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Die gereichte Hand nicht ausschlagen

Mit ausgestreckter Hand ist der chinesische Chefdiplomat Wang Yi am Wochenende zur Münchner Sicherheitskonferenz gekommen. Und jetzt?

Sowohl gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz als auch im Gespräch mit Außenministerin Annalena Baerbock erklärte er den Willen Chinas, den Beziehungen mit Deutschland neuen Schwung zu verleihen. Nach der Corona-Pandemie erhole sich die Wirtschaft des Landes merklich. Profitieren davon könnten auch deutsche Unternehmen.

Ganz andere Töne sind dagegen in den vergangenen Wochen aus Deutschland zu hören. Die Signale scheinen eher auf ein Gegen-, denn auf ein Miteinander zu stehen. So hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir Anfang Januar auf der Grünen Woche in Berlin klar gemacht, die westliche Welt müsse ihre Bemühungen bei der Versorgung Afrikas mit Lebensmitteln verstärken.

Mehr als eine Hand : Zusammenarbeit

Mit klarer Stoßrichtung: Den Einfluss Chinas auf dem schwarzen Kontinent eindämmen. Wenige Tage später war Bundeskanzler Olaf Scholz in Chile, um eine grüne Rohstoffpartnerschaft mit dem Andenland zu besiegeln. Anstatt China solle Chile der Wunschpartner der Zukunft sein. Auch hier das Signal: Chinas Einfluss im südlichen Amerika sollen Grenzen gesetzt werden.

Denselben Ansatz verfolgte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Anfang Februar bei seinem Besuch in Kambodscha. Die Zusammenarbeit mit dem südostasiatischen Land solle intensiviert werden, um China in der Region das Feld nicht ganz und gar zu überlassen. Gleichzeitig arbeitet die Bundesregierung an einer Wirtschaftsstrategie, die sich ausschließlich China widmet und darauf zielt, weniger vom chinesischen Markt abhängig zu sein.

Um es klar zu sagen: Es ist absolut nichts dagegen zu sagen und absolut zu begrüßen, dass Deutschland Zukunftsstrategien entwickelt und strategische Partnerschaften schließt, um die eigene Wirtschaft zu stärken und im globalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden. Das macht China auch. Es gibt allerdings einen Unterschied: Chinas Strategien formulieren nicht den Willen, andere Länder ‚auszuschalten‘, sondern zielen darauf, die eigenen Stärken zu stärken. Definiert werden strategische Bereiche, in denen das Land im globalen Wettbewerb führend werden möchte. Sich ehrgeizige Ziele zu setzen, was ist verkehrt daran?

Die Hand ist da: Die Frage ist, wie man sie jetzt behandelt

Anstatt die chinesischen Entwicklungspläne mit Misstrauen zu beäugen, ist es klüger, sich dem Wettbewerb zu stellen. Sich gegenseitig antreiben und gemeinsam von Spitzenleistungen profitieren, die im Ringen um beste Lösungen entwickelt werden, muss das Ziel sein. Dass dabei von jeder Seite eigene Akzente gesetzt werden, ist selbstverständlich, ja es spornt sogar an.

Wer ausgrenzt, grenzt sich auf lange Sicht selbst aus. Wang Yis Offerte auszuschlagen, klug wäre dies nicht. Schlauer ist es, wenn Deutschland seinerseits eigene Vorschläge auf den Tisch legt, um dann Gemeinsamkeiten auszutarieren und in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen wieder durchzustarten. Zum beiderseitigen Vorteil.

Porträt Peter Tichauer
Peter Tichauer

Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.

Die Zeichen stehen zurück auf Wachstum

CFOs planen mit Wachstum in Asien
Quelle: Adobe Stock; © NicoElNino

Asiatische Aktien bieten eine gute Diversifikation gegen die Rezessionsrisiken in den USA und Europa – in China stehen die Zeichen wieder auf Wachstum. Von Tilmann Galler*

Der Einbruch der chinesischen Wirtschaft im Zuge der anhaltenden Lockdowns bis in den Spätherbst, gefolgt vom massiven Infektionsanstieg im Dezember, ließ die ohnehin gebeutelten Aktienkurse in Fernost weiter leiden. Pünktlich zum kürzlich begonnenen ‚Jahr des Hasen‘, das für Ruhe, Besinnlichkeit und Langlebigkeit stehen soll, stehen die Zeichen in China nun wieder auf Wachstum.

Wir erwarten für 2023 eine konjunkturelle Erholung in China. Vor allem der Dienstleistungs- und Tourismussektor dürfte davon in den nächsten Monaten profitieren. Das Wirtschaftswachstum und damit die Gewinnaussichten der Unternehmen der Region haben das Potenzial, die Erwartungen an den Märkten zu übertreffen. Dies dürfte Aktien der gesamten Asien-Pazifik-Region beflügeln und damit einen Abschwung in den USA oder in Europa kompensieren.

Wirtschaft erholt sich nach überstandener erster Infektionswelle

Wie stark sich Lockdowns und Masseninfektionen auf die Wirtschaft Chinas ausgewirkt haben, zeigt der Blick auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP): 2022 fiel das BIP gegenüber dem Vorjahr um 2,9%. Chinas Schwäche belastete die Exportdynamik der ganzen Region: Ab Mitte 2022 waren die Exporte der asiatischen Handelspartner nach China im Jahresvergleich rückläufig.

Inzwischen deutet aber Vieles darauf hin, dass die meisten Provinzen und Städte die Post-Öffnungs-Infektionswelle überstanden haben und sich die Wirtschaftstätigkeit zu erholen beginnt. So haben sich bis Mitte Januar die Passagierströme in den U-Bahnen in Peking und Shanghai auf 60 bis 70% gegenüber dem Niveau vor COVID erholt. In Shenzhen wurde sogar das Niveau vor der Pandemie überschritten.

Für die anziehende chinesische Konjunktur sehen wir vor allem eine Ursache: Vergleichbar mit den USA und Europa vor 18 Monaten besteht heute in China ein erheblicher Nachholbedarf in der Konsumnachfrage. Einschränkungen und Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Aussichten führten zu einem Anstieg der Sparquote in China, die zwischen 2020 und 2022 durchschnittlich 33% betrug, mehr als 4 Prozentpunkte höher als der Durchschnitt zwischen 2015 und 2019. Diese Mittel stünden nun für Ausgaben zur Verfügung.

Nach Corona stehen die Zeichen auf Wachstum in China, aber auch Asien insgesamt

Dienstleistungen und Tourismus dürften am stärksten profitieren

Der Aufholeffekt dürfte vor allem Dienstleistungen zugutekommen: Insbesondere der Tourismus sollte zu den großen Nutznießern der Öffnung gehören. Bereits vor der Pandemie im Jahr 2019 reisten mehr als 150 Mio. Chinesen ins Ausland und gaben insgesamt 255 Mrd. USD aus. Dies machte insgesamt rund 17% des weltweiten Marktes für Auslandsreisen aus.

Wenn nun die chinesischen Touristen zurückkehren, wird dies zunächst vor allem in Asien sein. Hongkong und Thailand könnten davon am stärksten profitieren – die chinesischen Touristenausgaben entsprachen im Jahr 2019 bereits 5,6 beziehungsweise 3,2% ihrer jeweiligen Wirtschaftsleistung. Seit Ende November ist die Zahl der internationalen Flüge aus China bereits wieder um mehr als 20% angestiegen.

Die Verkäufe von Konsumgütern könnten aufgrund des zunehmenden Verbrauchervertrauens ebenfalls anziehen. Daten der nationalen Steuerbehörde zeigten, dass die Chinesen im Januar die neue Freiheit für ausgiebiges Shopping genutzt haben. Der Wachstumsimpuls durch die aufgestaute Nachfrage dürfte deshalb nicht nur die chinesische Wirtschaft, sondern die asiatischen Volkswirtschaften insgesamt beleben und damit die negativen Effekte einer abschwächenden europäischen und US-Wirtschaft mindestens zum Teil kompensieren können.

Quelle: CEIC, FactSet, Development of Tourism Thailand, General Statistics Office Vietnam, Tourism Malaysia, Korea Tourism Organization, Tourism Research Australia, Hong Kong Tourism Board, Singapore Tourism Board, Japan National Tourist Organization. Daten per 27. Januar 2023.

Asiatische Aktien bieten eine gute Diversifikation für das Portfolio

Der wirtschaftliche Aufwärtstrend dürfte sich nach dem chinesischen Neujahrsfest fortsetzen, wenn auch mit einer möglichen Sektorrotation. Sobald die Erwartungen auf eine Erholung des Konsums eingepreist sind, könnten Investorinnen und Investoren zurück in langfristige Themen wie die Green Economy und das Wachstum von fortschrittlicheren herstellenden Gewerbezweigen rotieren. Diese strategischen Sektoren werden bei der langfristigen Restrukturierung der chinesischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen und von einer zunehmend entgegenkommenden politischen Umgebung profitieren.

In Europa und den USA hingegen erscheint aus seiner Sicht ein erwartetes Gewinnwachstum von 2% für das Kalenderjahr 2023 vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession dagegen immer noch zu hoch. In Asien sind die Erwartungen bereits kräftig gefallen. Wir stehen da eher vor der Situation, dass die Erwartungen eventuell zu niedrig sind und sich das schnelle Ende von Zero-COVID noch nicht in verbesserten Gewinnerwartungen niedergeschlagen hat. Asiatische Aktien bieten somit eine gute Diversifikation gegen die Rezessionsrisiken in den USA und Europa.

Tilmann Galler

*) Tilmann Galler, Executive Director, CEFA/CFA, arbeitet als globaler Kapitalmarktstratege für die deutschsprachigen Länder bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. www.jpmorganassetmanagement.de/deu/marketinsights

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Neu: China Private Equity Bericht 2023 ist da

Auch die chinesische Private Equity Branche sah sich 2022 mit starkem Gegenwind konfrontiert. 2023 dürfte vieles besser laufen.

Die Gründe sind hinlänglich bekannt: Dieser Gegenwind basierte auf Faktoren wie eine sich verlangsamende Wirtschaft, die Beschränkungen des Covid-19-Lockdowns, eine verstärkte aufsichtsrechtliche Kontrolle und die weltweit höheren Zinssätze, die die Bewertungen an den öffentlichen Märkten belasteten. PE-Exits und Fundraising waren im vergangenen Jahr eine Herausforderung, stellt BDA Partners in ihrem jüngsten PE-Report fest.

Der chinesische Markt erlebte jedoch in den letzten Monaten einen dramatischen Wandel, als die Null-Covid-Politik des Landes gelockert und die Grenzen wieder geöffnet wurden. Die chinesische Regierung ergriff Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und der Investitionen des Privatsektors. In dem neuen Bericht werden die Ansichten dargelegt, wie sich diese Veränderungen auf die PE-Aktivitäten und den chinesischen M&A-Markt im Jahr 2023 auswirken könnten.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Private Equity Bericht sind:

– Die Abschaffung der Nullzins-Politik wird Sektoren wie Konsum, Tourismus und Immobilien zugutekommen. Chinas Wachstumsstory wird wieder in den Fokus rücken und das Vertrauen der Investoren in die chinesische Wirtschaft werde wahrscheinlich wieder steigen. Mit Blick auf die Zukunft dürften die Branchen Konsumgüter und Einzelhandel, Fertigung, Energie und Ressourcen, Biowissenschaften und Gesundheitswesen sowie Logistik und Lieferketten wahrscheinlich die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

– Der chinesische M&A-Markt, an dem Finanzsponsoren beteiligt sind, wird von den Investitionen von China GP in inländische Unternehmen dominiert werden. BDA Partners erwarten für 2023 auch eine Zunahme der Auslandsinvestitionen von GP, um ihr Portfolio außerhalb Chinas zu diversifizieren.

Trade Sales und Börsengänge waren im Jahr 2022 schwierig, was zu Verzögerungen beim Ausstieg aus Portfoliounternehmen und bei der Mittelbeschaffung für PEs führte. Für 2023 erwartet BDA Partners eine größere Anzahl von Exits von Portfoliounternehmen, da mehr hochwertige Vermögenswerte auf den Markt kommen werden. BDA gehe davon aus, dass die verschärften Vorschriften und der lange Rückstau bei öffentlichen Notierungen weiterhin Schwierigkeiten für den Ausstieg aus Börsengängen mit sich bringen werden und dass der Verkauf von Unternehmen im Jahr 2023 ein wichtiger Ausstiegsweg für PEs sein werde.

– PEs werden sich im Jahr 2023 wahrscheinlich darauf konzentrieren, durch Exits von Portfoliounternehmen Kapital an LPs zurückzugeben. BDA geht davon aus, dass die Mittelbeschaffung in diesem Jahr relativ verhalten bleiben wird, gefolgt von einer verstärkten Mittelbeschaffungsaktivität ab 2024, wenn PEs mehr Exits durchführen – und ihr Kapital für neue Investitionen aufstocken müssen.

Laden Sie hier den vollständigen Bericht herunter

Über BDA Partners

BDA Partners ist der globale Investmentbanking-Berater für Asien mit über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Beratung bei grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen, Kapitalbeschaffung und finanziellen Umstrukturierungen. BDA Partners unterhält strategische Partnerschaften mit William Blair, einem führenden globalen Investmentbanking-Unternehmen, und mit der DBJ (Development Bank of Japan), einer japanischen Staatsbank mit einem Vermögen von 150 Mrd. USD. www.bdapartners.com

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FC Bayern München investiert stark in China

Allianz Arena am Abend des Events

Einen Tag vor dem Rückrundenstart der Bundesligasaison wurde es beim FC Bayern München chinesisch.

Das China Forum Bayern hatte zu einem exklusiven Mitgliedertreffen in die Allianz Arena zu einem Vortrag des FC Bayern eingeladen. Und das nicht ohne Grund. Denn der FC Bayern investiert deutlich im Fussballaufbauland China. Mit Erfolg. Was man daran sieht, dass beispielsweise die Posts zum chinesischen U-19 Torhüter Nachwuchs Talent Liu Shaoziyang zum FC Bayern die höchsten Reichweiten überhaupt erzielen. 2021 hatte der FC Bayern das chinesische Torwarttalent vom Kooperationspartner FC Wuhan Three Towns für die Nachwuchsmannschaft verpflichtet. Solche Entwicklungen sind auch das Ergebnis einer klaren Strategie. Denn seit der Eröffnung des Büros in Shangahi in 2016 hat der FC Bayern bereits vier Fußballschulen aufgebaut, viele chinesische Trainer ausgebildet und zahlreiche Nachwuchstalente gefördert.

Über die vielfältigen Aktivitäten des deutschen Rekordmeisters in China berichtete an dem Abend dann Philipp Wunderlich, Head of East Asia des FC Bayern München. Er zeigte in seinem inhaltsreichen, sehenswerten und informativen Vortrag auf, wie man es geschafft hat, die Marke „FC Bayern München“ in der Volksrepublik zu profilieren und eine riesige Fangemeinde aufzubauen. Neben zahlreichen Events, Werbepartnerschaften betreibt man dafür auch eine intensive Medienarbeit.

Im Anschluss an den Vortrag von Philipp Wunderlich konnten die knapp 50 Teilnehmer Einblicke in die Allianz Arena erhalten, die man sonst nicht so bekommt. Man lernte vieles über den pflegeintensiven Rollrasen, konnte auf der Auswechselbank „sitzen“ und die Umkleidekabinen genauso wie die Kältebäder besichtigen, die Spieler zur Regeneration nach dem Spiel einnehmen.

Stefan Geiger, Vorstand beim China Forum Bayern, leitete durch das Event

Auch für Stefan Geiger, Geschäftsführer des Chinaforum e.V., der durch den Abend leitete, war es ein großes Highlight. Er hatte dem Abend schon lange entgegenfiebert. Denn schon seit dem 15.01.2008 – an diesem Tag wurde der FC Bayern Mitglied im Chinaforum – spukte bei ihm die Idee eines solchen gemeinsamen Events vom FC Bayern und dem China Forum Bayern im Kopf herum.

Umso mehr freute es ihn, dass die Mitglieder nach der Stadiontour sich intensiv beim gemeinsamen Abendessen austauschten, dabei viel über China sprachen und auch viele neue Kontakte untereinander geknüpft wurden. An den Abend werden sich viele gerne erinnern.

Chefredakteur Georg von Stein beim Event

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Marktkommentar : Wendepunkt – durch Chinas Wiedereröffnung der Märkte

Deutsche Finanz-Manager blicken nach Asien
Quelle: AdobeStock; © moofushi

Bildnachweis: pixfly – stock.adobe.com.

