Neue Rekrutierungsansätze für Krisensituationen

Unternehmen, die Ausländer in China beschäftigen, sollten sich vergegenwärtigen, welche Chance die intelligente Rekrutierung der am besten geeigneten Mitarbeiter insbesondere in der Krise birgt. Wer als Ausländer länger im Reich der Mitte lebt, hat bereits einige Erfahrungen mit den steten Veränderungen gemacht, die sich auch auf die Mitarbeiterrekrutierung maßgeblich auswirken. Um nur einige zu nennen: SARS-Virus, Klimaverschmutzung, Visaregelungen und Gesetze, die nur für Ausländer gelten – z.B. das aktuelle Einreiseverbot. Sie erschweren nicht nur das Leben, sondern auch das Anwerben und Halten guter Mitarbeiter. Diesen Schwierigkeiten kann man mit intelligenten Rekrutierungsansätzen begegnen.

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Wer als Ausländer mit Kindern in China wohnt, zahlt grundsätzlich mehr für die Schulausbildung und ist somit teurer für die Firma. Im Umkehrschluss wird Mitarbeitern das Gehaltspaket entwertet, das vorherrschend der Grund ist, mit der ganzen Familie den Lebensmittelpunkt in die Volksrepublik zu verlagern. Stetig neue Visaregelungen, die auslegungsfreudig implementiert werden, überfordern oftmals sogar die chinesischen Behörden selbst. In der Folge kann es dann zu Unwägbarkeiten bis hin zum absoluten Arbeitsverbot kommen.

Mittlerweile ist zu beobachten, dass Ausländer – darunter auch viele hochqualifizierte Talente – bisweilen etwas „chinamüde“ werden, haben sie doch den oben aufgezeigten Katalog bereits durchlebt. Ihre Kündigung ist meist mit einer längeren Abwicklungsphase verbunden und sollte gut vorbereitet werden. Noch viel einschneidender wirken sich nun die Viruskrise oder die neuen Visaregelungen aus. Einreise und Flugverbote können von einem Tag auf den anderen eine ganze Firma nahezu führungslos machen, und zwar über Monate hinweg. Die für den Übergang eingesetzten Videokonferenzen und Heimarbeit funktionieren nur bei Unternehmen, die ein gutes Führungsteam und die für ein sinnvolles Teilen von Wissen nötige Struktur aufweisen. Eine überaus herausfordernde Situation zeigt sich häufig bei Betrieben, in denen z. B. lediglich ein Werkleiter ein Produktionsteam führt, das von täglichen Anweisungen abhängig ist. Wie man sich für solche Situationen besser rüstet und kostspielige Fehler vermeidet – dafür sollte man sich von Chinaexperten beraten lassen.

Die Corona-Krise und die wirtschaftlichen Verluste führen den Unternehmen – nicht nur in China – vor Augen, dass sie über neue Personalstrategien nachdenken müssen, vor allem, was den klugen Einsatz ausländischer vs. inländischer Führungskräfte betrifft. Wir empfehlen, hier auf spezifische Strategien beim frühzeitigen Einsatz von lokalen Führungskräften zu setzen – denn sie sind besonders stabile Mitarbeiter in Krisenzeiten, da sie von vielen Maßnahmen nicht betroffen sind. Ferner ist lokales Personal besonders bereichernd in Branchen, für die ein lokales Netzwerk erforderlich ist. Es kann für einen Ausländer viel schwieriger sein als für einen lokalen Mitarbeiter, Beziehungen zu chinesischen Entscheidungsträgern aufzubauen: Zahlreiche Netzwerke werden in China  – wie auch in Deutschland – schon in der Ausbildungszeit aufgebaut und Ausländer gehören oft nicht zum einflussreichen lokalen Kreis. Hierzulande werden z.B. auf Messen viele gute Kontakte geschlossen und auch Führungskräfte angeworben – dies ist in China eher unüblich. Das Zuschieben von Geschäften zum „eigenen Landsmann“ hingegen ist ein globales Phänomen und spricht ebenfalls für den chinesischen Mitarbeiter vor Ort.

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Was man beim Aufbau von lokalem Personal beachten sollte

Ein Beispiel aus der Praxis gibt Herr Wenzel, Gesamt-Projektleiter Remanufacturing Asia bei Mercedes-Benz Parts Manufacturing. „In unserem Werk in Lingang in Shanghai verfolgen wir einen starken Lokalisierungsansatz. Dies bedeutet, wir halten einen geringen Expat-Anteil (<7%), den wir weiter kontinuierlich reduzieren wollen. Unsere lokalen Mitarbeiter sehen wir als wichtigen Erfolgsfaktor und möchten sie daher langfristig aufbauen. Besonders die notwendige technische Expertise, firmeninterne IT-Systeme und Informationsquellen, Prozesse und Abläufe, aber auch das Netzwerk zu benötigten Schnittstellen und Wissensträgern an anderen Standorten – das alles muss erlernt werden. Auf den Schlüsselpositionen von Expats gibt es oftmals einen definierten lokalen Counterpart, der diese Funktion später komplett übernehmen soll. Besonders in technischen Positionen ist zusätzlich ein mehrwöchiges Training an den Standorten in Deutschland ein integraler Bestandteil – bis hin zu mehreren Monaten.“

Bei der Rekrutierung von lokalen Mitarbeitern fehlt es deutschen Firmen oft noch am Grundverständnis für die kulturellen Unterschiede. Die Wahl wird nach dem „Bauchgefühl“ getroffen und nicht aufgrund von objektiven Kriterien und dem Erfahrungswissen guter Rekrutierung. Am Beispiel der Körpersprache während eines Bewerbungsgespräches wird diese Problematik deutlich: Die chinesische Art ist von Zurückhaltung geprägt; der Händedruck bei der Begrüßung ist nach westlicher Auffassung schlaff, direkter Augenkontakt wird vermieden, die Haltung erscheint unterwürfig. Antworten werden teils zögerlich, leise erteilt, mit häufigem, unnötigem Entschuldigen. Eine solche Körpersprache würde die Einstellungschancen reduzieren, da sie dem deutschen Verständnis von Führungseigenschaften wie Eigeninitiative, aus eigenem Antrieb zu handeln und selbstständig Entscheidungen zu treffen, widerspricht. Im gruppenorientierten China würde aber dieses eher deutsche Führungsverhalten als egoistisch aufgefasst und der Person unterstellt, aus reinem Eigeninteresse zu handeln.

Die erwünschten Kompetenzen müssen also immer im kulturellen Kontext betrachtet werden. Für die Rekrutierungsstrategie braucht man von Beginn an ein einheitliches Verständnis von den kulturellen Normen und Werten – wie Führungsstil, Beziehungs- und Vertrauensbildung, Entscheidungsfindung, Konfliktlösung, Verhandlungs- und Kommunikationsstil. Ist eine lokale Person eingestellt, braucht es ein individuelles Entwicklungsprogramm, damit sie als zukünftige Führungsperson ihr Verhalten in der neuen kulturellen Umgebung reflektieren und daran arbeiten kann, ihre kulturellen Lücken zu schließen.

Fazit

Damit Unternehmen in Zukunft und nicht nur in Krisensituationen ihre Handlungsfähigkeit vor Ort sicherstellen, sollten sie ihre Personalstrategie in China überdenken. Das strategische Rekrutieren und die Entwicklung von lokalen Führungskräften spielen entscheidende Rollen. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind hier tiefe Kenntnisse der Kultur und der lokalen Besonderheiten unentbehrlich.

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Hsiao J. CHIU
Managing Partner at JP contagi Asia | Website

Hsiao J. CHIU ist Mitgründer und Managing Partner von JP contagi Asia, einer lizenzierten deutsch-chinesischen Personalberatung mit Hauptsitz in Shanghai. Als Mitglied der JP-contagi-Gruppe bietet JP über fünf Partnerbüros in Deutschland und der Schweiz seit 2004 HR-Consulting-Dienstleistungen an deutschsprachige Unternehmen in Asien sowie chinesischen Unternehmen in Europa an.

Porträt Kristine Horbach
Kristine Horbach

Kristine Horbach ist Dipl. Jur. und berät als Senior Consultant am Standort
Shanghai.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch