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Bringt der Hase, was er verspricht?

Deutschland China CAI

In wenigen Tagen wird der Tiger vom Hasen davongejagt. Was so unglaublich klingt, geschieht in der Nacht zum 22. Januar: Das Jahr des Hasen löst das Jahr des Tigers ab.

Hasen sind, so heißt es, talentiert, umsichtig, ehrgeizig, auch elegant. Auf Eleganz lässt sich verzichten, wenn es gelingt, das neue Jahr mit Talent und Ehrgeiz zu gestalten, und umsichtig zu handeln.

Nach dem unerwarteten und abrupten U-Turn in der chinesischen Corona-Politik Anfang Dezember und der kompletten Wieder-Öffnung des Landes 30 Tage später ist die Zeit gekommen, erneut durchzustarten, anzuknüpfen an Altem, sich aber auch dem veränderten internationalen Umfeld zu stellen. Lieferketten müssen wieder funktionieren, der persönliche Austausch muss wichtiger als Video-Calls werden, um Unstimmigkeiten schneller aus dem Weg zu räumen und Gemeinsamkeiten zu finden. Dialog mit – und nicht übereinander – das sollte in den Mittelpunkt gerückt werden. Im Kleinen wie im Großen. Im alltäglichen Geschäft wie in der sogenannten „großen“ Politik. Vertrauen muss wiedergewonnen, Zuversicht gestärkt werden.

So sollten wir, in das Jahr des Hasen startend, zuallererst gegenseitige Schuldzuweisungen hintanstellen. Keinem hilft, den anderen zu belehren, was „wissenschaftlich begründet“ oder was „nicht angemessen“ ist. Dass die Pandemie noch nicht vorbei ist, auch wenn sie hier und da bereits als endemisch betrachtet wird, sollte allen klar sein. Es bleibt ein Vor und Zurück. Vorkehrungen zu treffen, damit wir nicht wieder im Jahr 2020 landen, ist nur zu selbstverständlich. Überall auf der Welt. Nachdem die Chinesen vergangenes Jahr fast täglich zum PCR-Test „getrieben“ wurden, dürfte es auch keine große Hürde sein, sich vor dem Besteigen eines Flugzeuges testen zu lassen, letzten Endes zur eigenen Sicherheit. Darüber lamentieren – wozu? Ab und an ist es besser, einmal zu schweigen.

Denn entscheidend ist, dass Geschäftsleute wieder zusammenkommen können, ob in China oder Europa. Entscheidend ist, gemeinsam Ideen zu entwickeln, um die Herausforderungen der Zeit zu lösen. Entscheidend ist auch, Strategien zu formulieren, die nicht darauf zielen, einen Konkurrenten auszuschalten. Es muss darum gehen, die Kraft des Wettbewerbs zu nutzen, um Stärken zu stärken, gemeinsam im gemeinsamen Interesse. Politische Entscheidungen, die einschränken, anstatt Kräfte zu entfesseln, schaden nicht nur der Wirtschaft, sondern gefährden auch den gesellschaftlichen Wohlstand. Sogenannte wertebasierte Wirtschafts- und Außenpolitik sollte immer auch berücksichtigen und akzeptieren, dass Werte anderswo anders betrachtet werden.

Globalisierung mag manchem als gescheitert erscheinen, in die Tage gekommen. Doch wer sich oder andere abkoppelt, manövriert sich nur ins Abseits. Die Globalisierung muss auf neue Füße gestellt werden, innovativer werden. Kein exklusiver Club, sondern ein Modell internationalen wirtschaftlichen Handelns, an dem jedes Land partizipiert – und profitiert.

Illusorisch wäre es zu glauben, nach drei Jahren Pandemie dort fortsetzen zu können, wo Ende 2019, Anfang 2020 vieles zum Stillstand gekommen ist. Nein, der Hase muss schon große Sprünge im neuen Jahr machen. Möge er aber nicht zu viele Haken schlagen –damit es ein gutes Jahr wird.

Peter Tichauer ist ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.

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Trends: Rückschritt nach vorne?

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Im Jahr 2021 wurden Waren im Wert von 246,5 Mrd. EUR zwischen Deutschland und der Volksrepublik China gehandelt – also Exporte und Importe. China war damit zum sechsten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner. Gleichzeitig hat die Volksrepublik für deutsche ­Unternehmen einer aktuellen Umfrage der AHK China zufolge an Attraktivität verloren. Nur 51% beabsichtigen demnach, ihre Investitionen in China in den nächsten zwei Jahren auszubauen – 2021 waren es noch 71%. Grund genug zu hinterfragen, wie sich deutsch-chinesische Investitionen 2023 entwickeln und welches die wichtigen Einflussfaktoren sind.

Dieses Interview und weitere Artikel finden Sie in unserem neuen Investment Guide China / Deutschland – JETZT ALS E-MAGAZIN LESEN

Zwischen Coronalockerungen, China +1 und verschärfter ­Investitionskontrolle in ­Deutschland: Wohin entwickeln sich 2023 die deutsch-­chinesischen Investitionen?

Bernhard Weber ist erster stellvertretender Vorsitzender des China Netzwerks Baden-Württemberg. Von 2018 bis September 2022 hat er Baden-Württemberg als General Manager der Baden-Württemberg International Economic and Scientific Cooperation (Nanjing) Co. Ltd. in China vertreten. Seit 1994 war er in China tätig, u.a. als kaufmännischer Leiter eines Siemens-Joint-Venture in Nanjing.

Weber: Investitionen aus Deutschland in China werden vor allem unter dem Motto „in China für China produzieren“ getätigt werden – nachdem alle Unternehmen ihre internationale Lieferketten auf Sicherheit und Nachhaltigkeit überprüft und justiert haben. Besonders die von der chinesischen Regierung angesagte Umgestaltung der chinesischen Volkswirtschaft auf ein Zwei-Kreislauf-System, eines für den Binnenmarkt und eines für den Export, macht insbesondere für KMU ein Onboarding in China sinnvoll oder notwendig, um auch in Zukunft chinesische Kunden bedienen zu können. Außerdem kann ein deutsches Unternehmen nur in China vor Ort an der Dynamik des chinesischen Markts teilhaben, chinesische Konkurrenten kennen­lernen und mittelfristig global auch von Bedeutung bleiben. Die chinesische Volkswirtschaft hat allerdings Corona noch nicht hinter sich. Der Zickzackkurs der chinesischen Regierung – von absoluter Kontrolle und ständigem Testen zu fast totaler Aufgabe der Kontrolle – führt schon jetzt zu einem Anstieg der Anzahl an Coronakranken im Land. Die Frage ist, ob die medizinische Versorgung des Landes ausreichen wird oder es dann doch wieder zu neuen Einschränkungen kommt. 2023 wird wirtschaftlich in China ein Jahr der Stagnation sein; nach ­Corona sind einem raschen Wiederaufleben zumindest in Sachen Binnenkonsum indes keine Grenzen gesetzt.

 

Dr. Joachim Arnold ist Chief ­Operation Officer und Head of OCO Germany. Er arbeitet mit Kunden in China und auf der ganzen Welt ­zusammen, um sich auf internatio­nalen Märkten zu positionieren, ­strategische Partnerschaften aufzubauen und Investitionen anzuziehen.

Vogel: Die Deglobalisierung wird 2023 weiter voranschreiten. Die Liefer- und Wertschöpfungsketten zwischen China und Deutschland bzw. Europa werden bereits seit zwei Jahren auf den Prüfstand gestellt. Nun werden Entscheidungen seitens europäischer Unternehmen zu alternativen Zulieferern, eigene Produktions- und Dienstleistungsstandorte in Asien, neben China vor allem Indonesien, Vietnam, Indien sowie Rückverlagerung nach Europa 2023 und 2024 umgesetzt. Wir bei VM bezeichnen diese Unternehmensstrategie als Value Chain Disruption. Ein Rückgang der deutsch-chinesischen Investition für langlaufende Maßnahmen wie z.B. bei BASF und Covestro ist kurzfristig nicht zu erwarten. So ergab die letzte Sommerumfrage der European Union Chamber of Commerce in China, dass ein Viertel der Mitgliedsunternehmen zunächst nicht weiter in China investiert. In den nächsten fünf Jahren erwarten nach einer aktuellen Umfrage der deutschen Außenhandelskammer in China (AHK) aber drei Viertel der Mitgliedsunternehmen weiterhin Umsatzwachstum.

 

Prof. Dr. Jochen Vogel ist Gründer/CEO der Value Management GmbH und des Value Management FOruM für internationale Wertsteigerungsberatung sowie Professor der FOM Hochschule für die Bereiche Performance Management, Strategie, M&A für Industrieunternehmen und Private Equity. Mit seinen Teams berät er CEOs, CFOs und COOs bei der Umsetzung von Wertsteigerungs­projekten inkl. Change Management, z.B. bei Eintracht Frankfurt, Triton, BC Partners oder JP Morgan.

Arnold: Das erste Halbjahr 2023 wird weiterhin von großen Unsicherheiten geprägt sein. Grundsätzlich werden sich die Öffnung der Einreisebeschränkungen und Reduzierung von Quarantänevorschriften positiv auf Investitionsaktivitäten im Verlauf von 2023 auswirken. Ähnlich wie in anderen Teilen der Welt nach der Pandemie ist ein Nachholeffekt ausländischer Investitionen zu erwarten. Zurückgestellte Investitionsprojekte werden mit der Lockerung der Coronavorschriften wieder aufgegriffen und realisiert. Es ist zu erwarten, dass ein Großteil der Investitionsaktivitäten durch regionale Standortverlagerungen und Expansionsprojekte von bereits ansässigen Unternehmen erfolgen wird. Investitionsprojekte von Unternehmen, die ihre erste Produktionsstätte in China aufbauen, gibt es noch relativ wenige, es könnten aber mit der Öffnung wieder mehr werden. Zudem ist mit einer verstärkten Diversifizierung der Standort- und Zulieferstrukturen in Asien zu rechnen. Dies wirkt sich auf existierende Standorte in China aus, die vorwiegend für den lokalen Markt zuständig sein, während exportorientierte Produktionen an andere Standorte außerhalb von China verlagert werden.

Wie begegnet man der zunehmenden „Politisierung“ der wirtschaftlichen Beziehungen und Investmentprojekte zwischen Deutschland und China?

Weber: Unternehmen sollten sich nicht scheuen, diese Themen offensiv mit der deutschen Regierung zu diskutieren. Als Markt bieten die diskutierten Länder Südostasiens nur geringe Chancen im Vergleich zu China; außerdem sind alle diese Länder in der Freihandelszone RCEP zusammen mit China eingebunden und meistens auch wirtschaftlich schon stark von chinesischen ­Akteuren besetzt. Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Lieferketten auf ethische Grundlagen hin ausrichten und dass auch klare Regeln in Europa bestehen, nach denen ausländische Konkurrenten nur dann auf unseren Markt agieren dürfen, wenn sie nachweislich vergleichbare ethische Grundsätze anwenden. Unternehmen, die schon in kritisch diskutierten Regionen, wie Xinjiang, investiert haben, sollten klarstellen, unter welchen Konditionen ihre Mitarbeiter vor Ort arbeiten und entlohnt werden. In Europa und damit auch in Deutschland sollten klare und auch durchsetzbare Regeln für chinesische Investoren herrschen, die streng an den Sicherheitsinteressen unserer Seite orientiert sind und darüber hinaus auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit funktionieren: Wenn eine vergleichbare Investition ausländischer Unternehmen in China nicht erlaubt wäre, sollte das auch nicht für chinesische Unternehmen in Europa möglich sein. Dabei sollte Europa als ein Block handeln und sich nicht in kleinstaatlicher Optimierung verlaufen.

Vogel: Industrie- und Dienstleistungsunternehmen haben durch die Russland-Ukraine-Situation verstanden, dass sie sich flexibler aufstellen müssen. Gewach­sene Infrastrukturen und eine direkte Bahnverkehrsader für Güter zwischen Duisburg und China, hohe Innovationskraft in chinesischen Städten und wertvolle neue Partnerschaften bieten nach wie vor Wachstumschancen. Der weltgrößte, taiwanesische Handyproduzent Foxconn mit großen Produktionsstandorten in China hat im Oktober rund 30% Umsatzrückgang (auf 18 Mrd. USD) gemeldet im Vergleich zum Vorjahresmonat. Insgesamt haben gemäß einer VM-Kunden-Studie die führenden Unternehmen der Branchen Stahl/Metall, Chemie, Maschinen-/Anlagenbau die politischen Risiken bereits neu bewertet, die Investitionsstrategien auf „Halten“ gesetzt. Die weiterhin großen Unsicherheiten der EU- und US-Beziehungen zu China sind ein weiterer Grund dafür, dass in vielen Unternehmen bisher keine komplett neuen Chinastrategien verabschiedet wurden. Das Risikomanagement auch der politischen Risiken wird weiterhin ausgebaut, z.B. werden diese jetzt eher quartalsweise und nicht nur jährlich neu eingeschätzt.

Arnold: Der Einfluss von Regierungsorganisationen und deren Gesetzgebungen auf die Marktentwicklung spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Chinageschäftsplanung von Unternehmen. Dazu ist ein detailliertes Verständnis der Regularien essenziell und es bedarf der Investitionen in lokale Expertise, um deren Auswirkungen auf das eigene Geschäft zu erfassen. Auswirkungen der „Politisierung“ auf die Geschäftstätigkeiten sind sektoral sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gilt jedoch: China ist und bleibt ein sehr wichtiger Markt für deutsche Unternehmen, der allerdings von steigender Komplexität geprägt ist und damit höheren Ressourcenaufwand bedeutet. In diesem Kontext kommt dem Aufbau von Partnerschaften zwischen deutschen Regionen und lokalen chinesischen Regierungen eine wichtige Rolle zu. Export- und Investitionsförderagenturen in Deutschland und China sind hier gefragt, Transparenz der Investitionsbedingungen zu vermitteln und die Kooperation der Marktakteuren zu unterstützen.

Viele deutsche und ausländische Fachkräfte verlassen China, allerdings ist der Talentpool in China sehr groß und wächst auch weiter. Welche Strategien sollten Unternehmen und Investoren im Umgang damit fahren? Welche Implikationen hat das?

Weber: Ich hoffe, dass sich nach dem Ende der Coronakrise in China auch wieder mehr ausländische Fachkräfte in China niederlassen. Besonders wichtig erscheint mir, dass europäische Unternehmen in China nicht nur ausländisches Topmanagement stellen, sondern vielmehr im Mittelbau des Unternehmens Techniker und Manager aus dem Ausland einstellen, um einen echten Austausch von Know-how zu schaffen. Oft ist es heute sinnvoll, in der Führungsrolle eine einheimische Kraft ­arbeiten zu lassen, besonders wenn es darum geht, chinesische Kunden zu überzeugen. Wichtiger als früher wird es sein, dass die ausländischen Fachkräfte sich mehr mit China auseinandersetzen und das Land besser verstehen lernen. Es sollte genauso selbstverständlich sein, in China zu arbeiten, wie in Frankreich oder den USA. Das heißt aber, dass Unternehmen mehr Menschen mit chinesischen Sprach- und Kulturkenntnissen einstellen und ihnen ­interne Entwicklungschancen bieten. Der angesprochene chinesische Talentpool ist eben nicht sehr groß; er ist überaus einseitig und wird fast in Gänze von chinesischen Unternehmen aufgenommen. Daher kosten auch gute und erfahrene chinesische Manager nicht weniger als ausländische Manager.

Vogel: Europäische Firmen hatten bereits in der Vergangenheit gute Erfahrung mit chinesischen Studierenden in Europa. Mittlere und höhere Führungskräfte werden nun ebenfalls aus China stärker „nachgefragt“. Viele Doktoranden aus China in Deutschland werden eher doch nicht nach China zurückkehren. Einer Studie des MarcoPolo und des Paulson Institute zufolge repräsentierten chinesische Forscher ca. ein Viertel bei der renommierten KI-Konferenz 2019. Damit ist von einem weiteren „Brain-Drain“ des chinesischen Talentpools auszugehen, verbunden mit Nachteilen für die chinesische Wirtschaft. Dieser Trend wird sich eher verstärken, weil das chinesische Wirtschaftswachstum aktuell einbricht und die Jobangebote für hoch qualifizierte Chinesen in anderen Teilen der Welt zunehmen, nicht zuletzt in Europa und Deutschland.

Arnold: Die Verfügbarkeit und vor allem die Entsendung von Fachkräften nach China ist in der aktuellen Situation eine große Herausforderung. Insbesondere der kurzfristige Einsatz von Personal macht es für Unternehmen schwierig, vor Ort Projekte durchzuführen. Dies ist einerseits durch die niedrige Planbarkeit der Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter bedingt aufgrund von regionalen Lockdowns, andererseits durch die noch vorliegenden Einreisebedingungen. Das Interesse seitens der Mitarbeiter ausländischer Unternehmen an einer kurzfristigen Entsendung nach China ist derzeit gering. Viele deutsche Unternehmen setzen daher auf eine Lokalisierung der Belegschaft und den Einsatz chinesischer Manager vorzugsweise mit Deutschkenntnissen. In der Tat haben langjährige China-Fachkräfte in den letzten Jahren das Land verlassen, allerdings ist China für viele ausländische Fachkräfte und Manager nach wie vor ein reizvoller Markt und Standort.

Vielen Dank für das Interview.

www.china-bw.net/de
www.ocoglobal.com/tag/germany/
www.vmvalue.de/

Zahlungsverkehr und Währungsabsicherung

Bildnachweis: Skórzewiak – stock.adobe.com.

Noch nie bedurfte es moderner Zahlungsverkehrslösungen zwischen China und Deutschland so sehr wie heute – denn die Volksrepublik ist vielleicht unser wichtigster Handelspartner. Im Jahr 2021 wurden nach endgültigen Ergebnissen Waren im Wert von 246,5 Mrd. EUR zwischen Deutschland und China gehandelt. Gleichzeitig weitete der Yuan seinen weltweiten Einfluss – und die Partei mischt mit. Was bedeutet das für Investoren und Unternehmen?

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Aktuell schwächelt die deutsche, aber auch die chinesische Wirtschaft, allerdings aus höchst unterschiedlichen Gründen. Bei China liegen die Gründe in der rigiden Null-COVID-Politik und einer Konsumzurückhaltung. Große Sorgen bereitet ebenso der überhitzte Immobilienmarkt mit einer Reihe spektakulärer Skandale.

Luftfracht via Hongkong nimmt ab

Hochinteressant sind in diesem Zusammenhang die neuesten Luftfrachtdaten für den Hong Kong International Airport. Generell zeigen solche logistischen Statistiken deutlich und frühzeitig die Veränderungen im Konjunkturzyklus, besonders für das verarbeitende Gewerbe. In dem Fall kommt hinzu: Hongkong ist das verkehrsreichste Luftfrachtdrehkreuz der Welt – und ein wichtiges Tor Chinas in die Welt.

Nach einer starken Erholung im Jahr 2021 sind die Frachtvolumina in Hongkong seit Februar rückläufig. Die Zahlen für Oktober zeigen einen Rückgang von 23,8% im Jahresvergleich – sehr nah am größten historischen Minus im Januar 2009. Die Zahlen sind auch tiefer als während des ersten globalen Lockdowns im Frühjahr 2020 (-13,1%). All das zeigt: Während China vor der Pandemie zu etwa 30% zum globalen Wachstumsimpuls beitrug – mehr als die Vereinigten Staaten und die Eurozone zusammen –, sind es nun etwa 10%.

So abhängig wie von Russland?

Schließlich ist Deutschland stark von der chinesischen Wirtschaft abhängig – als Absatzmarkt, aber auch Quelle günstiger Konsumgüter, Vorprodukte und Materialien. Die Rufe nach „China+1-Strategien“ hört man oft, zahlreiche Unternehmen schauen sich verstärkt auch nach zusätzlichen Standorten in Asien um. Noch aber gehen nach wie vor Milliarden an Euro und Yuan alljährlich über deutsch-chinesische Import- und Exportkonten.

Verwendung des Yuan wächst

Bemerkenswert sind hierbei Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): Sie zeigen die zunehmende Verwendung des Yuan im weltweiten Handel an, und zwar mit einem Sprung vom achten auf den fünften Platz, von dem das Britische Pfund verdrängt wurde. In den vergangenen Jahren hat Peking Währungs-Swap-Abkommen mit einer Vielzahl afrikanischer, ­lateinamerikanischer und asiatischer Länder abgeschlossen. Sie stellen den Hauptfaktor hinter der Internationalisierung des Yuan dar und sind deutlich wichtiger als auf Yuan lautende Ölkontrakte. Allerdings ist diese Internationalisierung auch auf eine größere Wechselkursflexibilität angewiesen. Und bis sie Wirklichkeit ist, wird es dauern. Erst kürzlich intervenierten sogar chinesische Geschäftsbanken in den Markt, um den Wechselkurs der chinesischen Währung zu beeinflussen – vermutlich auf Anweisung der Zentralbank.

Wechselkurse: Die Partei mischt mit

Was bedeutet all dies für chinesisch-deutsche Transaktionen? Ein wichtiger Hebel für Chinas Erfolg im globalen Handel ist der Yuan/Renminbi, der lange als chronisch unterbewertet galt. China und seine staatlichen Stellen ­taten/ tun dies, um der heimischen Wirtschaft Vorteile beim bedeutsamen Export zu verschaffen – die Waren sind dann günstiger. Gerade die USA haben diesen Mechanismus jahrelang scharf kritisiert. Seit Mitte 2020 ist jedoch der Renminbi gegenüber dem Dollar und Euro deutlich stärker geworden, und zwar sicherlich nicht durch das Spiel freier Märkte. Man vermutet, dass dies chinesische Importe stützen, also den Einkauf von Rohstoffen oder Maschinen günstiger gestalten sollte – zu dem Preis, dass der Export ein paar Kostenaufschläge erhält. Diese Währungspolitik ist immer zweischneidig und in ­Bezug auf China ein besonders großes Spannungsfeld; dies ist auch daran zu sehen, dass es seit Mitte des Jahres wieder in die andere Richtung geht.

Deutscher Außenhandel: Mehr Geschäfte in China; Quellen: Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft © 2022 IW Medien / iwd

Lösung: Währungsabsicherung

Da niemand Währungsschwankungen voraussehen kann – schon gar nicht, wenn eine Kommunistische Partei mitmischt –, empfehlen wir unseren Kunden stets, diese durch Währungsab­sicherungen zu flankieren. So können europäische Einkäufer ihre chinesischen Lieferanten in ihrer Währung bezahlen. Dies ist unter dem Strich günstiger, denn bei einem fix in Euro festgelegten Geschäft hat zwar der Euroinhaber kein Währungsrisiko, wohl aber der Zulieferer, der in Yuan kalkuliert – und dieses Risiko auf den Preis aufschlägt. Tools zur Währungsabsicherung sollten daher genutzt werden, um Planungssicherheit zu haben, aber auch um mit einem vereinbarten Kaufpreis in Yuan womöglich noch ein paar Prozente herauszuschlagen.

Ob nun Waren nach China exportiert oder aus China importiert werden – mit folgenden Problemen sehen sich die meisten Unternehmen in dieser Situation konfrontiert:

  • Margendruck durch fehlende Kalkulationssicherheit (EUR/CNH-Schwankungen)
  • keine Transparenz über Wechselkurse und hohe Abschluss-/Handelsgebühren der Banken
  • keine Transparenz über Wechselkurse und hohe Gebühren der Banken
  • Kunden in China möchten in ihrer loka­len Währung bezahlen und wünschen eine verlässliche Preisgebung.

Doch wie können die Folgen fehlender Währungsabsicherung nun genau aussehen? Um das zu veranschaulichen, finden Sie im Folgenden zwei Beispiele:

Grundsätzlich können Kunden für die Währungsabsicherung mehrere ­Varianten nutzen – von fixen Devisentermingeschäften bis hin zu dynamischen Termingeschäften inkl. Partizipierungsmöglichkeiten bei positivem Kursverlauf. Jede Lösung muss auf die jeweilige Kundensituation maßgeschneidert werden. So sichert sich der Kunde bei einem fixen Devisentermin-geschäft einen festen Kurs in der ­Zukunft, um einen bestimmten Fremdwährungsbetrag zu kaufen oder zu verkaufen. Bei dynamischen Devisentermingeschäften hingegen sichert man sich, zwar ebenfalls einen fixen Kurs verbindlich in der Zukunft, allerdings mit dem Zusatz, dass man am Markt partizipieren kann. Man profitiert dann davon, wenn sich der Kurs entsprechend positiv entwickelt. Hier kann man mit entsprechenden Konstruktionen sehr individuell auf jeweilige Zahlungs- und Risikosituationen eingehen.

Wichtig ist für Währungsabsicherungen zusätzlich die schnelle Handlungsfähigkeit. Bei iBan-First erhält der Kunde über die Onlineplattform die Möglichkeit, jederzeit seine gesamten laufenden Devisentermingeschäfte einzusehen. So kann er sich jederzeit mit einem Account Manager für die bestmögliche Absicherung gegen Währungsrisiken abstimmen.

FAZIT

Aufgrund der chinesischen Währungspolitik, aber auch für Planungssicherheit sollte man Tools zur Währungsabsicherung einsetzen. Bei intelligenter Nutzung lassen sich mit ihnen sogar bei in Yuan vereinbarten Kaufpreisen noch ein paar Prozente herausschlagen. Professionelle Währungsabsicherungen sind damit eigentlich ein Muss im deutsch-chinesischen Geschäft, auch im Jahr 2023.

www.de.ibanfirst.com

Top-Five-Herausforderungen bei der China- und Asienexpansion

Bildnachweis: tomertu – stock.adobe.com.

Allein im ersten Halbjahr 2022 investierten deutsche Firmen 10 Mrd. EUR in China. Der Wert ­übertrifft alle erfassten Statistiken seit dem Jahr 2000. China bleibt ein wichtiges Investitionsziel, wenngleich angemerkt werden muss, dass zwischen 2018 und 2021 allein die großen Unterneh­men BASF, Siemens, VOLKSWAGEN, BMW und Daimler rund ein Drittel aller europäischen ­Gesamtinvestitionen ausmachten. Wir zeigen die Top-Five-Herausforderungen bei der China- bzw. Asienexpansion auf – und praktische Wege, sie zu überwinden. 

Diesen und weitere Artikel finden Sie in unserem neuen Investment Guide China / Deutschland – JETZT ALS E-MAGAZIN LESEN

Unternehmen, die weiteres Wachs­tum über eine Expansion in China und Asien generieren wollen, brauchen Antworten dafür, wie sie sich als Unternehmen positionieren, welche Marktsegmente sie anvisieren oder wie das Lieferkettenmanagement organisiert wird. Wir haben die wichtigen Themen analysiert:

1. Klare Positionierung im Markt von elementarer Bedeutung

Sollte ein Unternehmen bei der Markterschließung in China zunächst eine Exportbasis aufbauen oder besser Produkte direkt von Beginn an für den Direktvertrieb lizenzieren lassen? Oder rechtfertigt die starke Markenstellung sogar Übernahmen oder die Gründung neuer Tochtergesellschaften? Eine erste Orientierungsgrundlage beim Markteintritt in China gibt die folgende Grafik.

Quelle: Hawksford

Unternehmen sollten sich beim Markteintritt in China zwei Schlüsselfragen stellen:

Wie viel von ihren vorhandenen Ressourcen (d.h. Geld, Zeit und Fachwissen) sind sie zu investieren bereit? Je weniger, desto besser ist es für das ­Unternehmen, auf vertraglicher Basis in den chinesischen Markt einzutreten – durch Lizenzierung, Franchising-Projekte oder andere Partnerschaften.

Wie viel Kontrolle wollen sie im Unternehmen behalten? Je mehr, desto besser ist die Gründung einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft (WFOE).

2. Balanceakt im Premiumsegment

Das Wachstum der Schwellenländer werde den Welthandel bis 2030 grundlegend neu ordnen, so eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Die Präferenzen der stark heranwachsenden Mittelschichten, vor allem in China und Indonesien, dürften in den nächsten Jahrzehnten einen starken Einfluss auf die Produktentwicklung und die damit in Verbindung stehenden Fertigungsketten ausüben. Letztlich werden Mittelständler, die Marktanteile gewinnen wollen, noch stärker hochwertige Produkte zu bezahlbaren Preisen anbieten müssen. Im Vordergrund steht dabei mehr und mehr das Einkaufserlebnis. Insbesondere über moderne digitale Formate kann die aufstrebende Bevölkerungsschicht in Asien deutlich besser als in Europa erreicht werden.

3. Internationale Fertigungsbasis mit lokaler Charakteristik

Auch wenn Produktion, um näher am Kunden zu sein, zunehmend ins Ausland verlagert wird, so werden Geschäftsausrichtung und Strategie weiterhin an der Basis entschieden. Langfristige Kundenbeziehungen und Kontinuität sind dabei wichtiger als kurzfristiger Profit. Die Herausforderung für den Mittelstand ist, sich im mittleren Preissegment, in dem die Nachfrage gerade in Schwellenländern höher ist, zu etablieren, ohne gleichzeitig die Premiumidentität der Marke zu verlieren. Kleinere Mittelständler können je nach Land eine gesonderte Strategie definieren, die auf den Erkenntnissen einer ­lokalen Marktstudie aufbaut. Größere Mittelständler hingegen könnten ihr Handeln lokal und überregional gleichzeitig steuern, beispielsweise über eine Asienzentrale in Singapur und regionale Produktionsstandorte in ausgewählten Schwellenländern.

So Viele Milliarden Euro investierten deutssche Unternehmen pro Jahr zusätzlich in China; Quelle: Hawksford

4. Diversifizierung der Produktpalette erleichtert Marktsegmentierung

Wettbewerber aus China haben in ­Nischenmärkten aufgeholt und erobern sie nun. Wenn deutsche Hidden Champions keine Strategie finden, wird ihr ­zukünftiges Wachstum stark reduziert. Die Entscheidung, ob man dieser Entwicklung mit Investitionen gegensteuern will, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Größe des Unternehmens, dem Anteil am Premiumsegment, Eintrittsbarrieren, Kosten und der Stärke der lokalen Wettbewerber vor Ort. ­Eine Option ist dann z.B. die Erweiterung der Produktpalette mit speziellen Produkten, die nur für Schwellenländer bestimmt sind. Dies bietet sich an, ­sofern die Nische relativ groß ist und für das Mid-Market-Segment ein starkes Wachstumspotenzial besteht.

5. Lieferkettenmanagement: Priorisieren und regionalisieren

Für die Regionalisierung von Liefer­ketten punktet der asiatisch-pazifische Raum, allen voran China, mit einem ­klaren Standortvorteil: Er kann bereits seit vielen Jahrzehnten auf bequeme Handelsrouten und technologiegetriebene Lieferkettenmodelle zurückgreifen, was die Effizienz beim globalen Handel mit Waren und Dienstleistungen erhöht. Lokale Experten können dabei zu Lieferkettenrisiken und deren Chancen beraten. Kritische Komponenten werden künftig äußerst selten nur aus einem Land kommen. Diesbezüglich wird gerne von der Strategie „China+1“ gesprochen und damit von der Ausschau nach alternativen Zulieferern aus verschiedenen Regionen. Vor allem für ­arbeitsintensive Produktionsketten gestaltet sich diese Diversifizierung ­jedoch als schwierig, da sie sehr zeit- und kapitalintensiv sind. Inmitten der komplexen Veränderungen in globalen Lieferketten ist es für Supply Chain ­Manager daher wichtiger denn je, über die Mapping- und Transparenzfunktionen zu ver­fügen, die genau zeigen, wo die von den direkten Lieferanten und Auftragsfertigern verwendeten Materialien und Komponenten hergestellt werden.

Fazit

Die internationale Geschäftsexpansion erfordert strategische Planung, Zeit und Ressourcen, um langfristig in Asien zu wachsen. Ein Aktionsplan unter ­Berücksichtigung der oben genannten fünf Herausforderungen mindert viele Anfangsschwierigkeiten. Besonders ­regionale Produktionsstandorte sind hilfreich dafür. Auch die Produktpräferenzen der stark heranwachsenden Mittelschichten, vor allem in China und Indonesien, dürften in den nächsten Jahrzehnten die globale Produktentwicklung und die damit in Verbindung stehenden Fertigungsketten stark beeinflussen. Daher sollte man die Produktentwicklung strategisch bereits früh auf den Bedarf der Zukunftsmärkte ausrichten.

www.hawksford.com

Ant Group jetzt wieder Kandidat für IPO

Der Gründer der chinesischen Ant Group, Jack Ma, gibt Medienberichte zufolge die Kontrolle über den Finanzdienstleister ab – das könnte die Börsenpläne revitalisieren.

Ein solcher Rückzug, sofern er sich denn manifestiert, könnte die Pläne für einen Börsengang wiederbeleben. Milliardär Jack Ma möchte sich angeblich von der Kontrolle über den Finanzriesen Ant Group verabschieden. Der Gründer des Unternehmens sowie ja auch der größten chinesischen Handelsplattform Alibaba ziehe sich damit weiter aus seinem Online-Imperium zurück.

Das gehe zudem aus einer Mitteilung der Ant Group hervor. Der Schritt erfolge vor dem Hintergrund des Durchgreifens chinesischer Aufsichtsbehörden, die vor zwei Jahren noch den seinerzeit geplanten Börsengang des FinTech-Großunternehmens verhindert hatten und dem Technologie-Sektor seitdem genauer in die Bücher und auf die Finger schauen.

2020 hätte ein IPO mit damals geplanten Erlösen von 35 Mrd. USD einen der größten Börsengänge des Jahres bedeutet, womöglich sogar weltweit den größten.

Seit seiner einstigen Kritik am chinesischen Wirtschaftssystem war Jack Ma zunehmend aus der Öffentlichkeit abgetaucht. Der Schritt zum weiteren Rückzug Mas könnte also ein Zugeständnis sein, das man ihm abzuringen vermochte, um sich weiterhin unbehelligt bewegen und arbeiten zu können. Zuletzt lebte der 58jährige längere Zeit in Japan unterhalb des Radars chinesischer Behörden.

Allerdings: Chinesische Aktienmärkte erfordern nach maßgeblichen Veränderungen in der Unternehmensführung eine sog. Abklingzeit von zwei bis drei Jahren, für Hongkong reicht ein Jahr.

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Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

! Neu ! Investment Guide 2023 erschienen

Was aktuell im deutsch-chinesischen Investmentgeschehen wichtige Entwicklungen sind, dafür liefert Ihnen unser jährlicher Investment Guide 2023 mit vielen Experten-Beiträgen und -Analysen Antworten.

Hier können Sie ihn schon vorab als digitale Version erhalten, zum Chinese New Year Ende Januar erscheint er in einer nochmals erweiterten Version wie gewohnt als gedruckte Auflage.

Für 2023 zeigen sich am M&A-Horizont Signale für eine vermehrte chinesische Beteiligungsaktivität in Deutschland. Allen voran dürfte die Öffnung Chinas nach dem Lockdown (‚Null-Covid-Strategie‘) positiv wirken, aber auch das ungebrochene Interesse chinesischer Unternehmen an deutschen Targets in Branchen wie Industrie, Gesundheit oder Chemie.

Der Kauf eines Bereichs von ams-OSRAM durch Inventronics aus Hangzhou oder der Kauf der Krüger & Sohn GmbH durch die Sinoseal Holding sind nur zwei der Beispiele dafür aus diesem Jahr. Die M&A Aktivitäten deutscher Unternehmen in China hingegen erreichen gar trotz schwieriger politischer Stimmung gegenüber China nahezu Rekordniveau, allen voran sei die Milliardenbeteiligung von VW bei CARIAD Horizon Robotics genannt.

Was sind nun für das kommende Jahr die wichtigen Faktoren und Rahmenbedingungen im deutsch-chinesischen Investmentgeschehen? Den vertiefenden und hoffentlich erhellenden Blick dafür finden Sie im neuen Investment Guide 2023.

Aus dem Inhalt des Investment Guide 2023

US-Gesetzesvorhaben bedroht deutsche Chinainvestitionen
– Was für China als Standort spricht: Innovationen, Talentpool und Infrastruktur
Lieferketten China-Deutschland: Probleme, Trends, Chancen für Unternehmen und Investoren
Rechtstrends 2023 für Unternehmen, Investitionen und HR
– deutsch-chinesischer M&A Korridor – quo vadis?
– Herausforderungen für Investitionsvorhaben in China: Investoren bekommen Zollbefreiungen und Steuererleichterungen
– Interview „Der M&A-Markt hat bei chinesischen Investoren Nachholbedarf“
– Interview „Ich glaube an mehr chinesische Investitionen in Deutschland“
Joint Ventures als Königsweg für den Gang in den chinesischen Markt
– Unternehmen in China 2023 starten: von China aus in den Weltmarkt
Compliance Tools in China: Softwarelösungen und Hinweisgebersysteme
– wichtige Werkzeuge, die man im Chinageschäft kennen sollte
– Interview „Lokale Wertschöpfungsketten gewinnen in China an Bedeutung
Top-Five-Herausforderungen für die China-Asien-Expansion
Zahlungsverkehrslösungen zwischen China und Deutschland
Währungsabsicherung bringt Planungssicherheit bei Transaktionen
– Rückschritt nach vorne? Expertenumfrage zur Einschätzung der deutsch-chinesischen Investitionen 2023

! Link zum e-Magazin – bitte hier klicken !

Dieses und anderes mehr finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Investment Guide 2023. Das e-Magazin zum interaktiven Durchblättern kann natürlich auch als pdf heruntergeladen werden – über Weiterleitungen des Links freuen wir uns genauso wie über Interaktionen in den üblichen Social-Media-Kanälen !

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Cross-Media-Empfehlungen:

Schon die brandneue Jahresausgabe ‚Anleihen 2022‘ (11. Jg., Erscheinungstermin Dez 2022) gesehen? – bequem als pdf zum Downloaden, teilen oder weiterleiten.

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022 der Plattform Life Sciences ist da. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Compliance in China: Software und Hinweisgebersysteme

Bildnachweis: WrightStudio – stock.adobe.com.

Die zunehmende Gesetzeskomplexität und regelmäßige Gesetzesänderungen in der ­Volksrepublik China („VR China“, „China“) stellen kleine und mittelständische Unternehmen („KMU“) in China und deren Muttergesellschaften im Ausland vermehrt vor Herausforderungen. Aber es existieren neue Lösungen, um einen aktuellen Überblick über die geltenden rechtlichen Anforderungen für deren geschäftliche Aktivitäten in China zu behalten, die Compliance des Tochterunternehmens sicherzustellen und somit unerwünschte Sanktionen zu vermeiden.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in unserem neuen Investment Guide China / Deutschland – JETZT ALS E-MAGAZIN LESEN!

Die Anzahl der neu erlassenen und überarbeiteten Gesetze hat sich von 2013 bis 2021 versechsfacht (siehe dazu auch nachfolgende Abbildung).

NPC Lawmaking in the New Era; Quelle: https://npcobserver.com

Neben der Unternehmenshaftung, d.h. der Haftung juristischer Personen, gibt es im chinesischen Recht zahlreiche zivil-, verwaltungs- und strafrechtliche Compliance-Pflichten, bei deren Verletzung Führungskräfte, Direktoren, gesetzliche Vertreter und andere Verantwortliche für Gesetzesverstöße in Haftung genommen werden können.

Diese Haftungsgrundlagen finden sich in unterschiedlichen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften, wie z.B. dem Exportkontrollgesetz der VR China vom 1. Dezember 2020, dem Gesetz der VR China über die Sicherheit am Arbeitsplatz vom 1. September 2021, dem im ­August 2022 novellierten Antimonopolgesetz der VR China oder den neuen ­Gesetzen im Bereich Datenschutz und Daten- und Cybersicherheit 2017 und 2021. Neben den mehr als 290 Gesetzen gelten Tausende von nationalen, regionalen und lokalen Verwaltungsvorschrif­ten, aber auch zahlreiche freiwillige und zwingende Industriestandards, die bei der Analyse der Compliance-Anforderungen berücksichtigt werden müssen.

Dabei beschreibt der Begriff Compliance nicht nur die bloße Einhaltung von geltenden Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, Industrienormen, freiwilligen Kodizes, unternehmensinternen Standards. Vielmehr umfasst er auch die Gesamtheit aller betrieblichen Maßnahmen zur Verhinderung, Auf­deckung und Behandlung von Rechtsverstößen genauso wie die Minimierung von Haftungsrisiken der Geschäfts­führung und wirtschaftlichen Schäden des Unternehmens.

Compliance-Management-Systeme für KMU in China

Das chinesische Recht enthält keine ­explizite Pflicht für KMU zur Einführung eines Compliance-Management-Systems („CMS“). Jedoch sieht das chinesische Gesellschaftsrecht umfassende Sorgfalts­pflichten für Direktoren vor, ­anhand derer sie die Compliance im ­Unternehmen sicherstellen und kontrollieren müssen. Um Compliance fortlaufend mit vertretbarem Aufwand sicherzustellen, ist ein CMS zu empfehlen.

Einige chinesische Gesetzte sehen schon jetzt vor, dass auch KMU zur Einführung eines CMS bzw. eines internen Kontrollsystems ermutigt werden sollen. Entsprechende Leitlinien wurden bereits erlassen, so z.B. die CMS-Leit­linien vom 2014, die Richtlinie für die interne Kontrolle von Kleinunternehmen vom 1. Januar 2018, aber auch die Leitlinie zur Einrichtung interner Ausfuhrkontrollmechanismen vom 28. ­April 2021 durch Unternehmen, welche sogenannte Dual-Use-Güter und Technologien exportieren.

Ein CMS basiert auf organisatorischen, technischen und anderen Maßnahmen („TOM“). Art und Umfang der Maßnahmen hängen von der Größe, Geschäftstätigkeit des Unternehmens und anderen Faktoren ab. Ein CMS umfasst beispielsweise die Formulierung von internen Verhaltenskodizes und ­Arbeitnehmerhandbüchern, Durchfüh­rung von Schulungen, Einsatz digitaler Softwarelösungen oder die Einführung von sogenannten Hinweis­geber­syste­men oder Whistleblower Hotlines.

Softwarelösungen und Hinweisgebersysteme als Compliance-Tools

Neue digitale Compliance-Lösungen für Unternehmen in China, einschließlich Rechtskataster und webbasierter Compliance-Management-Software, geben als Teil eines CMS den KMU eine praktische Abhilfe. Gleichzeitig liefern sie eine vollumfängliche Dokumentation und stetige Aktualisierung der einschlä­gigen Gesetze, Verwaltungsvorschriften und zwingenden Industriestandards.

Diese digitalen Compliance-Lösungen unterstützen die Geschäftsführung bei der Prüfung, Klassifizierung und Verzeichnung einschlägiger Rechtsvorschriften, der revisionssicheren Dokumentation und der transparenten Aufgabendelegation an zu benennende Mitarbeiter. So helfen sie der Geschäftsführung, den Überblick zu bewahren, und ermöglichen es, im Austausch mit ­Behörden compliancekonform auch ohne lange Vorbereitungszeiten zu handeln.

Neben bzw. als Teil eines CMS können Hinweisgebersysteme zur Vermeidung oder zumindest Reduzierung von direkten Meldungen von Gesetzesverstößen durch Whistleblower an Behörden beitragen. Das Durchstechen von Gesetzesverstößen durch Mitarbeiter, Wettbewerber oder Dritten an Behörden, ohne das betroffene Unternehmen vorab zu informieren, erhöht die Haftungsrisiken nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für die Geschäftsführung.

Mithilfe eines bekannten und einfach zu bedienenden Hinweisgebersystems können Kontrollmängel und Missstände im Unternehmen frühzeitig durch Mitarbeiter, Zulieferer, Kunden, aber auch Dritte aufgedeckt werden. Die Hinweise geben der Geschäftsführung die erforderliche Zeit und Gelegenheit, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen und sich auf eventuelle behördliche Kontrollen vorzubereiten, um Reputations- und finanzielle Schäden zu vermeiden.

Als eine effiziente Lösung für KMU in China hat sich die Einführung eines elektronischen Hinweisgebersystems in Kombination mit einem lokalen Ombudsanwalt bewährt. Lokale Ombudsanwälte können durch das elektronische Hinweisgebersystem erhaltene Hinweise nicht nur entgegennehmen, sondern sie vor allem auch auf rechtliche Relevanz prüfen. Sie können mit dem Hinweisgeber in Mandarin und unter Beachtung lokaler und kultureller Besonderheiten kommunizieren sowie eine Sachverhaltsaufklärung durchführen.

Die Effektivität eines CMS hängt entscheidend vom Compliance- und Verant­wortungsbewusstsein der Geschäftsführung ab. Für ausländische Investoren ist es oft eine große Herausforderung, das erforderliche Bewusstsein bei der Geschäftsführung und den Mitarbeitern des Tochterunternehmens in China zu schaffen. Hier helfen interne Schulungen und Workshops, im Rahmen derer die Mitarbeiter und ggf. auch Zulieferer durch die Geschäftsführung („Tone from the Top“) mit den einzuhaltenden Regelungen, nicht tolerierten Verhaltensweisen und Meldepflichten vertraut gemacht werden. Um die gewünschten Effekte zu erzielen, sollte man die konkreten internen Regelungen vorab durch die Geschäftsführung – ggf. mit Unterstützung eines Compliance-Experten – festlegen und erst dann mittels zielgruppengerechter Schulungen durch Experten im betroffenen Bereich wirksam kommunizieren.

FAZIT

Die Einführung eines CMS und das rechtzeitige Entdecken von Verstößen oder die nachweisbare Adressierung der Missstände innerhalb des Unternehmens verbessern regelmäßig das Rating des Unternehmens bei Kunden, verschaffen einen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern, werden bei der Bemessung der Sanktionen von den Behörden berücksichtigt und führen schließlich zu milderen Sanktionen.

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„Lokale Wertschöpfungsketten gewinnen in China an Bedeutung“

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Unternehmen und Investoren im Deutschland-China-Geschäft begleitet man bei der BankM seit vielen Jahren. So bekommen die Verantwortlichen interessante Erkenntnisse zu den Chancen und Herausforderungen für Investoren. Ziyun Wang und Axel Rose erläutern ihre Einblicke dazu für 2023.

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Wie ändert sich die Situation für deutsche Unternehmen, die 2023 in China investieren wollen?

Ziyun Wang hat in China und Deutschland mit dem Schwerpunkt Internatio­nal Economics BWL studiert. Nach Abschluss ihres Studiums sammelte sie Erfahrung in verschiedenen internatio­nalen Konzernen sowie öffentlichen Institutionen. Seit 2014 ist Frau Wang bei der BankM für den Bereich Business Development Asia zuständig.

Wang: Da nun langsam die Zero-COVID-Reisebeschränkungen aufgehoben werden, löst sich ein erhebliches Hindernis für den wirtschaftlichen Austausch ­zwischen Deutschland und China hoffentlich auf. Nach dem Parteitag am 16. Oktober 2022 ist aber auch klar geworden, dass 2023 viele der wirtschaftlichen Strukturen auf staatliche Unternehmen ausgerichtet werden. Davon sind Hightechsektoren – z.B. die Halbleiterindustrie oder der medizinische Bereich – am wenigsten betroffen. China will bis 2045 den CO2-Wendepunkt ­erreichen und bis 2060 CO2-neutral sein, hier ergeben sich für deutsche Unternehmen interessante Aktions- und Investitionsfelder. Und Chancen ergeben sich übrigens auch aus der Altersstruktur heraus: Bis 2030 leben in China 350 Millionen Menschen im ­hohen Alter – das entspricht etwa der ­gesamten Bevölkerungszahl der USA.

Welche außer den genannten Branchen sind aus Ihrer Sicht für Investoren in China noch interessant?

Wang: Die Staatsregierung legt auf alle Branchen wert, die der Sicherheit Chinas dienen. Dazu kann man auch den Bereich Luftfahrt und Aerospace zählen, zumal er einen massiven Beitrag zum Bruttosozialprodukt erzeugen wird. Die großen Auftraggeber sind hier staatliche Unternehmen. Für normale deutsche Unternehmen wird es dabei zwar nicht leicht, als Zulieferer zugelassen zu werden, aber wer innerhalb eines Vergabeprozesses einen Lieferauftrag gewinnt, erhält langfristige Auftragssicherheit. Gerade läuft beispielsweise die Zertifizierung für das Passagierflugzeug C929. Der Zertifizierungsprozess kann dabei jedoch mehrere Jahre dauern.

China versucht, über öffnende Regularien mehr Anlagekapital ins Land zu bekommen und damit die Wirtschaft zu stimulieren. Auf welche Aspekte sollten Investoren und Anleger achten, wenn sie sich das zunutze machen wollen?

Wang: Man sollte genau schauen, wo man die besten Bedingungen findet. Nehmen wir eine Ansiedlung in der Freihandelszone in der Provinz Hainan. Es gilt wegen der Nähe zu Meer, Strand und Sonne als chinesisches ­Hawaii. Die lokale Regierung hat für die Ansiedlung attraktive Konditionen erstellt. Der Unternehmenssteuersatz beträgt 15%, während er sonst in China bei 25% liegt. Auch als Angestellter zahlt man in Hainan nur einen Steuersatz von 15%, wohingegen es sonst in China eine progressive Einkommensteuer gibt – ähnlich den Sätzen in Deutschland. Dazu ist der Import ­bestimmter Materialien und Produkte zollfrei, wenn das Endprodukt für den chinesischen Markt bestimmt ist und mehr als 30% der Wertschöpfung in Hainan stattfindet. Aufgrund des guten Klimas ist Hainan besonders interessant für Hersteller von Saatgut sowie Agrartechnologie. So sind Bayer und KWS schon vor Ort aktiv. Infolge des Ukrainekriegs ist der Bedarf in China an Reis und Weizen, aber auch hochwertigem Soja und Mais zuletzt noch einmal gestiegen.

Axel Rose ist Bankkaufmann und V­olkswirt und seit 2013 bei der BankM AG im Projektgeschäft tätig. Als Spezialist für Kapitalmarktkommunikation hat er zahlreiche Transaktionen mit Chinabezug begleitet. BankM unterstützt mittelständische Unternehmen mit einem breiten Dienstleistungsportfolio u.a. bei der Suche nach strategischen Partnern im asiatischen Raum.

Kommen wir zu einem anderen Investorenthema: Die Pekinger Börse wurde am 15. November 21 eröffnet und soll auch der Entwicklung innovations­orientierter KMU dienen. Was ist Ihr erstes Fazit für die Pekinger Börse?

Rose: Für ein Fazit ist es noch zu früh, aber die in etwa 100 Börsengänge, die dort seither stattgefunden haben, klingen beeindruckender, als sie für ein Land wie China tatsächlich sind. Wie schwierig es ist, ein Mittelstandssegment an der Börse zu etablieren, sieht man ja in Frankfurt mit dem Entry-Standard-Nachfolger Scale. Unser Eindruck ist deshalb, dass sich europäische und internationale Anleger die Pekinger Börse bislang eher von außen anschauen und die weitere Entwicklung abwarten. Greifen die Maßnahmen wie der neue BSE 50 Index, die zur Steigerung von Handels- und Finanzierungsvolumen jüngst ergriffen wurden? 2023 wird es uns zeigen.

Aber neben einem abwartenden Going China gibt es bei Unternehmen auch eine Tendenz, sich von China als Beschaffungs- und Absatzmarkt unabhängig zu machen. Was empfehlen Sie Unternehmen und Investoren bezogen auf diesen Punkt?

Rose: Ja, das ist ein Thema. Wir erleben Kunden auch als eher zurückhaltend und mit großer Vorsicht agierend. ­Wegen der US-Bestimmungen müssen ja Firmen, die z.B. Apple und HUAWEI beliefern, zwei voneinander völlig abgetrennte Produktionswege aufbauen. Dazu versuchen Unternehmen Abhängigkeiten von China bei Beschaffung und Lieferketten zu reduzieren und stärker auf lokale Märkte abzustellen. Dies empfehlen wir auch für China: kein Rückzug, aber eine stärker innerregionale Ausrichtung.

Zum Schluss: „Wir sind wie eine Insel im Haifischbecken“ lautet eine Aussage von Ihnen. Inwiefern trifft das auch auf Ihre China-Deutschland-Aktivitäten zu?