Nachfolgend der aktuelle Marktkommentar von Dina Ting, CFA, Leiterin des Global Index Portfolio Management, Franklin Templeton – ETFs 

Die Stimmung an den internationalen Märkten ist nach wie vor gut, was auf attraktive Bewertungen und die Wahrscheinlichkeit einer Aufwertung der Landeswährung zurückzuführen ist, die internationalen Aktien Auftrieb verleiht. China, als einer der größeren internationalen Märkte, verdient eine genauere Betrachtung, da es im letzten Jahr der relative Nachzügler war.

Mit der kürzlichen Wiedereröffnung des chinesischen Marktes wurde das neue Jahr zum ersten Mal seit drei Jahren in so großem Umfang gefeiert, was zu erhöhten Ausgaben und mehr Reisen führte.

Die Anleger haben die Rückkehr Chinas sehnlichst erwartet. Die Wiedereröffnung des Landes – wie holprig sie auch sein mag – hat die Ängste der Märkte gemildert und zu einer Erholung der chinesischen Währung geführt. Seit November, als China begann, seine strengen Covid-Regeln zu lockern, ist der Renminbi bis Ende Januar um 7 % gestiegen. Dies hat die Marktperformance seit Jahresbeginn beflügelt, und der FTSE China Index ist um 11,6 % gestiegen.

Da China seine Grenzen wieder öffnet und auch der Inlandsreiseverkehr zunimmt, ist das Streben nach Herdenimmunität sicherlich mit Risiken verbunden. Das Wachstum in China wird jedoch voraussichtlich auf 5,2% für das Jahr ansteigen, was die rasche Verbesserung der Mobilität widerspiegelt. Angesichts der langsameren Wachstumsprognosen für die Industrieländer im Vergleich zu den Schwellenländern für 2023 konzentrieren sich Anleger nun weitgehend auf eine Erholung der Schwellenländer.

Dina Ting, Franklin Templeton – ETFs

Die jüngsten Prognosen des IWF gehen von einem Wachstum in den Schwellenländern von 4% im Jahr 2023 aus, was bedeutet, dass die Anleger eine strategische Allokation vornehmen sollten. Das globale Wachstum mag insgesamt noch schwach sein, aber die Wiedereröffnung Chinas dürfte einen bemerkenswerten Wendepunkt markieren.

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China führt staatlich kontrollierte NFT-Plattform ein

Seit 2019 ist der Handel mit Kryptowährungen in China untersagt. Doch führte China nun eine natürlich staatliche kontrollierte NFT-Plattform ein. Von Jacqueline Lehmann*

Und das, obwohl die digitalen Sammlerstücke wie Kryptowährungen auf der Blockchain verwaltet werden. Um den Handel mit NFTs besser zu regulieren, hat die Regierung zu Beginn des Jahres einen NFT-Marktplatz eingeführt. Und dieser unterliegt staatlicher Kontrolle. Trotzdem scheint es ein Fortschritt für die Krypto-Welt in China zu sein. Welche Änderungen werden durch die neue Plattform entstehen? Welche Ziele sollen erreicht werden? Und hat der NFT-Marktplatz wirklich Potenzial oder wird er bald ebenfalls verboten werden?

Die NFT-Plattform

Non-Fungible Token (NFT) werden in China als digitale Sammlerstücke bezeichnet. Obwohl Kryptowährungen dort als Besitz in Form virtuellen Eigentums anerkannt werden, ist der Handel damit verboten. Das ist auch der Grund für die staatliche Kontrolle der neuen Plattform. So können NFTs auf dem Marktplatz einzig und allein mit Fiat-Geld (Geld aus dem Nichts = Zentralbankgeld) erstanden werden und nicht wie im Normalfall mit Kryptowährungen.

Bildquelle: Adobe Stock; © Eisenhans

Erst vor kurzem wurden NFTs von dem chinesischen Internetgericht Hangzhou als virtuelles Eigentum eingestuft. Der neue Marktplatz nennt sich China Digital Asset Trading Platform. Neben dem NFT-Handel sollen hier auch Geschäfte mit anderen digitalen Assets durchgeführt werden können. Die staatliche chinesische Technologiebörse, das staatliche Art Exhibitions China, sowie das private Unternehmen Huaban Digital Cobyrights Ltd. arbeiten hier zusammen. Außerdem findet eine Zusammenarbeit mit dem Finanzinstitut Zhongrong Global Holdings statt. Die Blockchain China Cultural Protection Chain hält als die Basis der Plattform hin. Im Gegensatz zu herkömmlichen Blockchains benötigt diese keine Erlaubnis.

Die Kulturindustrie vorantreiben

Die Einführung der neuen NFT-Plattform ist ein Teil von Chinas nationaler kultureller Digitalisierungsstrategie. Damit betritt das Land einen Schritt weiter den Krypto-Sektor. Das Ziel des NFT-Marktplatzes soll ein Vorantrieb der Kulturindustrie Chinas sein. In Zukunft sollen auch Museen und Kulturzentren NFTs für sich nutzen können, so das Chinese Cultural Relics Exchange Institut, das an der Blockchain-Entwicklung beteiligt war. Die digitalen Sammlerstücke können nämlich auch als Kunstwerke betrachtet werden.

© zapp2photo

Chinas Krypto-Vergangenheit

Gründe für das Mining-Verbot, das seit 2021 in China herrscht, sind mögliche Risiken bezüglich Geldwäsche oder anderen illegalen Machenschaften. Folglich entschied sich, dass die Einsicht der Transaktionen der Einwohner über digitales Zentralbankgeld (CBDCs) erfolgen soll, wie z.B. dem digitalen Yuan – der Währung Chinas. Seit Mining verboten wurde, können Server-Farmen nicht mehr innerhalb des eigenen Landes arbeiten und es unterstützen. Das Verbot hatte seinen Ursprung in der Anonymität und Dezentralität der Blockchain. Die Miner zog es infolgedessen in anderen Regionen.

Nachbarstaaten wie die Mongolei und Kasachstan haben beispielsweise den Vorteil, dass dort recht niedrige Strompreise herrschen. Und in Texas können die Kapazitäten zu einem festen Preis von den Stromanbietern erworben werden. Grund dafür ist die Abkopplung des restlichen US-Stromnetzes. Für Miner sind niedrige Strompreise essenziell, da das Schürfen mit großen Rechenleistungen und Stromverbrauch verbunden ist. Aufgrund des Mining-Verbotes sanken die globale Hashrate sowie die Rechenleistung des Bitcoin-Netzwerkes in China. Zusätzlich findet Mining teilweise geheim statt, wobei die Schürfer-Aktivitäten durch die Verwendung vorhandener Hardware verborgen werden. Motivierte Miner lassen sich demnach trotz drohender Strafen nicht von ihrer Arbeit abhalten.

Muss man mit einem Verbot des Marktplatzes rechnen?

Bei vielen Krypto-Enthusiasten ist Misstrauen infolge von Chinas Krypto-Vergangenheit weiterhin vorhanden. Schließlich wurde all das verboten, worüber der Staat keine Kontrolle hatte, obwohl das nicht dem Sinn hinter Krypto entspricht. Krypto-Handel sollte eigentlich anonym ablaufen und Anleger nicht die Größe ihrer Besitztümer angeben müssen. Die Einstellung Chinas hat sich in der Vergangenheit schon einmal von jetzt auf gleich verändert. So befürchten einige Anleger dies nun auch für die neue NFT-Plattform. Derzeit ist die staatliche Kontrolle zwar vorhanden, doch trotzdem ist ein weiteres Verbot in Zukunft möglich. Man sollte die Plattform demnach so lange wie möglich nutzen und genießen.

Jacqueline Lehmann

Fazit

Mit der Einführung des NFT-Marktplatzes macht China einen weiteren Schritt in den Krypto-Sektor. Da viele Gegebenheiten in Bezug auf Krypto jedoch in der Vergangenheit verboten wurden, sorgen sich Anleger nun auch um ein NFT-Handels-Verbot. Und diese Sorge ist berechtigt. Denn die Regierung in China will stets alles unter genauer Kontrolle haben. Eine Änderung der Regeln und Gesetze könnte es jederzeit geben. Daher ist wichtig, die Plattform so lange für sich zu nutzen, wie es geht.

*) Jacqueline Lehmann ist CEO der Ledger21 AG, einer Tochtergesellschaft der Green Capital & Beteiligungen AG.  https://www.greencapital-b.ch/

China könnte im Jahr des Hasen durchstarten

China könnte nach einem wirtschaftlich schwierigen Jahr und schlechter Stimmung an den Börsen vor Erholung und Wiederaufschwung stehen. Von Jimmy Chen*

Für die chinesischen Aktienmärkte war 2022 das zweite schwierige Jahr in Folge, bedingt durch Chinas strikte Null-Covid-Strategie, das harte Durchgreifen der Regulierungsbehörden gegen Unternehmen sowie die eskalierenden geopolitischen Spannungen. Gegen Ende des Jahres zeichnete sich allerdings ein grundlegender Wandel ab: Die chinesische Regierung hob die meisten ihrer Covid-Beschränkungen auf, die Industriepolitik wurde wieder unternehmensfreundlicher und es wurden einige Fortschritte bei der Eindämmung geopolitischer Spannungen erzielt. Zudem wird erwartet, dass die Inflationsrate in China moderat bleibt, so dass die makroökonomische Politik weiterhin locker bleiben kann.

Gute Voraussetzungen für starke Performance

Unserer Ansicht nach dürfte das Jahr 2023 von einer Wachstumsbeschleunigung und einer Erholung der Anlegerstimmung geprägt sein. Die KGV-Bewertung chinesischer Aktien ist im historischen Vergleich nach wie vor günstig.1 Daher sind wir der Meinung, dass chinesische Aktien im Jahr des Hasen die Voraussetzungen für eine starke Performance haben.

Im Jahr 2022 waren die Null-Covid-Maßnahmen der chinesischen Regierung die größte Belastung für das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen. Ab dem 8. Januar 2023 wurden jedoch alle verbleibenden Covid-Beschränkungen aufgehoben. Die schlechte Nachricht ist, dass dadurch das Tempo der Covid-Infektionen rasant ansteigt und das Gesundheitssystem überlastet wird.2 Dafür wird China den Höhepunkt der Infektionen voraussichtlich früher erreichen und die Wirtschaftstätigkeit sich schneller als erwartet erholen.

Unternehmensfreundliche Industriepolitik

Darüber hinaus ist die Industriepolitik unternehmensfreundlicher geworden. Dies zeigt sich etwa daran, dass das fast zweijährige harte Vorgehen gegen Tech-Plattformen anscheinend gelockert wird, wie der jüngste Abschluss der Kapitalerhöhung von Ant Financial zeigt.3 Auch die Vergabe von Glücksspiellizenzen wurde im April nach einem achtmonatigen Stillstand wieder aufgenommen, und die Unternehmen Tencent und Netease erhielten ab September ihre Genehmigungen.4 Die Regierung lockert auch die Vorschriften für Bauträger, nachdem die Bemühungen um einen Schuldenabbau zu einer Liquiditätskrise in der Branche geführt hatten. Auf makroökonomischer Ebene profitiert die Volkswirtschaft davon, dass die inländischen Lieferketten stabil geblieben sind und es zudem kein „Helikoptergeld“ gab, so dass die Inflation moderat ist und die Finanz- und Geldpolitik damit weiterhin locker bleiben kann.5

Stabilisierung der Beziehungen mit den USA

Die Beziehungen zwischen China und den USA haben sich zuletzt stabilisiert. Im November trafen sich der chinesische Präsident Xi Jinping und der US-Präsident Joe Biden zum ersten Mal als Staatsoberhäupter persönlich, um die Arbeitsbeziehungen wiederherzustellen.6 Ebenso wurde den Wirtschaftsprüfern des U.S. Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) von der chinesischen Aufsichtsbehörde im September in Hongkong endlich gestattet, Unterlagen zu US-amerikanischen Aktien-Hinterlegungsprogrammen (ADR) zu prüfen. Das PCAOB äußerte sich zufrieden zu den ersten Überprüfungen. Damit sank das Risiko erheblich, dass chinesische Unternehmen gezwungen sein könnten, ihre Börsennotierung in den USA aufzugeben.

China and Germany flags on chess pawns on a chessboard. 3d illusAll diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass Präsident Xi Jinping, wie andere chinesische Führer seit Deng, einen pragmatischen Ansatz verfolgt, um ein Gleichgewicht zwischen sozialer Stabilität und Wirtschaftswachstum herzustellen. Während es im Oktober zu einer schweren Marktpanik kam, nachdem Xi auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei als bislang erster Präsident für eine dritte Amtszeit wiedergewählt worden war, scheint diese Angst bisher unbegründet zu sein.

Unternehmen setzen zur Erholung an

Unsere Analyse legte nahe, dass die chinesischen Unternehmen, die von der Wiedereröffnung Chinas und von langfristigen Qualitätswachstumsfaktoren profitieren, für Aktienanleger im Jahr 2023 eine gewinnbringende Kombination darstellen könnten. Anta Sports, Suofeiya und Focus Media verfügen über diese Voraussetzungen; sie sind führend ihren Bereichen Sportbekleidung, maßgefertigte Möbel und Werbung aufgrund ihrer ständigen Innovationen und ihrer ständig wachsenden Präsenz.

*) Jimmy Chen ist Portfoliomanager des Comgest Growth China Fund

1 https://www.ft.com/content/7aac1c58-883e-45f6-95cf-21687f426cab
2 https://www.reuters.com/world/china/chinas-healthcare-system-put-test-covid-curbs-fade-2022-12-10/
3 https://www.cnbc.com/2023/01/04/ant-gets-approval-to-expand-its-consumer-finance-business.html
4 https://technode.com/2022/12/29/tencent-and-netease-secure-major-game-approvals-at-the-end-of-2022/
5 https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-12-18/china-hints-at-pro-business-push-smaller-fiscal-boost-in-2023
6 https://www.reuters.com/world/ahead-tense-g20-summit-biden-xi-meet-talks-2022-11-14/

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Chinas Rückkehr zur Normalität

Die chinesische Wirtschaft erholt sich rascher als erwartet – zurück zur Normalität also? Von Cosmo Zhang, Analyst Emerging Markets Fixed Income, Vontobel

China hat früher als erwartet wiedereröffnet, und obwohl die Corona-Infektionsraten in den meisten Städten ihren Höhepunkt erreichen, was sich kurzfristig auf die Wirtschaftstätigkeit auswirkt, rechnen wir damit, dass sich die Wirtschaft früher erholt als ursprünglich prognostiziert.

Die innerstädtische Mobilität ist bereits wieder auf etwa 75% des Niveaus vor der Pandemie gestiegen, zugleich lösten sich Logistikengpässe rasch auf. Während die U-Bahn-Passagierzahlen in 18 Städten 10–15% und die Verkehrsstaus in 46 Städten rund 25% unter dem Vor-Covid-Niveau blieben, stiegen der Bahn- und Straßengüterverkehr und der Warenumschlag in den großen Häfen in der vergangenen Woche stark an. Auch Inlands- und Auslandsreisen nahmen in den letzten Wochen mit der Rückkehr zum regulären Arbeitsleben deutlich zu.

Obwohl die große Covid-Welle abzuflachen scheint, besteht weiterhin Unsicherheit über zukünftige Infektionswellen oder neue Virusvarianten; nach dem chinesischen Neujahr am 22. Januar ist jedoch eine Rückkehr zur Normalität in den meisten Wirtschaftsbereichen wahrscheinlich.

Wirtschaftsaktivität dürfte sich rasch erholen

Unter Berücksichtigung saisonaler Effekte erwarten wir, dass sich die Wirtschaftsaktivität nach Februar erholen wird. Bedenken hinsichtlich möglicher Unterbrechungen der globalen Lieferketten halten wir für übertrieben, da das Risiko von Produktionsausfällen aufgrund der saisonal geringen Auslastung und auch der hohen Lagerbestände begrenzt ist. Wir sehen auch Produktionsengpässe und hohe Inflation nur als begrenzte Risiken. Unsicher sind wir aber hinsichtlich der Frage, wann und wie rasch sich das Konsumentenvertrauen, die Kaufkraft und Nachfrage insbesondere nach hochpreisigen Gütern wie Autos und Immobilien erholen werden.

Auf die Änderung von Chinas Politik ab Ende 2022 hin reagierten die wichtigsten Märkte positiv und fast alle Sektoren, insbesondere aber Fluggesellschaften, Gesundheitswesen, Immobilien und auch der Glücksspielsektor in Macau haben profitiert. Auch nach der jüngsten starken Kursrallye in der Region Greater China ist unser Ausblick für die nächsten sechs Monate positiv. Die chinesische Regierung wird alle Anstrengungen unternehmen, um das Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 durch geld- und fiskalpolitische Maßnahmen anzukurbeln. Die Finanzierungsbedingungen werden sich erheblich verbessern, wobei die Inflation in Zukunft noch weiter steigen könnte.

Die Kombination aus der zunehmenden Mobilität und der Lockerung der Regulierungsvorschriften für die Sektoren Immobilien und Big-Tech deutet darauf hin, dass die Erholung früher und stärker als erwartet ausfallen könnte. Zwar dürften die Exporte und die Infrastrukturinvestitionen trotz staatlicher Unterstützung zurückgehen. Die Auflösung überschüssiger Ersparnisse aus der Pandemiezeit und die Wiederaufnahme der Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen kann aber die Beschäftigung und das Haushaltseinkommen fördern. Beides sollte das Konsumwachstum im Jahr 2023 ankurbeln.

Neue Normalität ?

Chinesische Hochzinsanleihen auch 2023 attraktiv

Früher oder später dürfte sich der Marktfokus von sinkender Inflation auf das Tempo des Wirtschaftswachstums verlagern. Bis dahin bestehen aber zunächst Unsicherheiten in Bezug auf Inflation und Zinsen.

Starke Kreditkennzahlen deuten darauf hin, dass Emittenten aus Schwellenländern gut positioniert sind angesichts eines sich fundamental eintrübenden globalen Umfelds. Wir glauben auch, dass der chinesische Immobiliensektor die Wende geschafft hat. auch wenn es bis zu einer nachhaltigen Erholung noch etwas dauern wird. Wir sind der Ansicht, dass die Anleihekurse immer noch günstig sind. Unsere Einschätzung für den Sektor ist daher weiter positiv.

Mehr über Vontobel Asset Management finden Sie auch hier bei Twitter

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„Should I stay or should I go?“*

© Golib Tolibov – stock.adobe.com

Bildnachweis: Golib Tolibov – stock.adobe.com.

Kaum denkbar, dass die britische Punkrockband The Clash Ende 1981 an China dachte, als sie ihr Album mit dem Song „Should I stay or should I go“ veröffentlichte! Gleichwohl ist die Frage im Zusammenhang mit China mehr als aktuell. Ausgelöst durch den chinesischen Lockdown wie auch durch die anhand der Schiffskollisionen im Suezkanal sichtbar gewordenen Gefahren des Transports und nicht zuletzt durch die Auswirkungen des Ukrainekriegs stellt sich für Unter­nehmer und Investoren die Frage: „China – Bleiben oder Gehen?“

Diesen und weitere Artikel finden Sie in unserem neuen Investment Guide China / Deutschland – JETZT ALS E-MAGAZIN LESEN

Vorab: China ist aus unseren Augen viel zu wichtig, als dass es substituiert werden könnte. Decoupling und Diversifizierung hin oder her – bessere Alternativen zum chinesischen Markt mit seinem stetigen Wachstumspotenzial werden sich weder heute noch zukünftig leicht finden lassen. Der Anteil der Mittelschicht in China wird weiter steigen, die Kaufkraft wachsen und zu einer großen Nachfrage führen. Und mit dieser Mittelschicht wird China nicht nur viele Talente, sondern auch Innovationen hervorbringen.

Projected share of 25-34 year-olds with tertiary degree across OECD and G220 countries; Quelle: OECD

China treibt Innovationen voran

Zwischenzeitlich kommen vielerlei innovative Trends aus China, und auch die Talente als Treiber dafür. Der Talentpool, den Chinas Universitäten jedes Jahr hervorbringen, übertrifft den von deutschen und anderen westlichen Ländern bei Weitem. Während im 20. Jahrhundert Deutschland, die USA und andere Industrienationen von ihrem Vorsprung bei der Bildung profitierten, sieht es im 21. Jahrhundert zunehmend anders aus. China hat die USA bei Uniabsolventen bereits 2013 überholt. Etwa 17% aller Hochschulabgänger in den darauffolgenden Jahren waren bereits in China zu finden, verglichen mit 14% in den Vereinigten Staaten und Indien. Ein Blick auf die Prognose 2030 der OECD zeigt zudem die erwartete Dominanz von Chinas Talentpool.

Gut ausgebildete Mitarbeiter sind in China also mehr und mehr vorhanden oder Mitarbeiter können binnen Kurzem vor Ort ausgebildet werden. Gleichzeitig halten sich die Lohnkosten noch im Rahmen, jedenfalls dann, wenn nicht in oder sehr nahe an Ballungszentren produziert wird. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten werden vor Ort auf das Großzügigste gefördert – zumindest in wichtigen Schlüsseltechnologiebereichen.

Quelle: https://bzintl.com

Wie sehr Innovation und innovatives Denken in China gefördert werden, zeigt sich auch bei den Patenten. Obwohl in China erst 1985 das erste moderne Patentgesetz in Kraft getreten ist, ist die Volksrepublik heute weltweit der größte Patentanmelder.

Mittlerweile hat China auch die dafür wichtige rechtliche Infrastruktur aufgebaut: Beispielsweise wurde 2014 wurde in Peking die erste auf geistiges Eigentum spezialisierte Justizbehörde geschaffen. 2021 gab es über 18 Gerichte und vier auf geistiges Eigentum spezialisierte Tribunale und insbesondere auch eine Kammer des Obersten Gerichtshofs, die ausschließlich auf Patentangelegenheit ausgerichtet ist.

Besserungen beim Datenschutz

Auch der den Deutschen so wichtige Datenschutz wird im Reich der Mitte nun beachtet und seine Verletzung kann empfindliche Strafen nach sich ziehen. Der chinesische Datenschutz sieht auch einen Schutz von persönlichen Informationen vor. Auf die Einhaltung des Datenschutzes prüfen die Behörden nicht nur ausländische, sondern auch prominente chinesische Unternehmen, z.B. den Fahrdienstleister DiDi. In diesem Fall wohl unvorbereitet, wurden doch zahlreiche Verstöße festgestellt und sanktioniert, etwa das unerlaubte Erfassen und Speichern von Screenshots von Mobilgeräten der Nutzer oder auch die Analyse der Reisepläne der Nutzer ohne deren vorherige Einverständniserklärung.

Quelle: Asia Briefing Ltd.

Hiesige Unternehmen mit Chinabezug gehen oft zu selbstverständlich davon aus, Datenschutz könne nur in Deutschland/der EU gelten, und übersehen so die lokalen chinesischen Bestimmungen.

Und auch beim Thema Bürokratie sollte sich das Verständnis wandeln: Manch einer, der in China die Bürokratie verflucht, wird sich bei seiner Rückkehr nach Deutschland über die vorsintflutliche Digitalisierung der deutschen Amtsstuben entrüsten und verwundert die Augen reiben, wie sich in den letzten 50 Jahren so wenig verändern konnte. Verglichen mit China dürfte Deutschland mittlerweile eher als Entwicklungsland gelten und muss dringend aufholen!

Vorbildliche Infrastruktur

In China kann man die Uhr nach den Zügen stellen, in Deutschland scheinen oft nur die Verspätungen sicher. Das effiziente Bahnsystem steht für die hervorragende Infrastruktur in der Volksrepublik: Flughäfen werden in Rekordzeiten gebaut, das erste eigene moderne chinesische Flugzeug wird demnächst in den regulären Betrieb genommen und E-Mobilität scheint eine chinesische Erfindung zu sein.

Die Investitionen in Infrastruktur sind enorm. Besonders interessant dabei ist für Investoren: Ein großer Teil der Infrastrukturinvestitionen fließt in Industrieparks und Transportinfrastruktur.

Dass deutsche Unternehmen indes bei öffentlichen Aufträgen in China nicht berücksichtigt werden, sollte uns animieren, die Situation genauer zu prüfen und Änderungen herbeizuführen. So könnte man beispielsweise auf politischer Ebene auf Reziprozität drängen, statt China deshalb den Rücken zu kehren!

FAZIT

China ist zu wichtig, als dass man sich dieses Geschäft entgehen lassen dürfte! Die vielen Talente, die hervorragende Infrastruktur und auch die zahlreichen Innovationen bergen auch für unsere Unternehmen große Chancen, daran zu partizipieren. Einzig sie müssen vor Ort sein und aktiv agieren, sonst wird es schwierig, die Gelegenheiten zu ergreifen.

You should stay.

www.roedl.de

* Eine Hommage an Keith Levene, Mitbegründer von The Clash, der am 12. November 2022 verstorben ist.

Joint Venture als Königsweg für die Investition in China

© Blue Planet Studio – stock.adobe.com.

Bildnachweis: Blue Planet Studio – stock.adobe.com.

Wie viele Höhen und Tiefen China in den letzten drei Jahren im Hinblick auf die Pandemiebekämpfung auch erlebt hat, eines muss jeder anerkennen: Dieser riesige Markt erholt sich und öffnet sich wieder für die Außenwelt. Für Unternehmen, die ihre Basis in China neu aufbauen oder erweitern wollen, bleibt das Joint Venture in den meisten Fällen die beste Möglichkeit, die Marktchancen im Reich der Mitte zu ergreifen.

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Seit der Verabschiedung der neuen chinesischen Gesetze für ausländische Investitionen im Jahr 2020 wurden die Hürden für den Eintritt ausländischer Unternehmen in China weiter gesenkt. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind einheitlicher geworden, sodass Unternehmen mit ausländischen Investitionen im Wesentlichen wie lokale Unternehmen behandelt werden können. Im Allgemeinen empfehlen wir ausländischen Investoren, sich in China durch die Gründung eines Joint Ventures niederzulassen, weil dies in vielerlei Hinsicht äußerst vorteilhaft sein kann. Vor diesem Hintergrund stellen wir ­einige der interessantesten und häufig ignorierten Themen für Investoren vor, die wir im Laufe der Jahre bei der Beratung zahlreicher Investoren zu Joint Ventures in China gesammelt haben.

Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken. Quelle: Hoffmann Liebs

Was vor der Gründung eines Joint Ventures zu tun ist

Voraussetzung für ein erfolgreiches chinesisch-ausländisches Joint Venture ist ein Partner, der die gleichen Ziele verfolgt. Wir empfehlen ausländischen Investoren stets, ein Joint Venture mit einem chinesischen Geschäftspartner zu gründen, mit dem sie bereits über langjährige Erfahrungen verfügen. Sich ein vollständiges Bild von einem Unternehmen zu machen ist sehr schwierig und in einer einzigen Due-Diligence-Prüfung oft nicht möglich. Eine langjährige Zusammenarbeit mit einem potenziellen Joint-Venture-Partner hilft, die Geschäftsphilosophie des anderen zu verstehen. Allerdings werden das Geschäftskonzept oder die Geschäftsziele des Gemeinschaftsunternehmens bei den Verhandlungen über die Gründung oft nicht ausreichend berücksichtigt. Unterschiedliche Denkweisen führen dann im Alltag eines Joint Ventures zu vielen Konflikten, denn auch der Gewinn schweißt nicht alle zusammen. Falls notwendig, sollten das gemeinsame Geschäftskonzept und Verständnis füreinander sogar schriftlich vereinbart werden, z.B. durch die Unterzeichnung einer Absichtserklärung oder eines Memorandum of Understanding.

Wie Corona gezeigt hat, ist die direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht für gegenseitiges Vertrauen wichtig. Häufig arbeiten Geschäftspartner viele Jahre zusammen, ohne sich je zu begegnen. Dies mag sich nicht signifikant auf den Geschäftsverkehr auswirken, aber wir legen bei der Prüfung von Joint-Venture-Partnern stets großen Wert auf persönliche Kontakte. Im Jahr 2023 wird es wieder möglich sein, jederzeit nach China zu reisen, und es ist wahrscheinlich, dass Investoren in naher Zukunft keine lange Quarantäne nach Einreise ertragen müssen.

Betrieb des Joint Venture

Der Erfolg eines Joint Ventures wird weitgehend in der Vorphase der Verhandlungen bestimmt. Alle Aspekte des Geschäfts sollten im Joint-Venture-Vertrag oder in der Satzung so detailliert wie möglich vereinbart werden, um die Möglichkeit künftiger Konflikte zu minimieren. Typische Fragen wie die jeweiligen Verantwortlichkeiten der Parteien für den Betrieb des Unternehmens, die Ernennung von Führungskräften in Schlüsselpositionen und der Schutz der Rechte von Minderheitsaktionären sollten im Voraus geklärt werden.

Quelle: Hoffmann Liebs

Viele deutsche oder ausländische Investoren werden nach China eingeladen, um mit ihren Geschäftspartnern Joint Ventures zu gründen. Da ein grundsätzliches Vertrauensverhältnis besteht, können die Parteien probeweise ein Joint Venture in einer eher vereinfachten Form gründen. So wird beispielsweise keine umfassende Joint-Venture-Vereinbarung unterzeichnet, kein detaillierter Gesellschaftsvertrag ausgearbeitet etc. Dies ist in der Praxis durchaus üblich. Geschäftsbeziehungen und die gemeinsame Führung eines Unternehmens sind jedoch zwei völlig verschiedene Themen. Ein vereinfachtes Unternehmenssystem führt häufig zu praktischen Schwierigkeiten bei der Führung. Darüber hinaus sind ausländische Investoren in der Praxis bisweilen nicht in der Lage, den Geschäftsbetrieb in China zu über­wachen, und können sich daher möglicherweise nicht auf vertragliche Vereinbarungen berufen und klare rechtliche Bestimmungen finden, wenn ihre Interessen beeinträchtigt werden. Dies ist für die gesunde Entwicklung eines Joint Ventures äußerst nachteilig. Denn gerade bei Joint Ventures gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Ausstiegsmechanismen

Ein sicherer Ausstiegsmechanismus ist von entscheidender Bedeutung – denn es geht nicht nur darum, dass ausländische Investoren aussteigen können, sondern auch darum, wie sie ihre legitimen Interessen während des Ausstiegsprozesses schützen und das Joint Venture mit einem Minimum an Aufwand beenden.

Wir sind auf allzu viele Fälle von Joint Ventures gestoßen, die nicht aufgelöst werden können. In China ist das Beenden eines Joint Ventures noch immer ein Problem, das nicht so einfach durch einen der Investoren gelöst werden kann, z.B. bei einem Firmenstillstand. Dies geht häufig mit der widerrechtlichen Aneignung von geistigem Eigentum, der Schädigung der Marktposition oder Handelsnamen beider Parteien einher. Die Auflösung eines Unternehmens wird noch komplizierter, sollten noch andere komplexe Sachverhalte vorliegen, etwa wenn eine Partei Sacheinlagen einbringt.

Das chinesische Gesellschaftsrecht enthält zwar einige besondere Bestimmungen für die Auflösung eines Unternehmens, aber wenn einer der Joint- Venture-Partner widerspricht, kann dies ein langwieriger Prozess sein. Viele der uns bekannten Gesellschaftsverträge oder Joint-Venture-Vereinbarungen geben lediglich die ursprünglichen Bestimmungen des Gesetzes wieder, was für den Schutz beider Investoren nur sehr begrenzt hilfreich ist. Das chinesische Recht erlaubt es den Parteien aber, individuelle Vereinbarungen über die Auflösung des Unternehmens zu treffen. Die Flexibilität bei der Anwendung der Parteivereinbarung, insbesondere im Hinblick auf die Beilegung einer Pattsituation im Unternehmen, ist eine Angelegenheit, die jeder Investor sorgfältig abwägen muss.

FAZIT

Damit ein Joint Venture erfolgreich wird, ist einiges zu beachten. Dem Joint Venture sollte möglichst eine langjährige Zusammenarbeit mit einem potenziellen Partner vorausgehen. Das Gelingen des Joint Venture wird weitgehend in der Vorphase der Verhandlungen bestimmt, wobei sich ein Joint Venture zunächst auch in einer vereinfachten Form durchführen lässt. In jedem Fall sollten alle Aspekte des Geschäfts in einem Joint-Venture-Vertrag oder in der Satzung so detailliert wie möglich vereinbart werden. Dazu zählen auch entsprechende Ausstiegsmechanismen. Wer die kritischen Faktoren frühzeitig beachtet, wird auch im Jahr 2023 in China von einem Joint Venture profitieren.

www.hoffmannliebs.de

Bringt der Hase, was er verspricht?

Deutschland China CAI

In wenigen Tagen wird der Tiger vom Hasen davongejagt. Was so unglaublich klingt, geschieht in der Nacht zum 22. Januar: Das Jahr des Hasen löst das Jahr des Tigers ab.

Hasen sind, so heißt es, talentiert, umsichtig, ehrgeizig, auch elegant. Auf Eleganz lässt sich verzichten, wenn es gelingt, das neue Jahr mit Talent und Ehrgeiz zu gestalten, und umsichtig zu handeln.

Nach dem unerwarteten und abrupten U-Turn in der chinesischen Corona-Politik Anfang Dezember und der kompletten Wieder-Öffnung des Landes 30 Tage später ist die Zeit gekommen, erneut durchzustarten, anzuknüpfen an Altem, sich aber auch dem veränderten internationalen Umfeld zu stellen. Lieferketten müssen wieder funktionieren, der persönliche Austausch muss wichtiger als Video-Calls werden, um Unstimmigkeiten schneller aus dem Weg zu räumen und Gemeinsamkeiten zu finden. Dialog mit – und nicht übereinander – das sollte in den Mittelpunkt gerückt werden. Im Kleinen wie im Großen. Im alltäglichen Geschäft wie in der sogenannten „großen“ Politik. Vertrauen muss wiedergewonnen, Zuversicht gestärkt werden.

So sollten wir, in das Jahr des Hasen startend, zuallererst gegenseitige Schuldzuweisungen hintanstellen. Keinem hilft, den anderen zu belehren, was „wissenschaftlich begründet“ oder was „nicht angemessen“ ist. Dass die Pandemie noch nicht vorbei ist, auch wenn sie hier und da bereits als endemisch betrachtet wird, sollte allen klar sein. Es bleibt ein Vor und Zurück. Vorkehrungen zu treffen, damit wir nicht wieder im Jahr 2020 landen, ist nur zu selbstverständlich. Überall auf der Welt. Nachdem die Chinesen vergangenes Jahr fast täglich zum PCR-Test „getrieben“ wurden, dürfte es auch keine große Hürde sein, sich vor dem Besteigen eines Flugzeuges testen zu lassen, letzten Endes zur eigenen Sicherheit. Darüber lamentieren – wozu? Ab und an ist es besser, einmal zu schweigen.

Denn entscheidend ist, dass Geschäftsleute wieder zusammenkommen können, ob in China oder Europa. Entscheidend ist, gemeinsam Ideen zu entwickeln, um die Herausforderungen der Zeit zu lösen. Entscheidend ist auch, Strategien zu formulieren, die nicht darauf zielen, einen Konkurrenten auszuschalten. Es muss darum gehen, die Kraft des Wettbewerbs zu nutzen, um Stärken zu stärken, gemeinsam im gemeinsamen Interesse. Politische Entscheidungen, die einschränken, anstatt Kräfte zu entfesseln, schaden nicht nur der Wirtschaft, sondern gefährden auch den gesellschaftlichen Wohlstand. Sogenannte wertebasierte Wirtschafts- und Außenpolitik sollte immer auch berücksichtigen und akzeptieren, dass Werte anderswo anders betrachtet werden.

Globalisierung mag manchem als gescheitert erscheinen, in die Tage gekommen. Doch wer sich oder andere abkoppelt, manövriert sich nur ins Abseits. Die Globalisierung muss auf neue Füße gestellt werden, innovativer werden. Kein exklusiver Club, sondern ein Modell internationalen wirtschaftlichen Handelns, an dem jedes Land partizipiert – und profitiert.

Illusorisch wäre es zu glauben, nach drei Jahren Pandemie dort fortsetzen zu können, wo Ende 2019, Anfang 2020 vieles zum Stillstand gekommen ist. Nein, der Hase muss schon große Sprünge im neuen Jahr machen. Möge er aber nicht zu viele Haken schlagen –damit es ein gutes Jahr wird.

Peter Tichauer ist ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.

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Schon unsere brandneue Jahresausgabe ‚Anleihen 2022‘ (11. Jg., Erscheinungstermin Dez 2022) gesehen?

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Trends: Rückschritt nach vorne?

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Im Jahr 2021 wurden Waren im Wert von 246,5 Mrd. EUR zwischen Deutschland und der Volksrepublik China gehandelt – also Exporte und Importe. China war damit zum sechsten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner. Gleichzeitig hat die Volksrepublik für deutsche ­Unternehmen einer aktuellen Umfrage der AHK China zufolge an Attraktivität verloren. Nur 51% beabsichtigen demnach, ihre Investitionen in China in den nächsten zwei Jahren auszubauen – 2021 waren es noch 71%. Grund genug zu hinterfragen, wie sich deutsch-chinesische Investitionen 2023 entwickeln und welches die wichtigen Einflussfaktoren sind.

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Zwischen Coronalockerungen, China +1 und verschärfter ­Investitionskontrolle in ­Deutschland: Wohin entwickeln sich 2023 die deutsch-­chinesischen Investitionen?

Bernhard Weber ist erster stellvertretender Vorsitzender des China Netzwerks Baden-Württemberg. Von 2018 bis September 2022 hat er Baden-Württemberg als General Manager der Baden-Württemberg International Economic and Scientific Cooperation (Nanjing) Co. Ltd. in China vertreten. Seit 1994 war er in China tätig, u.a. als kaufmännischer Leiter eines Siemens-Joint-Venture in Nanjing.

Weber: Investitionen aus Deutschland in China werden vor allem unter dem Motto „in China für China produzieren“ getätigt werden – nachdem alle Unternehmen ihre internationale Lieferketten auf Sicherheit und Nachhaltigkeit überprüft und justiert haben. Besonders die von der chinesischen Regierung angesagte Umgestaltung der chinesischen Volkswirtschaft auf ein Zwei-Kreislauf-System, eines für den Binnenmarkt und eines für den Export, macht insbesondere für KMU ein Onboarding in China sinnvoll oder notwendig, um auch in Zukunft chinesische Kunden bedienen zu können. Außerdem kann ein deutsches Unternehmen nur in China vor Ort an der Dynamik des chinesischen Markts teilhaben, chinesische Konkurrenten kennen­lernen und mittelfristig global auch von Bedeutung bleiben. Die chinesische Volkswirtschaft hat allerdings Corona noch nicht hinter sich. Der Zickzackkurs der chinesischen Regierung – von absoluter Kontrolle und ständigem Testen zu fast totaler Aufgabe der Kontrolle – führt schon jetzt zu einem Anstieg der Anzahl an Coronakranken im Land. Die Frage ist, ob die medizinische Versorgung des Landes ausreichen wird oder es dann doch wieder zu neuen Einschränkungen kommt. 2023 wird wirtschaftlich in China ein Jahr der Stagnation sein; nach ­Corona sind einem raschen Wiederaufleben zumindest in Sachen Binnenkonsum indes keine Grenzen gesetzt.

 

Dr. Joachim Arnold ist Chief ­Operation Officer und Head of OCO Germany. Er arbeitet mit Kunden in China und auf der ganzen Welt ­zusammen, um sich auf internatio­nalen Märkten zu positionieren, ­strategische Partnerschaften aufzubauen und Investitionen anzuziehen.

Vogel: Die Deglobalisierung wird 2023 weiter voranschreiten. Die Liefer- und Wertschöpfungsketten zwischen China und Deutschland bzw. Europa werden bereits seit zwei Jahren auf den Prüfstand gestellt. Nun werden Entscheidungen seitens europäischer Unternehmen zu alternativen Zulieferern, eigene Produktions- und Dienstleistungsstandorte in Asien, neben China vor allem Indonesien, Vietnam, Indien sowie Rückverlagerung nach Europa 2023 und 2024 umgesetzt. Wir bei VM bezeichnen diese Unternehmensstrategie als Value Chain Disruption. Ein Rückgang der deutsch-chinesischen Investition für langlaufende Maßnahmen wie z.B. bei BASF und Covestro ist kurzfristig nicht zu erwarten. So ergab die letzte Sommerumfrage der European Union Chamber of Commerce in China, dass ein Viertel der Mitgliedsunternehmen zunächst nicht weiter in China investiert. In den nächsten fünf Jahren erwarten nach einer aktuellen Umfrage der deutschen Außenhandelskammer in China (AHK) aber drei Viertel der Mitgliedsunternehmen weiterhin Umsatzwachstum.

 

Prof. Dr. Jochen Vogel ist Gründer/CEO der Value Management GmbH und des Value Management FOruM für internationale Wertsteigerungsberatung sowie Professor der FOM Hochschule für die Bereiche Performance Management, Strategie, M&A für Industrieunternehmen und Private Equity. Mit seinen Teams berät er CEOs, CFOs und COOs bei der Umsetzung von Wertsteigerungs­projekten inkl. Change Management, z.B. bei Eintracht Frankfurt, Triton, BC Partners oder JP Morgan.

