Chinas große Unternehmer

Die Lebenswege, Erfolge und Visionen von Chinas Unternehmern sind untrennbar mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik verbunden und werden dies auch weiterhin bleiben. Als Xiaoping Deng die wirtschaftliche Rahmenordnung der Volksrepublik änderte, entfesselte er auch den unternehmerischen Geist der Chinesen. Die Wege der großen chinesischen Entrepreneure spiegeln auf interessante Weise auch die chinesische Entwicklung wider.

Chinas große Unternehmer
Quelle: AdobeStock; © leo_d

Es war eine laue Sommernacht im Jahr 1968, als sich 24 Arbeiter aus Beijiao, Shunde, in der Provinz Guangdong auf einen rund 40 Kilometer langen Fußmarsch begaben. Dieser Weg würde sie zu Chinas erfolgreichsten Unternehmern machen. Sie wollten in der Hauptstadt Guangzhou um die Erlaubnis anfragen, eine Werkstatt zur Produktion von Plastikflaschenverschlüssen zu eröffnen. 5.000 CNY investierten die jungen Unternehmer damals. Heute – mehr als 50 Jahre später – stehen die Produkte des so entstandenen Unternehmens in jedem chinesischen Haushalt. Seinen Namen kennen spätestens seit der Übernahme des Augsburger Robotikherstellers KUKA auch viele Deutsche: Midea.

Midea, dessen Firmensitz nun in Foshan unweit des ursprünglichen Gründungsorts liegt, zählt heute zu den größten Mischkonzernen der Welt (Fortune-500-Listenplatz 2019: 312). An der Unternehmensspitze stand bis zum Jahr 2012 der Anführer jener Gruppe, die damals nach Guangzhou wanderte: Xiangjian He. Der inzwischen 78-Jährige zeigte damals das grundsätzlich entscheidende Merkmal aller Unternehmer: den unbändigen Willen, seine Vision in die Realität umzusetzen. Denn der Zeitpunkt der Gründung war durchaus riskant: 1968 steuerte die Kulturrevolution einen ersten Höhepunkt an, und mit dem Wunsch, ein eigenes Unternehmen zu gründen, setzt man sich der nicht gerade kleinen Gefahr aus, in den Ruch zu kommen, ein kapitalistischer Bourgeois oder gar ein Konterrevolutionär zu sein.

Das eigene Unternehmen als klares Ziel: Millennials in ChinaFür das Unterfangen brauchte es eine gehörige Portion Mut – den zeigte jüngst auch Jianfeng He, der Sohn des hier besprochenen Unternehmensgründers: Er rettete seinen Vater vor einer Gruppe Entführer, indem er sich aus dem Haus schlich, durch den angrenzenden See schwamm und die Polizei verständigte. Jianfeng He leitet heute die Immobiliensparte des Konzerns und sitzt im Gesamtvorstand des Unternehmens.

Alles für die Familie

Damit ist er auch ein gutes Beispiel dafür, dass es Chinas erfolgreichste Unternehmer verstehen, die Nachfolgegeneration in die eigene Firma miteinzubinden. Geradezu exemplarisch hierfür steht Huiyan Yang, die reichste Frau Chinas. Ihr Vater, Guoqiang Yang, der wie He aus Shunde stammt, übertrug ihr im Jahr 2007 kurz vor dem Börsengang seines Immobilienunternehmens Country Garden rund 70% der Anteile. Früh baute Yang die Tochter schrittweise als seine Nachfolgerin auf, indem er sie bereits als kleines Mädchen mit zu Geschäftsverhandlungen nahm. So brachte er ihr das Immobiliengeschäft von der Pike auf bei. Nachdem sie ihren Abschluss in Marketing an der Ohio State University gemacht hatte, stieg sie wieder in die väterliche Firma ein – zunächst als Einkaufsmanager, aber bereits binnen eines Jahres war sie Teil der Geschäftsführung.

Dabei ist die gesamte Familie in die Geschäftstätigkeiten miteingebunden. Yangs Schwester Ziying ist ebenfalls im Management von Country Garden vertreten. Eine Tante der Schwestern, Meirong Yang, ist Teilhaberin von Bright Scholar Education. Das Bildungsunternehmen ging unter Yangs Vorsitz im Jahr 2007 an die New Yorker Börse. Der „Yang-Clan“ spiegelt eine typische Familienentwicklung in China wider, bei der alle Mitglieder am Unternehmensaufbau beteiligt werden. Patriarch Guoqiang ist Sohn eines armen Farmerehepaars und muss schon früh auf dem Feld helfen. Zeitgleich entwickelt er aber frühzeitig seinen ausgeprägten Geschäftssinn: Während der Kulturrevolution sammelt er auf Müllhalden entsorgte alte Bücher und handelt mit ihnen. Später arbeitet er als Wanderarbeiter.


