzen. China ist kein kurzfristiges Projekt. Und Erfolg geht nur mit Partnern vor Ort, auf die man sich verlassen können muss. Solche zu finden, ist sicher eine ganz schwierige Herausforderung.

Gilt das auch umgekehrt für chinesische Unternehmer, die im Westen den Erfolg suchen?

Ja, Chinesen in Deutschland betrifft das natürlich auch. Hier ist es aus meiner Sicht von herausragender Bedeutung, das deutsche Management frühzeitig sehr stark einzubinden und diesem vor allem operativ sehr weit zu vertrauen. Der deutsche Mittelstand denkt ganz überwiegend langfristig für seine Unternehmen, was nicht nur die Firma als solche umfasst, sondern auch und gerade die Mitarbeiter mit einbezieht. Auch die Verankerung in der Region spielt eine essentielle Rolle. Diese Form der langfristigen Loyalität – gerade beim Mittelstand – muss der chinesische Investor hier erst verstehen. Chinesisches Management alleine wird in der Regel nie funktionieren.

Chinesen wird oft ein „Unternehmer-Gen“ nachgesagt. Der Wunsch ein eigenes Unternehmen zu führen, ist dort scheinbar stärker ausgeprägt. Auch als Angestellte haben viele Chinesen ein „kleines Sidebusiness“ laufen. Wie erklären Sie sich das?

Es ist meines Erachtens kein Gen, es ist eine Lehre, eine Philosophie: Chinesen sind in weiten Teilen von Konfuzius‘ Lehren, die über etwa 2.500 Jahre alt sind und sich über alle feudalen Dynastien, die Republik zu Beginn des letzten Jahrhunderts und auch die jetzige Staats- und Regierungsform bewährt und behauptet haben, geprägt. Diese Lehren bestimmen auch heute noch wesentliche Teile des Denkens und Handelns chinesischer Unternehmer. Tüchtigkeit ist hier eine ganz wesentliche Tugend. Und Bildung! Sich den Vorfahren würdig zu zeigen, indem man mehr erreicht, als die eigene Ausgangsposition war. Natürlich kann man diese Lehre nicht in wenigen Sätzen zusammenfassen, aber man sollte sich damit zumindest mit einer gewissen Intensität befassen, um diese innere Motivation vieler Chinesen wenigstens ein kleines Bisschen nachvollziehen zu können. Verstehen geht wahrscheinlich gar nicht, oder gelingt nur versierten Sinologen.


„Sich den Vorfahren als würdig erweisen“


Erklärt das in gewissen Teilen auch, dass die Chinesen oft anders mit ihrem erworbenen Wohlstand umgehen als beispielsweise US-Unternehmer, die oftmals weite Teile ihre Vermögens spenden (Stichwort „the giving pledge“)?

Sicher. Die Familie spielt auch hier eine sehr große Rolle, Bildung für die Kinder, am besten im Ausland – auch das greift auf die Philosophie von Konfuzius zurück. Doch bei allem Respekt vor dieser Jahrtausende-alten Lehre, daneben fallen mir zwei Dinge ein, die dann doch so überraschend nicht sind: Immobilien und – ganz simpel und banal – Luxusgüter aller Art. Hier kann man auch einen Unterschied zu deutschen Unternehmern sehen: Diese zeigen ihren Wohlstand nur sehr zurückhaltend. Chinesische Unternehmer hingegen sind hier weniger scheu. Der Erfolgreiche zeigt seinen Erfolg auch und kann so – auch das ein Unterschied zu Deutschland – viel Gesicht gewinnen.

Herr Thiele, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Weitere Informationen zu chinesischen Unternehmern, ihren Lebensgeschichten und Wegen zum Erfolg, finden Sie in unserer aktuellen Titelgeschichte.

 


Zur Person

Porträt Dietmar ThieleDietmar Thiele ist Managing Partner bei Network Corporate Finance GmbH & Co. KG, er leitet das Berliner Büro und kümmert sich um die internationalen Partnerschaften. Zuvor war unter anderem Finanzvorstand der Producers’ AG Media Capital. Bei der InvestitionsBank des Landes Brandenburg leitete er den Bereich Medien- und Technologiefinanzierung, Beteiligungen und EK-Finanzierungen. Für die WestLB arbeitete er u.a. in Hong Kong. Dietmar Thiele studierte Betriebswirtschaftslehre in Siegen.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch