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„Von Made in China zu Innovated in China“

Modernste Industrien im Südwesten: LU Yongzheng, Vizegouverneur von Guizhou, erläutert die Entwicklungsschwerpunkte seiner Provinz.贵州政府代表介绍贵州经济发展重心。

Noch vor zehn Jahren galt Guizhou als eine der rückständigen Regionen in China. Inzwischen zählt die gebirgige Provinz im Südwesten zu den wachstumsstärksten Gebieten des Landes. Seit sechs Jahren liegt Guizhou beständig unter den Top drei der Provinzen mit dem höchsten Wirtschaftswachstum. Auf der von der Euro-Sino Enterprises Association mit Unterstützung der Bank of China organisierten Investitions- und Handelsförderungskonferenz am 6. März in Frankfurt präsentierten hochrangige Repräsentanten der Provinzregierung die Vorzüge ihrer Heimat. Von den positiven Projekterfahrungen vor Ort berichtete ein Vertreter des größten deutschen Softwarehauses SAP.

WANG Shunqing, der chinesische Generalkonsul in Frankfurt, zeichnete zunächst das große Bild der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Deren Dynamik hat sich letztes Jahr sogar noch beschleunigt. Das Handelsvolumen beider Länder belief sich vergangenes Jahr auf 170 Mrd. USD. Damit ist China zum global wichtigsten Handelspartner Deutschlands – noch vor den USA – aufgestiegen.

Kooperationsthemen

Auf die erstaunliche Entwicklung der Provinz und die Kooperationsinteressen  wies LU Yongzheng, Vizegouverneur von Guizhou hin. Die Infrastruktur ist mittlerweile erstklassig. Neben modernen Flughäfen und Hochgeschwindigkeitsbahnen verfügt die Region über ein ausgedehntes Autobahnnetz, das schon in wenigen Jahren eine vergleichbare Dichte wie in Deutschland erreichen wird. Gleichzeitig versucht die Regierung in ihren Entwicklungsplänen Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen. Traditionelle Stahl- und Schwerindustrie ist dort wenig vorzufinden. Stattdessen baut die Provinz gezielt vier Sektoren auf, in der sie auch eine intensive Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Deutschland sucht: Neben der traditionellen Vorzeigebranche der deutschen Wirtschaft, dem Maschinen- und Anlagenbau, möchte Guizhou vor allem auch im Bereich der Zukunftsthemen Big Data sowie Gesundheit und Umwelttechnik kooperieren. Hinzu kommt der Tourismus. Hier kann die Region mit einer einmaligen Landschaften und Sehenswürdigkeiten punkten und positioniert sich mit einem vielfältigen Angebot.

SAP vor Ort

Dass auch große Investoren aus Deutschland bereits Guizhou für sich entdeckt haben, machte der Vortrag  von Andreas Hube von SAP deutlich. Er verantwortet für die Walldorfer Software-Schmiede als Vice President das China Liaison Office. Die Deutschen beschäftigen im ganzen Land mehr als 6.000 Mitarbeiter und zählen 14.000 Unternehmen zu ihren Kunden. Besonders Big Data ist ein wichtiges Thema für SAP. Nach der Teilnahme an der Big Data-Konferenz in der Provinzhauptstadt Guiyang vor zwei Jahren, hat der Konzern im Januar dieses Jahres dort auch ein eigenes Datenzentrum eröffnet. SAP arbeitet aktiv bei staatlichen Programmen wie Internet Plus, Made in China 2025 oder der One-Belt-One-Road-Initiative mit. Dabei wollen die Walldorfer das Reich der Mitte bei der Transformation von einem Massenproduktionsland zu einer Wissensgesellschaft unterstützen. „Ziel ist es, von ‚Made in China‘ zu ‚Innovated in China‘ zu kommen“, resümiert Hube.

„Bei Opel wäre das Potenzial für eine Win-Win-Situation riesig gewesen“

Lange Tradition, ungewisse Zukunft: Opel wechselt von amerikanischen in französische Hände.源远流长,前途未卜:欧宝落入法国人之手。Bildquelle: Fotolia; © Harlekin Graphics

Nach fast neun Jahrzehnten wechselt Opel den Besitzer. Peugeot übernimmt für insgesamt 2,2 Mrd. EUR die Rüsselsheimer Traditionsmarke vom US-Konzern General Motors. Die Franzosen werden nach der Fusion einen Marktanteil von 17% in Europa erreichen und hinter Volkswagen zum zweitgrößten europäischen Hersteller aufsteigen. Indirekt mit dabei: Peugeots Ankerinvestor Dongfeng Motor. Was die Übernahme für die Perspektiven der Belegschaft von Opel bedeutet, ob sich neue Chancen auf dem chinesischen  Markt bieten, und wie es hätte anders laufen können, das erläutert Lutz Berners, Geschäftsführer der Berners Consulting GmbH, im Interview.

MA-Dialogue: Die Übernahme der General-Motors-Tochter Opel durch Peugeot S.A. (PSA) wurde jetzt offiziell  bekannt gegeben. Die Zukunft für den deutschen Standort ist nach dem Ende der Beschäftigungsgarantie Ende 2018 ungewiss. Was erwarten Sie mittel- und langfristig für das Unternehmen und seine Mitarbeiter?

Lutz Berners: Opel steckt schon seit vielen Jahren in der Krise. Die Übernahme durch einen der schärfsten Konkurrenten wird die Zukunftsaussichten nicht unbedingt verbessern.

In Bezug auf die deutschen Werke und Arbeitsplätze sind die Zeichen klar negativ. PSA-Chef Tavares, der seit 2014 am Steuer ist, setzt stark auf Synergieeffekte und Kostenreduzierungen. Unter seiner Führung wurde bereits die Sanierung des kriselnden PSA-Konzerns vorangetrieben, inklusive der Schließung des Stammwerks bei Paris. Über 8000 Mitarbeiter verloren ihren Job. Bei Opel wird der gleiche Wind wehen. Der Sanierungsplan für Opel müsse von Opel kommen, so Tavares. Innerhalb von vier Jahren soll Opel profitabel werden – wie soll das funktionieren, ohne radikale Kostensenkungen, sprich: Arbeitsplatzabbau?

Für den Fortbestand der Marke stellt sich die Frage der Positionierung im Konzern. Citroen ist ja eher als einfache, avantgardistische Marke positioniert, Peugeot als etwas hochwertiger. Falls Opel nun z.B. als deutscher Technologietreiber geführt werden würde, dann könnte es nachhaltig für Opel gut funktionieren. Dann würden eventuell auch die Montagestandorte in Deutschland erhalten bleiben, denn Kunden, die eine deutsche Marke bevorzugen, möchten wahrscheinlich auch, dass das Fahrzeug in Deutschland gefertigt wird.