 

„Tüchtigkeit ist hier eine ganz wesentliche Tugend.“
Dietmar Thiele, Network Corporate Finance GmbH

 

 


 

Sein Aufstieg beginnt in den frühen 1990er-Jahren, als er günstig Brachland erwirbt und dies entwickelt. 1997 gründet er gemeinsam mit Freunden Country Garden. Auch hier zeigt sich der chinesische Geschäftssinn sowie ein schon fast intuitives Verständnis für sich bietende Chancen und Möglichkeiten, das Chinas erfolgreichsten Unternehmern zu eigen ist. „Das ‚unternehmerische‘ Gespür ist stärker ausgeprägt oder wird weniger gezügelt“, stellt auch Dietmar Thiele, Managing Partner der Berliner Network Corporate Finance GmbH, fest. Thiele sieht hierfür auch die alte und immer noch sehr präsente Philosophie des Konfuzianismus ursächlich: „Diese Lehren bestimmen auch heute noch wesentliche Teile chinesischen Denkens und Handelns. Tüchtigkeit ist hier eine ganz wesentliche Tugend. Und Bildung – sich den Vorfahren würdig zu zeigen, indem man mehr erreicht, als die eigene Ausgangsposition war.“

Vom Kühlschrank zum Auto

Insofern ist es nicht überraschend, dass Chinas erfolgreichste Unternehmer und unter ihnen vor allem die „alte Riege“, die im Zuge der Deng’schen Reformen ab den 1980er-Jahren das Land aufbauten, oftmals aus armen Familien stammten. Zu ihnen zählt auch Shufu Li, der mit Geely („Glück verheißend“) den ersten privaten Autokonzern der Volksrepublik aufbaute. Li kam als Sohn armer Bauern in Taizhou, einer einige Hundert Kilometer südlich von Shanghai gelegenen Küstenstadt, auf die Welt. Über seine Kindheit sagte er einmal: „Wir konnten uns keinerlei Spielzeug leisten, ein Spielzeugauto war unerreichbar. Niemals hätte ich mir träumen lassen, später selbst richtige Autos herzustellen.“

In seinen Anfangsjahren ließ er sich nicht von Widrigkeiten und Scheitern aufhalten. Seine erste Unternehmung, die sich mit der Herstellung von Kühlschränken befasste, wurde von den Behörden geschlossen, weil er nicht über die entsprechenden Lizenzen verfügte. Später produzierte er Motorräder. Dabei waren die ersten Produktionsergebnisse so ernüchternd, dass er sie sofort wieder verschrottete. Das Jahr 1998, als schließlich der erste Wagen vom Band rollte, stellt einen Schlüsselmoment für die chinesische Automobilindustrie dar. Größere Bekanntheit erreichte er erstmals durch die Übernahme des schwedischen Automobilherstellers Volvo, und im Jahr 2018 gelang ihm mit der völlig überraschenden Beteiligung am Daimler-Konzern ein Husarenstück.

Seitdem ist Li größter Anteilseigner der Stuttgarter. Darüber hinaus ist er ein Kritiker des Joint-Venture-Systems in der chinesischen Automobilindustrie. Aus seiner Sicht verhindert es, dass chinesische Unternehmen eigene, wettbewerbsfähige Strukturen aufbauen und Innovationen entwickeln. Als Abgesandter der Provinz Zhejiang nahm er am 13. Nationalen Volkskongress teil.


Chinas große Unternehmer: Shufu Li, Geely

 

„Wir konnten uns keinerlei Spielzeug leisten, ein Spielzeugauto war unerreichbar.“
Shufu Li, Geely

 


„Roter Unternehmer“

Teilnehmer des Nationalen Volkskongresses im Jahr zuvor war Wengen Liang. Dessen Unternehmen Sany ist heute der Weltmarktführer im Bereich Betonpumpen. Liang gilt als klassischer „Roter Unternehmer“. Er ist seit 2004 Parteimitglied –18 Jahre hatte er auf die Aufnahme warten müssen, weil die Partei sich einem „Kapitalisten“ gegenüber skeptisch zeigte. Als erstem von Chinas erfolgreichsten Unternehmern gelang ihm auch die Aufnahme in das 18. Zentralkomitee der Partei. Die Unterschiede zwischen chinesischen und westlichen Unternehmern in Sachen Politik lassen sich gut an ihm veranschaulichen: Während westliche Unternehmer wie Jeff Bezos selbst Politik gestalten wollen (Bezos kaufte dafür die Washington Post) oder wie Donald Trump sogar politische Führungspositionen einnehmen, sehen sich Chinas Unternehmer eher als Stützen der Partei. Nicht umsonst spricht Liang davon, dass er der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) alles verdanke.

Vom Korbflechter zum Millionär

Liang begann seine Karriere als Korbflechter. Danach war er lange Zeit  im unteren Management eines staatlichen Rüstungsunternehmens tätig, bis er sich schließlich mit einem kleinen Unternehmen für Schweißgeräte und -zubehör im Jahr 1989 selbstständig machte. Über die Jahre wuchs Sany dann zu einem der größten Maschinenbauunternehmen Chinas heran. In Deutschland wurde Liang durch die Übernahme von Putzmeister bekannt. Sie war bis dahin nicht nur die größte chinesische Übernahme eines deutschen Unternehmens – mit ihr gelang es Sany auch, die Marktführerschaft im Bereich Betonpumpen und Spezialgeräte (Straßenbau- und Hebemaschinen) zu zementieren, und zwar zu einem für den Konzern kritischen Zeitpunkt: Denn das Unternehmen hatte zeitgleich erstmals Verluste zu vermelden.

Auch hier spiegeln sich der Pragmatismus, der Chinas erfolgreichste Unternehmer auszeichnet, und ihr Denken in Chancen wider. Ähnliches lässt sich bei der Partnerschaft von Sany mit Palfinger feststellen – mit dem österreichischen Spezialmaschinenbauer besteht eine Überkreuzbeteiligung: Die Allianz wurde auf dem Höhepunkt der Eurokrise im Jahr 2012 geschmiedet. Wie es sich gehört, ist auch Liangs Sohn in das Unternehmen miteingebunden. Er steht dem internationalen Arm des Unternehmens vor und ist im Vorstand des Gesamtkonzerns. Die Europazentrale des Unternehmens liegt seit der Übernahme von Putzmeister in Köln.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch