Herzlichen Glückwunsch, Bundesrepublik!

Zwei Tage nach der Volksrepublik China begeht die Bundesrepublik Deutschland ihren Nationalfeiertag. Die Unterschiede zur chinesischen Feier könnten kaum größer sein.

 

Mit einem zweitätigen Bürgerfest begeht die Bundesrepublik Deutschland den heutigen „Tag der Deutschen Einheit“ in Kiel, womit bereits geographisch deutlich wird, dass der deutsche Nationalfeiertag völlig anders ausgerichtet ist als der chinesische. Die Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins ist – bei allem Respekt für Kiel – sicherlich nicht der politische, ökonomische oder intellektuelle Mittelpunkt der Bundesrepublik. Geschuldet ist der Ort dem Föderalismus und dem Umstand, dass die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit immer jenes Land ausrichtet, welches den Vorsitz im Bundesrat inne hat.

 

Aber auch sonst führt der deutsche Nationalfeiertag ein stiefmütterliches Dasein. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Datum selbst kaum Relevanz im nationalen Bewusstsein trägt: Es ist ein bürokratisch ausgesuchtes Datum, an welchem ein Verwaltungsakt statt fand bzw. abgeschlossen wurde: Der Beitritt der „neuen“ Bundesländer zur BRD. Die Mauer fiel am 9. November, aber jener Tag ist durch die Novemberpogrome 1938, den Hitler-Kapp-Putsch 1923 und die Novemberrevolution 1918 historisch belastet. Gegründet wurde die Bundesrepublik an einem 23. Mai, aber dieses Datum hätte die Ostdeutschen ausgeschlossen und der 17. Juni, als die ostdeutschen Arbeiter gegen die Sowjets den Aufstand in der östlichen Besatzungszone wagten, war als damaliger Nationalfeiertag Westdeutschlands (und bisheriger Tag der deutschen Einheit) für das geeinte Deutschland ungeeignet.

 

Auch die Politik tut sich mit dem Tag schwer. Schon fast zwanghaft vermeidet man alles was auch nur annähernd auf einen irgendwie gesteigerten Patriotismus hindeuten könnte. Einen Führungsanspruch bei der Ausgestaltung globaler Governance, wie ihn jüngst die Volksrepublik anlässlich ihres 70. Geburtstages verkündete, will man per se nicht anmelden – sieht man von der „Klimafrage“ einmal ab, deren internationale Bedeutung in Deutschland schon fast hysterisch überschätzt wird. Dabei täte etwas Führung angesichts der ungelösten Eurokrise, des drohenden Brexit oder auch des sich immer deutlicher abzeichnenden veritablen Wirtschaftsabschwungs durchaus Not in Euroland.

 

Stattdessen wendet man sich nach innen, betreibt auf einem freundlich-friedlichen Bürgerfest Nabelschau, verurteilt die Intoleranz und lobt die Freiheit, bleibt dabei aber ohne konkreten Kompass, wie denn die Freiheit zu verteidigen wäre. Stattdessen wird die weitere Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West versprochen. Nicht zuletzt deshalb, weil sich das Volk tatsächlich als wenig geeint empfindet: Laut einer Emnid Umfrage für die Bild am Sonntag sehen gerade einmal 50% der Befragten Deutschland als „geeint“ an. Aber wie dies gelingen und wie (und vor allem wer) das erwirtschaftet werden soll, bleibt im ungewissen.

 

Dass die empfundene Spaltung zudem vielleicht gar nicht so sehr an den ökonomischen Verhältnissen liegt, sondern an nicht oder nur zaghaft gegeben Antworten auf die drängende Fragen, kommt der deutschen Politik nicht so recht in den Sinn. Insgesamt  entsteht ein Eindruck von einer vitalen und kräftigen, aber zeitgleich auch gehemmten Nation, die nicht so recht weiß, wie und wofür sie sich und ihre unbestrittene Leistungsfähigkeit und ihre Kräfte einsetzen soll.

 

Und doch: In einer Zeit in der alle Nationen – auch und gerade im Westen – wieder anfangen, die eigene Nation mit Militärparaden zu feiern und Ansprüche mit scharfen Worten formulieren, ist ein friedliches, ein freundliches, ein heiteres Bürgerfest, noch dazu in bescheidenem Rahmen, vielleicht genau der richtige Kontrapunkt. Auch in diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Bundesrepublik!