Für eigenständige Opel-Entwicklungen sieht es nicht so gut aus. Ein Beispiel: Opels Modellpalette hinkt bei der Erfüllung der CO2-Vorgaben hinterher. Es wäre sinnvoll, dass PSA bei Opel-Modellen auf Bauweisen und Motoren von Peugeot setzt, die in Punkto CO2 besser abschneiden. Das wäre natürlich schlecht für die Opelaner am Motorenstandort Kaiserslautern und auch in Wien-Aspern, aber auch allgemein würde weniger Opel-Arbeit in den Fahrzeugen stecken.

Vor der Übernahme durch PSA erwog das Opel-Management, für die Zukunft auf den Elektroantrieb zu setzen. Opel nutzt hierfür momentan Technologie von GM. Diese Technologie darf wohl auch unter PSA-Eignerschaft weiter für die bestehenden Opel-Modelle genutzt werden. Wenn neue Fahrzeuge entwickelt werden, würden enorme Investitionen in den Aufbau der Elektro-Kompetenz notwendig sein. Es ist wahrscheinlich, dass PSA solche Investitionen dann auf Konzernebene in Frankreich tätigen wird.

Wenn wir zum Vergleich strategische Investoren aus China heranziehen, welche Unterschiede gibt es zwischen französischen und chinesischen Käufern im Umgang mit den Targets bei der Integration?

Bislang sind die Erfahrungen mit chinesischen Industrieinvestoren in Deutschland sehr positiv. Arbeitsplätze werden erhalten, es wird in Werke investiert, und es gibt Zugang zum chinesischen Markt. Der aber eigentlich größte Unterschied ist, dass chinesische Industrieunternehmen ihre europäischen Unternehmen innerhalb gemeinsam gesteckter Ziele unabhängig agieren lassen. Die deutschen Manager wirken dann oft befreit, und die Unternehmen entwickeln sich oft gut.

Chinesische Investoren in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie verfolgen grundsätzlich andere Ziele als in diesem Fall PSA. Synergieeffekte, Kostensenkung oder ausgefeilte europäische Markenstrategie stehen nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es um grundsätzlichen Zugang zum europäischen Markt, Transfer von Innovationskultur und Qualitätsdenken ins chinesische Stammhaus sowie den Aufbau internationaler Erfahrung. Chinesische Unternehmen denken sehr langfristig und haben einen langen Atem, auch wenn die Zahlen mal vorübergehend nicht so gut sind.

Die meisten chinesischen Unternehmen sind stark auf den chinesischen Markt fokussiert. Sie betrachten ihre Investitionen in Europa immer auch vor dem Hintergrund, welchen Nutzen sie für die Aktivitäten in China haben. Bei vielen Investoren, gerade Staatskonzernen, kann man es überspitzt so ausdrücken: Solange man in Europa kein Geld verliert (oder zumindest nicht mehr, als geplant) und in China einen Nutzen hat, ist es ok. Das ist natürlich ein ganz anderer Ansatz als ein europäischer Wettbewerber, der am Tag der Übernahme ein jährliches Kostensenkungsziel von 1,7 Milliarden Euro für den Gesamtkonzern ausgibt.

Volvo ist das beste europäische Beispiel und hätte auch eine Vorlage für Opel werden können. Der schwedische Autobauer, Teil des Ford-Konzerns und stark defizitär, wurde vor knapp sieben Jahren vom chinesischen Autobauer Geely übernommen. Seitdem entwickelte sich Volvo sehr gut. Nach drei Jahren war die Gewinnzone geschafft; heute wird Volvo als innovativer Premiumanbieter wahrgenommen, und der Absatz soll 800.000 Stück im Jahr 2020 erreichen. Der Volvo-CEO jubelt über die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Eigentümer: „Zum ersten Mal sind wir wirklich unabhängig.“

Was hätte in einem alternativen Szenario unter einem chinesischen Investor konkret anders laufen können?

Im Fall von Opel wäre das Potenzial für eine Win-Win-Situation riesig gewesen. Da Opel seit 2015 nicht mehr in China aktiv ist, wäre eine chinesische Markteinführung dieser deutschen Traditionsmarke durch einen lokalen Investor eine interessante, wenn auch differenziert zu betrachtende, Option gewesen. Bewusster Technologietransfer von Opel an einen chinesischen Partner hätte beiden Seiten genutzt: Die chinesische Seite würde bessere Autos bauen, und die Opelaner würden weiterhin Fahrzeuge in Europa produzieren. Mittelfristig könnte es dazu kommen, dass Drittmärkte wie z.B. Schwellenländer dann vom chinesischen Partner (statt von Opel) bedient werden.

In den letzten Monaten gab es massive politische Einflussnahme auf geplante Übernahmen deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren. Während es bei der Kuka-Transaktion bei Appellen der Politik and die Wirtschaft blieb, griff der deutsche Staat bei den Aixtron und Osram direkt ein, was zur Absage der Übernahmen führte. In diesem Klima ist es nicht verwunderlich, dass chinesische Autobauer nicht in die Diskussion einsteigen.

Für Opel wäre eine Übernahme durch einen chinesischen Autobauer eine Chance für einen echten Neuanfang gewesen – auf jeden Fall eine bessere Option als die Eingliederung in den PSA-Konzern, bei der schon an Tag 1 feststeht, dass viele Arbeitsplätze verloren gehen weden.

Neben dem französischen Staat ist der chinesische Staatskonzern Dongfeng mit 14% Anteil ein Ankerinvestor von Peugeot. In welcher Weise könnte Dongfeng von der Opel-Übernahme profitieren?

Ich halte es für nahezu ausgeschlossen, dass PSA die Opel-Übernahme ohne Abstimmung mit Dongfeng vorbereitet hat. Die Risiken dieser Übernahme sind für PSA beachtlich. Solch eine Entscheidung wird mit den Ankerinvestoren im Vorfeld besprochen. Die Vorgehensweise bei der Übernahme an sich, die von langer Hand vorbereitet war und den Betroffenen als nahezu vollendete Tatsache präsentiert wurde, lässt erahnen, wie es auch in Zukunft weitergehen könnte. Entscheidungen werden in Paris gefällt, mit chinesischer Einflussnahme und ohne deutsche Beteiligung.

Dongfeng ist nun in einer komfortablen Situation. Der Autobauer aus Wuhan hat sich sozusagen „durch die Hintertür“ Zugang zu Opel gesichert und kann nun Vorteile daraus ziehen, ohne jedoch direkt in der Schusslinie zu stehen. Eine Einmischung von Dongfeng bei PSA wäre in Frankreich ein Politikum. Ein indirekter Zugriff von Dongfeng bei Opel erzeugt viel weniger öffentliche Aufmerksamkeit. Das kann, zum Beispiel, eine für Dongfeng vorteilhafte Lizenzvereinbarung für die Nutzung von Marke und Technologie für den chinesischen Markt sein. Der Fantasie sind hier aber keine Grenzen gesetzt. Rover, zum Beispiel, wurde 2005 komplett zerschlagen und in Einzelteilen in alle Welt verkauft, auch nach China. Der Dongfeng-Wettbewerber SAIC sicherte sich 2006 die Rechte an den Bauplänen der Rover-Fahrzeuge. Nun fahren in China SAIC-Autos unter der Marke „Roewe“ –  nach zehn Jahren mit überschaubarem Erfolg.

Eine direkte Entwicklungskooperation zwischen Opel und Dongfeng, wie sie sehr erfolgreich zwischen Volvo und seinem chinesischen Mutterkonzern Geely praktiziert wird, halte ich in dieser Konstellation für eher unwahrscheinlich.

Für Opel könnte nach dem Eigentümerwechsel ein erneuter Markteintritt in China anstehen. Welche Chancen sehen Sie zu diesem Zeitpunkt für eine weitere deutsche Marke auf dem chinesischen Markt und welche Rolle könnte Dongfeng hierbei spielen?

Falls Opel nun einen erneuten Markteintritt in China in Betracht ziehen sollte, wird an Dongfeng kaum ein Weg vorbeigehen. Allerdings ist die Attraktivität dieser Option für Dongfeng nicht offensichtlich, denn Dongfeng ist, anders als Geely mit Volvo, einer der Top 3 Autobauer Chinas mit vielen Optionen. Einerseits steht in China der Begriff „deutsche Technologie“ für qualitativ hochwertige Fahrzeuge, was attraktiv sein kann. Andererseits zeigt das Beispiel Volvo mit der chinesischen Muttergesellschaft Geely, dass eine solche Markteinführung nicht ganz so einfach ist. Erst nach vier Jahren erreichte Volvo in China einen guten Absatz von ca. 70.000 Stück. Und das auf Basis einer modernen Modellpalette im wenig preissensitiven Premiumsegment. Ob das für Opel auch so funktionieren würde, ist nicht gesagt.

Zudem ist Dongfeng bereits nicht nur mit mehreren, sondern mit vielen Opel-Wettbewerbern in Joint Ventures verheiratet: neben Peugeot und Citroen auch mit Honda, Nissan, Renault und Kia. Eine Markeneinführung mittels Joint Venture könnte daher Gegenwind erfahren. Anders sieht es aus, wenn Dongfeng selbst die Marke in China einführt, zum Beispiel unter Lizenz.

Herr Berners, vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Stefan  Gätzner.

 

Zur Person

Lutz BernersLutz Berners steht Berners Consulting Global vor und ist Managing Director der Büros in  Stuttgart und Shanghai sowie Practice Leader International Bridging. Im Jahr 2009 gründete er Berners Consulting mit dem Ziel, europäische und chinesische Unternehmen bei internationalen Aktivitäten zu unterstützen. Zuvor war er bei der Robert Bosch GmbH in verschiedenen Einkaufs- und Vertriebsfunktionen tätig. In den letzten Jahren führte er mehrere erfolgreiche Export-, Einkaufs-, Joint Venture- und M&A-Projekte für europäische und chinesische Auftraggeber. Aufgrund seiner Fach- und Sprachkenntnisse sowie seiner engen Vertrautheit mit der chinesischen Mentalität konnte er sich als einer der wenigen nicht-Chinesen eine Stellung als vertrauter Berater mehrerer hochkarätiger mittelständischer chinesischer Unternehmer erarbeiten. Herr Berners erlangte seinen Bachelor in Maschinenbau und Wirtschaft an der Yale University und seinen Master of Public Affairs an der Princeton University. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Chinesisch (Mandarin). Er wohnt mit seiner chinesischen Ehefrau und seinen beiden Kindern in Stuttgart.

Innovation made in China

Bildquelle: Fotolia; © eyetronic

Wenn es um Innovationen geht, gibt die chinesische Wirtschaft kein einheitliches Bild ab. Dazu sind die Branchen und Strukturen der Unternehmen zu unterschiedlich und der Markt auch viel zu groß: In China gibt es 22 Millionen Unternehmen, davon 7,5 Millionen im produzierenden Gewerbe und 650.000 im IT-relevanten Sektor. Es ist also nicht überraschend, dass die Eindrücke bunt, differenziert, ja in Teilen sogar widersprüchlich sind. Einerseits ist die chinesische Regierung, was Innovationen angeht, sehr ambitioniert. Sie hat sich zum Beispiel folgendes Ziel gesetzt: Das Investment in Forschung und Entwicklung soll bis 2020 2,5% des Bruttoinlandsprodukts betragen, womit China sich direkt hinter den USA positionieren würde.

Auf der anderen Seite sind chinesische Unternehmer, vor allem aus den traditionellen Branchen, meiner Erfahrung nach in der Mehrheit Pragmatiker. Einem durchschnittlichen Maschinenbauer oder Textilproduzenten geht es selten darum, etwas radikal Neues zu schaffen. Er setzt vielmehr auf die punktuelle und schrittweise Verbesserung seiner Produkte, Prozesse und vor allem Kostenstrukturen. Meist fehlen ihm auch die finanziellen Mittel, Erfahrungen und Geduld für aufwändige Forschung und Entwicklung.

Unter Innovation im Sinne von Disruption, also dem gewagten großen Schritt nach vorne, versteht man eher den Erwerb moderner Maschinen internationaler Anbieter. In vielen produzierenden Unternehmen hat die einfache Verarbeitung inzwischen zwar der komplexeren Produktion Platz gemacht, oft gehören Schlüsseltechnologien und Know-How aber noch ausländischen Unternehmen.

Hinzu kommt, dass eine Feedback-Kultur, wie man sie in vielen westlichen Unternehmen kennt, traditionell eher nicht vorhanden ist, da die chinesische Kultur sehr hierarchieorientiert ist. Vor allem staatsnahe und quasi monopolistische Unternehmen sind selten offen für Selbstkritik und durchlässig für Neues. Damit haben es auch Innovatoren innerhalb dieser Organisationen schwerer. Diese kulturelle Altlast steht auch der notwendigen Restrukturierung vieler dieser Unternehmen im Weg.

Neugierig, motiviert und ehrgeizig.

Erfreulicherweise gibt es gegenläufige Tendenzen: In jüngeren chinesischen Unternehmen aus den IT-, Digital- oder Consumer Electronics-Branchen herrscht extreme Offenheit. Die globalen Platzhirsche aus dem Silicon Valley wie Google, Apple und Facebook sind die großen Vorbilder, was den ökonomischen Erfolg sowie eine Kultur der flachen Hierarchien, der Schnelligkeit und des Wettbewerbs der besten Ideen anbelangt. Dafür stehen auch charismatische Gründer und Visionäre wie Lei Jun, Chef des Consumer Electronics-Konzerns Xiaomi, oder auch Frank Wang, Gründer von DJI, dem Weltmarktführer in der Herstellung zivil eingesetzter Drohnen – um nur zwei zu nennen.

Auf die jüngere Generation der Studenten, Unternehmer, Wissenschaftler und Manager üben diese Entwicklungen eine große Faszination aus. Ich erlebe das in meinen Vorlesungen. Die 20- bis 30-Jährigen sind sehr neugierig, motiviert und ehrgeizig. In vielen Bereichen orientieren sie sich an der Weltspitze. Ein Gradmesser dafür: Der Anteil der chinesischen Autoren an den weltweit veröffentlichten wissenschaftlichen Publikationen steigt. Inzwischen haben chinesische wissenschaftliche Beiträge Deutschland vom zweiten Platz im „Nature Index“, einem Qualitätssiegel für Forschungsoutput, verdrängt. Exzellente Leistungen in der Forschung sind also keine Seltenheit. Der kommerzielle Erfolg, ein wesentliches Merkmal erfolgreicher Innovationen, stellt aber nach wie vor eine Herausforderung dar.

Pragmatisch, quick und – ein bisschen – dirty.

Der Pragmatismus der chinesischen Unternehmer zeigt sich auch bei chinesischen Start-Ups im möglichst raschen Austesten von marktfähigen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen. Chinesische Unternehmen sind oft sehr gut darin, schnell horizontal zu expandieren. Der Mobility-Service-Anbieter Didi zum Beispiel orientierte sich anfangs sehr stark am US-Vorbild Uber.

Die chinesische Firma expandierte jedoch – anders als Uber – in kürzester Zeit in die Breite, um Kunden zu gewinnen: Über das Portal lassen sich inzwischen normale Taxis, Chauffeure, ein Limousinen-Service oder auch Mitfahrgelegenheiten anfordern. Didi ging pragmatisch vor, gemäß dem Credo: „Die Kunden wünschen es? Dann bieten wir es an – und zwar so schnell wie möglich, bevor es ein anderes Unternehmen macht. Um die Details kümmern wir uns später“. Geschäftsmodellinnovation und schnelle Trial-and-Error-Zyklen sind die Steckenpferde vieler erfolgreicher chinesischer Start-Ups. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Didi hat im August dieses Jahres Uber China übernommen.

Dazu passt, dass die chinesischen Konsumenten recht risikofreudig sind und neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle schnell akzeptieren. Das verschafft jüngeren, flinken Unternehmen wie Didi zügig eine beachtliche Masse an Nutzern und eine entsprechende Marktmacht. Die Kehrseite ist die wenig ausgeprägte Loyalität der Kunden. So schnell wie sie etwas Neues gut finden, so schnell wechseln sie bei der nächstbesten Gelegenheit auch wieder das Pferd.

Widerspruch und Zauber liegen nah beieinander.

Das macht den chinesischen Markt schnelllebig, was sich bei anspruchsvollen Technologien mitunter rächt. Dort mangelt es an Know-how und Detailverliebtheit, um eine Technologie zur Blüte zu bringen. Ein gutes Beispiel ist das Elektroauto: Obwohl es von der chinesischen Regierung massiv gefördert und protegiert wird und China gemessen am Verkaufsvolumen bereits der größte Markt für „New Energy Vehicles“ ist, gibt es noch kein weltmarktfähiges chinesisches Serienmodell à la Tesla oder den i-Modellen von BMW.

Kürzlich fuhr ich mit einem Taxi, ein – gemessen an den Verkaufszahlen – recht erfolgreiches Modell des chinesischen Elektroauto-Herstellers BYD. Ich fragte den Fahrer, wie ihm der Wagen gefalle. Der Mann winkte ab: Allerlei Kinderkrankheiten gebe es, verlässlich sei das Auto nicht, BYD müsse noch viel dazu lernen. Ein paar Tage später las ich in der Fachpresse, dass das chinesisch-amerikanische Start Up NextEV, gegründet in 2014, mit seinem NIO EP9, einem elektrisch angetriebenen Supersportwagen, einen neuen Rekord in der Nordschleife des Nürburgring für E-Fahrzeuge aufgestellt hat. Ein Serienprodukt der Firma NextEV soll 2018 in China in den Handel kommen.

Die Taxi-Anekdote einerseits und die Nachricht von der Rekordfahrt andererseits verleihen „Innovation made in China“ einen einzigartigen Charme: Widerspruch und Zauber liegen nah beieinander. Mein persönlicher Wunsch angesichts dieser Eindrücke lautet, dass chinesische Unternehmen Innovation weniger als Sprint, sondern vielmehr als Marathon sehen sollten.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf Transformation Beats, dem Online Magazin von goetzpartners erschienen. Sie finden den Originalbeitrag hier.

Zur Person:

Prof. Dr. Zheng Han

 

Professor Dr. Zheng Han ist goetzpartners-Chair Professor für Innovation und Entrepreneurship am Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg für Postgraduiertenstudien der Tongji Universität in Shanghai. Zudem ist er Gastprofessor und Senior Research Fellow am Asia Research Center der Universität St. Gallen, Schweiz.

 

 

 

 

 

 

Übernahme von Hahn durch HNA auf Zielgeraden

Vom Luftfahrt- zum Mischkonzern: Die HNA Group tritt seit einigen Jahren als Outbound-Serieninvestor auf.海航集团是海外并购的系列投资者。Bildquelle: Fotolia; © FinePix

Der Flughafen Frankfurt-Hahn wechselt endgültig in chinesische Hände. Laut Medienberichten hat Investor HNA bereits die Kaufsumme für den Anteil von 82,5% des Landes Rheinland-Pfalz überwiesen. Der Preis beträgt nominal 15,1 Mio. EUR, dürfte aber aufgrund von Sonderposten tatsächlich niedriger ausfallen. Im Konsortium mit HNA erwirbt die ADC GmbH die restlichen 17,5% vom Land Hessen für einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag. Damit ist die Voraussetzung für die Unterzeichnung des Vertrags gegeben. Nach dem Scheitern des Verkaufs an Shanghai Yiqian Trading vergangenes Jahr verlangte die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, dass HNA und ADC zunächst die volle Kaufsumme auf ein Treuhandkonto überweisen.

Im Juni 2016 war die Transaktion mit Shanghai Yiqian an Zahlungsschwierigkeiten des Käufers gescheitert. Bereits zu dieser Zeit hatten HNA und ADC ein Angebot vorgelegt, wurden am Ende aber nicht berücksichtigt. Seinerzeit sah das Angebot nur einen symbolischen Kaufpreis von 1 EUR vor – allerdings in Verbindung mit folgenden Investitionen in die Infrastruktur des Flughafens in Höhe von 50 Mio. EUR. Der Flughafen Hahn liegt im Hunsrück, 110 Kilometer südwestlich von Frankfurt und dient in erster Linie als Drehscheibe für Cargo-Transporte und Billig-Fluglinien wie die irische Ryanair. Der ehemalige Militärflugplatz schrieb in den vergangenen Jahren rote Zahlen. 2015 meldete man einen Verlust von 16 Mio. EUR.

Bestens vernetzt

Die ADC GmbH ist ein Immobilien- und Projektentwickler. Geschäftsführer Siegfried Englert war von 2006 bis 2011 Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium. Der Professor für Sinologie mit Lehrstuhl an der Hochschule Ludwigshafen gilt als bestens vernetzt in China.

Aufstieg eines Konzerns

1993 von CHEN Feng als Luftfahrtunternehmen gegründet, hat sich die HNA Group rasch zu einem Mischkonzern entwickelt. Neben zahlreichen chinesischen Fluglinien mit einer Gesamtflotte von über 1250 Flugzeugen betreibt die Gruppe derzeit 13 Flughäfen. Mittlerweile umfassen die Aktivitäten auch Bereiche wie Logistik, Infrastruktur Immobilien, Finanzdienstleistungen, Einzelhandel, Tourismus und Entertainment. HNA beschäftigt weltweit insgesamt 410.000 Mitarbeiter. 2016 erzielte der Konzern einen Umsatz von rund 30 Mrd. USD.

Spektakuläre Transaktionen

Seit einigen Jahren sorgt die Gruppe als hochaktiver Outbound-Investor mit zahlreichen spektakulären Deals für Furore. So meldete HNA nach einer 30%-Beteiligung an der Hotelkette NH Hotels in Spanien und der Übernahme von Carlson Hotels in den USA im Oktober vergangenen Jahres den Einstieg bei dem amerikanischen Hospitality-Riesen Hilton. Für einen Anteil von 25% wird das Privatunternehmen aus Hainan demnach rund 6,5 Mrd. USD hinblättern. Neben Beteiligungen an Fluggesellschaften auf Frankreich, Brasilien und Ghana zählt auch der Bodenabfertiger Swissport zum Portfolio der Südchinesen. Gleichfalls aus der Schweiz stammt der Caterer Gategroup, den HNA vergangenes Jahr ebenso übernahm wie dessen französischen Wettbewerber Servair. Zuletzt gab der Konzern den Erwerb eines Minderheitsanteils von rund 3% an der Deutschen Bank für geschätzte 750 Mio. EUR bekannt.

Studio Babelsberg und Wuxi starten Kooperation

Grünes Licht für die Filmindustrie: Studio Babelsberg und Wuxi werden künftig kooperieren.德国制片厂与无锡制片厂展开合作。Bild: Studio Babelsberg AG

Die beiden Filmstudios Babelsberg und Wuxi werden zukünftig bei Produktion und Vertrieb projektbezogen zusammenarbeiten. Laut einer gemeinsamen Mitteilung planen die neuen Partner deutsch-chinesische Koproduktionen und den Austausch von filmtechnischen Know-how und Personal. Dazu soll ein gemeinsamer, international aktiver Bereich Production Services aufgebaut und werden.

Mit der Zusammenarbeit erhoffen sich die Wuxi Studios, die Internationalisierung voranzutreiben. Babelsberg zielt währenddessen auf den Zugang zum chinesischen Filmmarkt ab. „Die modernen Filmstudios in Wuxi bieten hervorragende Bedingungen. Studio Babelsberg wird seine Kompetenzen im Bereich Production Services und der Realisierung internationaler Filmproduktionen in die Kooperation mit einbringen“, erklärt Dr. Carls Woebcken, Vorstandsvorsitzender der Studio Babelsberg AG, zu den Perspektiven der Kooperation.

Das Studio Babelsberg wurde 1912 gegründet und war prägend für die Geschichte des deutschen Films. Seit einiger Zeit werden dort auch große Hollywood-Produktionen gedreht, so zuletzt unter anderem „Monuments Men“ von George Clooney oder „Bridge of Spies“ von Steven Spielberg. Das Wuxi Film and TV Studio wurde 1987 von der China Central Television (CCTV) gegründet. Mit zahlreichen Nachbauten historischer Gebäude und Paläste ist das Filmstudio nahe Shanghai ein häufig genutzter Drehort für aufwändige Film- und Fernsehproduktionen. Der chinesische Filmmarkt ist mit rund 40.000 Leinwänden nach den USA mittlerweile der zweitgrößte der Welt. In den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres verzeichneten die chinesischen Kinos Kartenverkäufe in Höhe von 5,7 Mrd. USD.

Aixtron bleibt in der Verlustzone

Auf Partnersuche: Aixtron sucht nach der geplatzen Übernahme durch FGC weiter nach einem Investor.爱思强寻找新伙伴。Bild: Aixtron SE

Für Aixtron bleibt die wirtschaftliche Situation angespannt. Bei einem stagnierenden Umsatz von 197 Mio. EUR verbuchten die Herzogenrather 2016 einen operativen Verlust (EBIT) in Höhe von 21,4 Mio. EUR (2015: 26,7 Mio. EUR). Nach der geplatzten Übernahme durch Fujian Grand Chip Investment (FGC)  sucht der LED-Anlagenbauer aus Herzogenrath weiterhin nach einem Investor. Für das laufende Jahr geht der Vorstand von einem weiterhin negativen EBIT bei einem Umsatz zwischen 180 und 210 Mio. EUR. Erst für 2018 rechnet Aixtron damit, aus den roten Zahlen zu kommen. Dennoch zeigen sich einige Lichtblicke.

Mit dem operativen Verlust sowie dem negativen Nettoergebnis für 2016 in Höhe von 24 Mio. EUR (2015: 29,2 Mio. EUR) blieb Aixtron zwar im Rahmen der eigenen Prognose zu Anfang des Jahres. Doch die mittel- und längerfristigen Perspektiven wurden von der im Dezember endgültig gescheiterten Übernahme durch FGC verhagelt. „Das beherrschende Thema des Geschäftsjahres 2016 war sicherlich die versuchte Übernahme durch Grand Chip Investment, die das Ziel hatte, den Zugang zum wichtigen chinesischen Markt abzusichern und gleichzeitig das gesamte Produktportfolio von Aixtron zur Marktreife zu bringen“, erklärt dazu der scheidende Vorstandsvorsitzende Martin Goetzeler. Goetzeler verlässt als Konsequenz aus dem geplatzten Deal das Unternehmen zum Monatsende.

Aixtron steht vor dem Problem,  die hohen Vorlaufkosten für die neuen LED-Technologien zu reduzieren. Diese boomt zwar, doch der Anlagenbauer wartet schon seit Jahren auf einen neuen Investitionszyklus und schreibt seit 2012 rote Zahlen. Der Anlagenbauer sucht weiter nach Investoren oder Joint-Venture-Partner.  Allerdings gibt es auch einige Lichtblicke: So konnte Aixtron die Produktionskosten von 75% auf 71% vom Umsatz drücken. Die Auftragseingänge legten deutlich zu und lagen mit 225 Mio. EUR 35% über dem Vorjahreswert. Schließlich zeigte sich im Schlussquartal des vergangenen Jahres ein deutlicher operativer Aufwärtstrend. Das EBIT und das Nettoergebnis waren mit 7,9 Mio. EUR bzw. 6,4 Mio. EUR sogar positiv.

Chinas Investoren weiter auf dem Vormarsch

Druck aus China: Europäische Private-Equity-Experten erwarten verstärkte Konkurrenz aus dem Reich der Mitte. Bildquelle: Fotolia; © Weissblick

Die europäische Private-Equity-Szene erwartet für 2017 einen erstarkenden Konkurrenzdruck aus China. Laut einer Umfrage von Roland Berger unter Branchenexperten sehen 57% den Wettbewerb um lukrative Targets und Deals durch strategische und Private-Equity-Investoren aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt spürbar anwachsen. Im Fokus des Interesses stehen dabei Branchen, in denen Chinas Unternehmen und Finanzinvestoren bereits in den vergangenen Jahren mit Übernahmen und Beteiligungen sehr aktiv waren: Investitionsgüter und Maschinenbau, Automotive, Technologie und Medien, Konsum und Einzelhandel sowie Pharma und Gesundheitswesen.

Im Einzelnen erwarten 41% der Befragten für 2017 einen leichten und 16% einen bedeutenden Anstieg des Wettbewerbs um lukrative Transaktionen durch Investoren aus China. 36% meinen, dass der Konkurrenzdruck im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich bleiben wird. Lediglich 7% der Teilnehmer gehen von einem leichten Nachlassen des chinesischen Interesses an Targets in Europa aus. Einen signifikanten Rückgang erwartet kaum einer der europäischen Private-Equity-Experten.

Für den gesamten europäischen M&A-Markt sind die Professionals deutlich pessimistischer als im Vorjahr. Für 2017 erwarten 52% der Studienteilnehmer eine Steigerung der Anzahl von Fusionen und Übernahmen mit Private-Equity-Beteiligung in Europa. Im Jahr 2016 lag der Anteil der Optimisten noch bei 64%. Als Hauptgrund für die zurückhaltendere Einschätzung geben die befragten Beteiligungsexperten das instabiler gewordene politische Umfeld an. Faktoren wie der Brexit, der Machtwechsel im Weißen Haus sowie die bevorstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland werden in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben.

Die Umfrage „Private Equity Outlook 2017“ von Roland Berger richtete sich an rund 2.400 Private-Equity-Professionals. 25% davon kommen aus der DACH-Region. Die Studie (Englisch) kann hier heruntergeladen werden.

57% der europäischen Private-Equity-Experten erwarten für 2017 einen verstärkten Wettbewerbsdruck aus China.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

HNA steigt bei der Deutschen Bank ein

Die HNA Group steigt bei der Deutschen Bank ein. Der südchinesische Luftfahrt- und Logistikkonzern hat einen Anteil von 3,04% an Deutschlands größtem Geldinstitut erworben. Damit wird das Unternehmen aus der Inselprovinz Hainan nach dem Investmentriesen Blackrock sowie den beiden Staatsfonds Paramount und Supreme aus Katar zum viertgrößten Aktionär der Deutschen Bank. Zur Höhe des Preises äußerten sich die Beteiligten nicht. Das Aktienpaket hatte am Tag der Bekanntgabe am 17. Februar einen Wert von 763 Mio. EUR auf Basis des Xetra-Schlusskurses. Branchenexperten gehen von einem Kaufpreis von rund 750 Mio. EUR aus.

Ein Sprecher der HNA Group äußerte laut Medienberichten sein Vertrauen in das Management der Deutschen Bank. HNA werde gegebenenfalls der Deutschen Bank Unterstützung anbieten. Der neue Investor plant für die Zukunft, bei denkbaren Anteilserhöhungen unter der Schwelle von 10% zu bleiben. Der Einstieg erfolgte über ein Vehikel der österreichischen Investmentgesellschaft C-Quadrat.

Ein Sprecher der Deutschen Bank sagt, dass das Geldhaus grundsätzlich jeden Investor mit einer langfristigen Perspektive begrüße. Für die Deutsche Bank ist die Beteiligung aus China ein weiteres Signal der Stabilisierung. Deutschlands Nummer Eins unter den Geldhäusern wurde in den vergangenen Jahren immer wieder durch Skandale und damit verbundene Strafzahlungen in Milliardenhöhe gebeutelt. Inzwischen aber ist ein Ende der Altlasten absehbar. Der Kurs konnte sich mittlerweile von weniger als 10 EUR auf mehr als 18 EUR  erholen.

HNA ist ein Fortune Global 500 Konzern in Privatbesitz, kontrolliert von dem chinesischen Unternehmer CHEN Feng. In Europa ist HNA bereits als Serieninvestor bekannt. Unter anderem hat das Unternehmen Flugzeug-Caterer in Frankreich und der Schweiz übernommen. Der Hauptsitz der 1993 gegründeten  Gesellschaft befindet sich in Haikou auf der südchinesischen Insel Hainan. Die Aktivitäten umfassen die Bereiche Luftfahrt, Infrastruktur, Immobilien, Finanzdienstleistungen, Tourismus und Logistik. HNA beschäftigt weltweit insgesamt 410.000 Mitarbeiter. Zur Unternehmensgruppe gehören unter anderem mehrere Passagier- und Frachtfluggesellschaften (z.B. Hainan Airlines). 2016 erzielte der Konzern einen Umsatz von rund 30 Mrd. USD.

Die Gruppe betreibt 13 Flughäfen, darunter auch der Haikou Meilan International Airport. Derzeit ist HNA in Gesprächen mit der Regierung von Rheinland-Pfalz über den Verkauf des Flughafens Frankfurt-Hahn. Dieser steckt in den roten Zahlen. Vergangenes Jahr war eine Transaktion mit einem anderen chinesischen Investor, Shanghai Yiqian an Zahlungsschwierigkeiten des Käufers gescheitert. Bereits damals hatte HNA im Rahmen eines Konsortiums Interesse gezeigt, wurde am Ende aber nicht berücksichtigt. Laut Medienberichten war das Unternehmen aus Hainan damals nur bereit, einen symbolischen Kaufpreis von 1 EUR zu zahlen. Dafür wollte es allerdings 50 Mio. EUR in die Infrastruktur des Flughafens investieren.

Britischer Robotikspezialist in chinesischer Hand

Robotik für China: Europäische Anbieter stehen im Visier der aufstrebenden Unternehmen aus der Volksrepublik.中国关注欧洲机器人产业。Bildquelle: Fotolia; © julien tromeur

Die chinesische Estun Automation erwirbt für 15,5 Mio. GBP (18 Mio. EUR) die britische Trio Motion Technology. Das Unternehmen aus Nanjing plant durch die Übernahme von einem Komponentenzulieferer zu eine Anbieter von High-end Motion-Control-Systemen aufzusteigen. Die in Gloucestershire ansässige Trio Motion Technology soll im Rahmen von Estuns Wachstumsstrategie auch als Forschungs- und Entwicklungszentrum fungieren. Als Berater für den chinesischen  Käufer in rechtlicher, steuerlicher und wirtschaftlichen Fragen fungierte Rödl & Partner.

Die 1993 gegründete Estun ist ein weltweit aktiver Hersteller von Kernsteuerungselementen und intelligenter Automatisierungstechnik. Seit 2015 ist das Unternehmen an der Börse Shenzhen gelistet. Trio Motion Technology wurde 1987 gegründet. Die Briten brachten als einer der ersten Anbieter bereits im darauffolgenden Jahr eine integrierte Antriebssteuerung für Servomotoren auf den Markt.

Mit der Akquisition von Trio Motion Technology durch Estun setzt sich die Reihe der Übernahmen von führenden europäischen Robotik- und Automatisierungsspezialisten durch chinesische Gesellschaften fort.  Im Rahmen der Made-in-China-2025-Initiative fördert die Regierung in Peking gezielt die technologische Aufholjagd der einheimischen Anbieter in ausgewählten Branchen, darunter Robotik und Automatisierung. Besonders deutsche Unternehmen stehen hierbei im Fokus. Neben Deutschlands Vorzeigerroboterproduzenten Kuka, waren im vergangenen Jahr weitere im Automatisierungsbereich tätige Anbieter wie KraussMaffei, Manz, OPS-Ingersoll oder Rockson Automation Ziel chinesischer Beteiligungen und Übernahmen.

Kukas Geschäft brummt

Umsatztreiber Automotive: Die Aufträge für Kuka aus der internationalen Autoindustrie legten 2016 um mehr als 30% zu. Bild: KUKA AG

Nach der Übernahme durch Midea meldet Kuka für 2016 einen neuen Höchststand beim Auftragsvolumen. Mit 3,4 Mrd. an Eingängen in den Büchern wurde laut vorläufigen Zahlen des Augsburger Roboterbauers der Wert des Vorjahres um rund 21% übertroffen. Die stärksten Impulse kamen aus der internationalen Autoindustrie. Dieses Segment verzeichnete einen Zuwachs von 30%, gefolgt vom Industriesektor (19%) und dem Service-Segment (14%). Der Auftragseingang im Geschäftsbereich Robotics erhöhte sich um 22% auf 1.089 Mio. EUR und hat damit erstmals die Ein-Milliarden-Euro-Grenze übertroffen. Die vor zwei Jahren akquirierte Business Unit Swisslog verzeichnete mit einem Plus von 35% auf 743 Mio. EUR einen noch deutlicheren Anstieg der Aufträge. Der Umsatz blieb mit 2,9 Mrd. EUR auf dem Niveau 2015, das EBIT ging indes zurück.

Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) belief sich ohne die Berücksichtigung der Kaufpreisallokation für Swisslog und ohne Sondereffekte im Zusammenhang mit der Übernahme durch Midea auf 166 Mio. EUR, ein Rückgang von rund 15% (2015: 194 Mio. EUR). Die EBIT-Marge lag bei 5,6% (2015: 6,6%). Unter Berücksichtigung dieser nicht operativen Effekte erreichte das vorläufige EBIT 127 Mio. EUR und die EBIT-Marge 4,3%.

Die Book-to-Bill Ratio, also das Verhältnis von Auftragseingängen zu Umsatzerlösen, lag auf Konzernebene im Geschäftsjahr 2016 bei 1,16. Ein Wert über 1 weist auf einen Umsatzanstieg hin, den Kuka auch für 2017 erwartet. Dementsprechend haben die Augsburger die Belegschaft weiter ausgebaut. Die Mitarbeiterzahl stieg von 12.300 auf knapp unter 13.200. „Wir bleiben auf unserem globalen Wachstumskurs und setzen neue Trends in der Digitalisierung“, kommentierte Vorstandsvorsitzender Till Reuter die Zahlen.

Erst im Januar dieses Jahres hatte Midea das Closing der Übernahme von Kuka gemeldet. Insgesamt musste der Konzern aus Foshan in Südchina rund 4,5 Mrd. EUR für knapp 95% der Anteile an dem deutschen Automatisierungsanbieter hinblättern. Mit der größten Akquisition durch ein chinesisches Unternehmen in Deutschland hatte Midea für Wirbel gesorgt. Der damalige Wirtschaftsminister Gabriel hatte das Angebot öffentlich kritisiert und vor einem Ausverkauf deutscher Technologie gewarnt. Zuvor hatte Midea allerdings bereits Standort- und Arbeitsplatzgarantien bis 2023 für die Zeit nach der Übernahme abgegeben.

Grammer verbündet sich mit Jifeng

Weiter auf dem Fahrersitz: Autozulieferer Grammer hofft, durch den Einstieg von Jifeng eine feindliche Übernahme zu verhindern.格拉默希望通过继峰来避免恶意收购。Bildquelle: Fotolia; © Creativa Images

Ningbo Jifeng erwirbt über eine Pflichtwandelanleihe einen Anteil von 9,2% an dem Amberger Mittelständler Grammer. Hierfür wird das Privatunternehmen aus der Provinz Zhejiang 60 Mio. EUR aufwenden. Die Anleihe wird spätestens in einem Jahr in Aktien getauscht. Beide Automobilzulieferer begründen damit eine strategische Partnerschaft. Der Einstieg dient laut Medienberichten für die Oberpfälzer in erste Linie dazu, den Einfluss der bosnischen Investorenfamilie Hastor zurückzudrängen.

Die Familie Hastor hat in Deutschland bereits für kräftigen Wirbel gesorgt: Im Sommer vergangenen Jahres überwarfen sich die Bosnier mit Volkswagen. Durch Lieferstopps ihres Zulieferers Prevent lösten sie Produktionsausfälle bei den Wolfsburgern aus, die Millionenschaden anrichteten. Über zwei Tochterunternehmen hält die Familie Hastor bereits 20% an Grammer. Durch den Einstieg von Jifeng wird es den Bosniern erschwert, auf der Hauptversammlung am 24. Mai eine Mehrheit im Aufsichtsrat zu erlangen und gegebenenfalls Grammer-Vorstandschef Hartmut Müller auszutauschen.

Die großen Kunden begrüßten ausdrücklich die neue Partnerschaft, erklärte Grammer. Müller und Vertreter von Jifeng hatten die Pläne Medienberichten zufolge unter anderem bei Volkswagen und Daimler vorgestellt. Durch die strategische Partnerschaft versprechen sich beide Seiten Synergieeffekte auf den internationalen Märkten, insbesondere aber in China. „Die künftige strategische Zusammenarbeit wird uns zusätzliche Möglichkeiten eröffnen, weitere lokale chinesische Kunden mit unseren innovativen Produkten zu erreichen und zu beliefern“, so CEO Müller in einem Statement. Grammer erzielt derzeit 15% seines Umsatzes in China. Beide Partner sind in der Fahrzeuginnenraumausstattung tätig. Ihre Produktlinien ergänzen sich. Die Amberger sind dabei auf Sitzsysteme spezialisiert, während der Zulieferer aus Ningbo sich auf Arm- und Kopfstützen fokussiert.

Grammer ist bereits länger auf dem chinesischen Markt aktiv. 2013 gründeten das Oberpfälzer Unternehmen ein Joint Venture mit Jiangsu Yuhua, deren Anteile Grammer zwei Jahre später übernahm. Der Zulieferer produziert an 40 Standorten weltweit und erzielte mit seinen 12.000 Mitarbeitern im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,7 Mrd. EUR. Die seit 1996 börsennotierte Gesellschaft weist nach dem steilen Kursanstieg der vergangenen Monate derzeit eine Marktkapitalisierung von mehr als 680 Mio. EUR auf. Jifeng wurde 1996 gegründet und ist seit 2015 an der Börse Shanghai notiert. Mit 2.600 Mitarbeitern ist das Unternehmen deutlich kleiner als sein deutscher Partner, weist aber mit über 1 Mrd. EUR einen höheren Börsenwert auf.

Wanda dementiert Interesse an Postbank

Wanda dementiert in einem Statement Medienberichte, wonach der chinesische Mischkonzern Interesse an einer Übernahme der Postbank habe. Die Financial Times hatte unter Berufung auf Insider gemeldet, Wanda sei in Europa auf Ausschau nach Targets. Ein mögliches Zielunternehmen sei die Postbank. Allerdings sei man an deren Muttergesellschaft, die Deutsche Bank noch nicht offiziell herangetreten.

Unter dem Titel „Wanda hat nicht die Absicht, die deutsche Postbank zu übernehmen“ heißt es in dem kurzen Statement des Unternehmens aus Dalian: „Medienberichte, wonach die Wanda Gruppe beabsichtigt, die deutsche Postbank zu übernehmen, sind inkorrekt. Wanda hat keinen Kontakt mit der Postbank aufgenommen.“ Bei einem tatsächlichen Kaufinteresse müsste der chinesische Konzern allerdings zunächst die Deutsche Bank als Verkäufer kontaktieren.

Der Wert der Postbank wird auf 4,5 Mrd. EUR geschätzt. Um die Kapitalausstattung zu verbessern, hatte die Deutsche Bank vor zwei Jahren beschlossen, die Postbank zu verkaufen oder alternativ an die Börse zu bringen. Mittlerweile gibt es auch wieder Diskussionen, die Tochter im Unternehmen zu behalten.

Wanda ist ursprünglich ein Immobilienentwickler. Die Gesellschaft wird von ihrem Gründer WANG JIanlin geleitet. Wang wird in der Hurun-Liste mit einem Vermögen von 32 Mrd. USD derzeit als reichster Unternehmer Chinas geführt. Seit rund fünf Jahren hat sich Wanda durch seine vielfältigen Outbound-M&A-Aktivitäten in einen diversifizierten Mischkonzern gewandelt. Vor allem im Medien- und Sportbereich hat Wang mehrfach zugeschlagen. So stieg Wanda 2015 bei dem spanischen Fußballclub Atlético Madrid ein und kaufte den Schweizer Sportvermarkter Infront sowie die Rechte an der Marke Ironman. In den USA erwarb Wangs Gesellschaft 2012 die Kinokette des Medienkonzerns AMC. Seitdem hat Wanda sich weitere Kinoketten in den Vereinigten Staaten und Europa einverleibt. Anfang 2016 folgte die Übernahme des Filmstudios Legendary Entertainment. Zuletzt meldete der chinesische Serieninvestor im November vergangenen Jahres für 1 Mrd. USD den Kauf der Dick Clark Productions, die für die Golden Globes verantwortlich zeichnen.