Arnold: Das erste Halbjahr 2023 wird weiterhin von großen Unsicherheiten geprägt sein. Grundsätzlich werden sich die Öffnung der Einreisebeschränkungen und Reduzierung von Quarantänevorschriften positiv auf Investitionsaktivitäten im Verlauf von 2023 auswirken. Ähnlich wie in anderen Teilen der Welt nach der Pandemie ist ein Nachholeffekt ausländischer Investitionen zu erwarten. Zurückgestellte Investitionsprojekte werden mit der Lockerung der Coronavorschriften wieder aufgegriffen und realisiert. Es ist zu erwarten, dass ein Großteil der Investitionsaktivitäten durch regionale Standortverlagerungen und Expansionsprojekte von bereits ansässigen Unternehmen erfolgen wird. Investitionsprojekte von Unternehmen, die ihre erste Produktionsstätte in China aufbauen, gibt es noch relativ wenige, es könnten aber mit der Öffnung wieder mehr werden. Zudem ist mit einer verstärkten Diversifizierung der Standort- und Zulieferstrukturen in Asien zu rechnen. Dies wirkt sich auf existierende Standorte in China aus, die vorwiegend für den lokalen Markt zuständig sein, während exportorientierte Produktionen an andere Standorte außerhalb von China verlagert werden.

Wie begegnet man der zunehmenden „Politisierung“ der wirtschaftlichen Beziehungen und Investmentprojekte zwischen Deutschland und China?

Weber: Unternehmen sollten sich nicht scheuen, diese Themen offensiv mit der deutschen Regierung zu diskutieren. Als Markt bieten die diskutierten Länder Südostasiens nur geringe Chancen im Vergleich zu China; außerdem sind alle diese Länder in der Freihandelszone RCEP zusammen mit China eingebunden und meistens auch wirtschaftlich schon stark von chinesischen ­Akteuren besetzt. Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Lieferketten auf ethische Grundlagen hin ausrichten und dass auch klare Regeln in Europa bestehen, nach denen ausländische Konkurrenten nur dann auf unseren Markt agieren dürfen, wenn sie nachweislich vergleichbare ethische Grundsätze anwenden. Unternehmen, die schon in kritisch diskutierten Regionen, wie Xinjiang, investiert haben, sollten klarstellen, unter welchen Konditionen ihre Mitarbeiter vor Ort arbeiten und entlohnt werden. In Europa und damit auch in Deutschland sollten klare und auch durchsetzbare Regeln für chinesische Investoren herrschen, die streng an den Sicherheitsinteressen unserer Seite orientiert sind und darüber hinaus auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit funktionieren: Wenn eine vergleichbare Investition ausländischer Unternehmen in China nicht erlaubt wäre, sollte das auch nicht für chinesische Unternehmen in Europa möglich sein. Dabei sollte Europa als ein Block handeln und sich nicht in kleinstaatlicher Optimierung verlaufen.

Vogel: Industrie- und Dienstleistungsunternehmen haben durch die Russland-Ukraine-Situation verstanden, dass sie sich flexibler aufstellen müssen. Gewach­sene Infrastrukturen und eine direkte Bahnverkehrsader für Güter zwischen Duisburg und China, hohe Innovationskraft in chinesischen Städten und wertvolle neue Partnerschaften bieten nach wie vor Wachstumschancen. Der weltgrößte, taiwanesische Handyproduzent Foxconn mit großen Produktionsstandorten in China hat im Oktober rund 30% Umsatzrückgang (auf 18 Mrd. USD) gemeldet im Vergleich zum Vorjahresmonat. Insgesamt haben gemäß einer VM-Kunden-Studie die führenden Unternehmen der Branchen Stahl/Metall, Chemie, Maschinen-/Anlagenbau die politischen Risiken bereits neu bewertet, die Investitionsstrategien auf „Halten“ gesetzt. Die weiterhin großen Unsicherheiten der EU- und US-Beziehungen zu China sind ein weiterer Grund dafür, dass in vielen Unternehmen bisher keine komplett neuen Chinastrategien verabschiedet wurden. Das Risikomanagement auch der politischen Risiken wird weiterhin ausgebaut, z.B. werden diese jetzt eher quartalsweise und nicht nur jährlich neu eingeschätzt.

Arnold: Der Einfluss von Regierungsorganisationen und deren Gesetzgebungen auf die Marktentwicklung spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Chinageschäftsplanung von Unternehmen. Dazu ist ein detailliertes Verständnis der Regularien essenziell und es bedarf der Investitionen in lokale Expertise, um deren Auswirkungen auf das eigene Geschäft zu erfassen. Auswirkungen der „Politisierung“ auf die Geschäftstätigkeiten sind sektoral sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gilt jedoch: China ist und bleibt ein sehr wichtiger Markt für deutsche Unternehmen, der allerdings von steigender Komplexität geprägt ist und damit höheren Ressourcenaufwand bedeutet. In diesem Kontext kommt dem Aufbau von Partnerschaften zwischen deutschen Regionen und lokalen chinesischen Regierungen eine wichtige Rolle zu. Export- und Investitionsförderagenturen in Deutschland und China sind hier gefragt, Transparenz der Investitionsbedingungen zu vermitteln und die Kooperation der Marktakteuren zu unterstützen.

Viele deutsche und ausländische Fachkräfte verlassen China, allerdings ist der Talentpool in China sehr groß und wächst auch weiter. Welche Strategien sollten Unternehmen und Investoren im Umgang damit fahren? Welche Implikationen hat das?

Weber: Ich hoffe, dass sich nach dem Ende der Coronakrise in China auch wieder mehr ausländische Fachkräfte in China niederlassen. Besonders wichtig erscheint mir, dass europäische Unternehmen in China nicht nur ausländisches Topmanagement stellen, sondern vielmehr im Mittelbau des Unternehmens Techniker und Manager aus dem Ausland einstellen, um einen echten Austausch von Know-how zu schaffen. Oft ist es heute sinnvoll, in der Führungsrolle eine einheimische Kraft ­arbeiten zu lassen, besonders wenn es darum geht, chinesische Kunden zu überzeugen. Wichtiger als früher wird es sein, dass die ausländischen Fachkräfte sich mehr mit China auseinandersetzen und das Land besser verstehen lernen. Es sollte genauso selbstverständlich sein, in China zu arbeiten, wie in Frankreich oder den USA. Das heißt aber, dass Unternehmen mehr Menschen mit chinesischen Sprach- und Kulturkenntnissen einstellen und ihnen ­interne Entwicklungschancen bieten. Der angesprochene chinesische Talentpool ist eben nicht sehr groß; er ist überaus einseitig und wird fast in Gänze von chinesischen Unternehmen aufgenommen. Daher kosten auch gute und erfahrene chinesische Manager nicht weniger als ausländische Manager.

Vogel: Europäische Firmen hatten bereits in der Vergangenheit gute Erfahrung mit chinesischen Studierenden in Europa. Mittlere und höhere Führungskräfte werden nun ebenfalls aus China stärker „nachgefragt“. Viele Doktoranden aus China in Deutschland werden eher doch nicht nach China zurückkehren. Einer Studie des MarcoPolo und des Paulson Institute zufolge repräsentierten chinesische Forscher ca. ein Viertel bei der renommierten KI-Konferenz 2019. Damit ist von einem weiteren „Brain-Drain“ des chinesischen Talentpools auszugehen, verbunden mit Nachteilen für die chinesische Wirtschaft. Dieser Trend wird sich eher verstärken, weil das chinesische Wirtschaftswachstum aktuell einbricht und die Jobangebote für hoch qualifizierte Chinesen in anderen Teilen der Welt zunehmen, nicht zuletzt in Europa und Deutschland.

Arnold: Die Verfügbarkeit und vor allem die Entsendung von Fachkräften nach China ist in der aktuellen Situation eine große Herausforderung. Insbesondere der kurzfristige Einsatz von Personal macht es für Unternehmen schwierig, vor Ort Projekte durchzuführen. Dies ist einerseits durch die niedrige Planbarkeit der Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter bedingt aufgrund von regionalen Lockdowns, andererseits durch die noch vorliegenden Einreisebedingungen. Das Interesse seitens der Mitarbeiter ausländischer Unternehmen an einer kurzfristigen Entsendung nach China ist derzeit gering. Viele deutsche Unternehmen setzen daher auf eine Lokalisierung der Belegschaft und den Einsatz chinesischer Manager vorzugsweise mit Deutschkenntnissen. In der Tat haben langjährige China-Fachkräfte in den letzten Jahren das Land verlassen, allerdings ist China für viele ausländische Fachkräfte und Manager nach wie vor ein reizvoller Markt und Standort.

Vielen Dank für das Interview.

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