Rose: Als BankM kämpfen wir nicht wie Private-Equity-Häuser um einen Deal, sondern sind auf strategisch relevante Transaktionen und Themen ausgerichtet. Das heißt, wir liefern auch bei deutsch-chinesischen Transaktionen strategische Finanzierungen, helfen bei der Partnersuche, klären Marktfragen, öffnen Türen in unserem Netzwerk bei der Chinaansiedelung zu den regionalen Regierungen und anderen Investoren. Dies tun wir unabhängig von einzelnen Marktströmungen, weil wir von der strategischen Bedeutung überzeugt sind. Bei allen globalen Abschottungstendenzen kommen deutsche Unternehmen auch in ­Zukunft nicht an China vorbei. Insofern sind wir hier weniger eine Insel als vielmehr ein kleiner Leuchtturm, der auch in schweren Wellen nicht einfach verschwindet, sondern verlässlich Unterstützung bietet.

www.bankm.de

„Der M&A-Markt hat bei chinesischen Investoren Nachholbedarf“

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2021 waren die chinesischen Investitionen in Europa im Vergleich zum Vorjahr wieder leicht angestiegen – ein positiver Trend, der sich für 2023 fortsetzen könnte. Gleichzeitig überlegen sich chinesische Unternehmen aber in der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Gemengelage genauer und vorsichtiger, ob sie bei deutschen Targets einsteigen. Einschätzungen dazu aus der Geschäftspraxis mit chinesischen Investoren gibt Baoshan Bao, Partner im M&A-­Beratungsunternehmen Livingstone.

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Wie entwickeln sich die chinesisch europäischen Transaktionen 2023? Welche Chancen, Risiken und Herausforderungen erwarten Käufer aus China?

Baoshan Bao ist als Partner verantwortlich für das Chinageschäft der internationalen M&A-Beratungsorganisation Livingstone. Nach seinem Studium der Politikwissenschaften in China studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln. Durch die Mitarbeit an vielen deutsch-chinesischen M&A Projekten sammelte zahlreiche einschlägige berufliche Erfahrungen.

Bao: Für die Antwort greife ich die vier aus meiner Sicht maßgeblichen Punkte auf. Erstens steht die wirtschaftliche Entwicklung Chinas wegen der langen Zero-COVID-Periode aktuell unter Druck. Dazu kommt zweitens der noch immer währende Handelskrieg mit den USA. Drittens schärft Europa bzw. die europäischen Länder, in denen sich die potenziellen M&A-Targets befinden, ihre staatlichen Kontrollen für Übernahme durch Nicht-EU-Staaten. Und schließlich viertens: Die europäischen bzw. US-amerikanischen Käufer, sowohl Finanzinvestoren als auch strategische Käufer, sind auf dem hiesigen Mid-Cap-M&A-Markt immer noch sehr aktiv. Ich würde sogar sagen, sie sind aktiver als in den Jahren zuvor, und aus Sicht der Targets agieren sie oft immer noch besser als die chinesischen Unternehmen bezogen auf den Punkt, wie die Targets sich den Ablauf der Transaktion wünschen. Obwohl es gleichzeitig viel Ungewissheit und Schwierigkeiten auf dem Markt gibt, wird das Kaufinteresse aus China für deutsche und europäische Unternehmen weiterhin wie in letzten Jahren bestehen bleiben. Die Motivation für ihr Kaufinteresse geht nach wie vor auf folgende Faktoren aus: ein Upgrade bei der Technik zu erreichen, Marktzugang sowie Wachstumspotenzial zu schaffen und schließlich bei den börsennotierten Gesellschaften Produktportfolios zu erweitern. In einigen Bereichen werden chinesische Firmen Marktkonsolidierungen, die durch die M&A-Aktivitäten getrieben werden, sogar vorantreiben. Gleichzeitig werden chinesische Investoren wegen der geografischen Konflikte bzw. dem Ukrainekrieg, der Energiekrise, der Inflation vorsichtiger bei Transaktionen auf den europäischen Märkten. Für Unternehmen auf dem europäischen Markt wird es deswegen schwieriger, chinesische Unternehmen für Beteiligungen an Bord zu bekommen. Die europäischen Firmen hingegen werden in Bereichen, in denen sie nicht konkurrenzfähig produzieren können, Aktivitäten abgeben, um sich mit den freigewordenen Ressourcen sich auf neue Technologien und Märkte konzentrieren zu können. Und gerade daraus ergeben sich große Chancen für chinesische Erwerber. Die Frage bleibt nur, wie gut und vor allem welche der chinesischen Firmen dafür gut vorbereitet sind. Ich jedenfalls bin fest davon überzeugt, dass gut vorbereitete und professionell aufgestellte Käufer aus China nach wie vor guten Chancen in der Hand haben, ihre strategischen Pläne durch M&A in Europa umsetzen zu können.

Livingstone ist seit 2011 mit einem China Desk am Markt. Wie lief es für Sie seither?

Bao: Nach einer Aufbauphase konnte Livingstone seit Ende 2014 jährlich chinesisch deutsche Transaktionen auf dem M&A-Markt vermelden. Chinesische Käufer schätzen dabei unser vernetztes Experten-Know-how und den großen Überblick über die möglichen strategischen und auch nicht strategischen Targets in den verschiedensten Märkten. Dank unseres großen Netzwerks in China kennen wir dort auch die Käuferseite und können für die chinesischen börsennotierten Gesellschaften einschätzen, wie gut sie für einen Zukauf in Übersee vorbereitet sind und wie realistisch ihre M&A-Strategie hier umsetzbar ist. Wir wissen auch, wo sie technologisch stehen, in welchen Feldern sie Bedarfe haben, und können für deutsche Unternehmen, die nach einem Käufer suchen, mit potenziellen Erwerbern in China sprechen. Wir wissen auch, wie wir einen gut strukturierten Verkauf organisieren, sodass es für die chinesische Käuferseite passt.

Was ist wichtig, wenn man eine Transaktion mit einem chinesischen Käufer durchführt?

Bao: Wir haben mit unserem integrierten China Team viele Transaktionen im Mid-Cap-M&A-Markt durchgeführt, dazu zählt z.B. ein Zukaufsprojekt der TZTEK aus Suzhou, eines Hightechunternehmens, das sich auf Bildverarbeitung und industrielle Digitalisierung spezialisiert hat. Wir haben es beim Erwerb der MueTec Automatisierte Mikroskopie und Messtechnik GmbH beraten. Wichtig sind bei derartigen Transaktionen das Wissen um die Regularien und die Kontakte zu den wichtigen Stellen. Wir haben die Übernahme dabei in zwei Stufen vollzogen. Nach Erhalt der Genehmigung durch die chinesische Regierung, also die Overseas Direct Investment (ODI) Control, hat TZTEK Anfang September 2020 in der ersten Stufe rund 24,9% der Anteile an MueTec erworben. Die restlichen 75,1% der Anteile wurden in einem zweiten Schritt an TZTEK übertragen. Wichtig war dabei unser Verständnis für die Bedürfnisse von TZTEK. Das Unternehmen hatte ja erst kurz zuvor seinen Börsengang am STAR Market der Shanghai Stock Exchange vollzogen. Um seine Wachstumsgeschichte weiterschreiben zu können, war es dann auf der Suche nach einem strategisch passenden Target. Und wie wir alle wissen: Jeder Deal ist anders. Ebenso wichtig sind aber – wie auch bei diesem Deal – die Transaktionssicherheit und die faire Unternehmensbewertung, sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer.

Wie ist Ihre Philosophie als M&A-­Beratungshaus für solche Transak­tionen mit Chinabezug?

Bao: Bei Livingstone agieren wir als Dealmaker auch für die deutschen Technologieunternehmen, die international in China, Asien, Europa und den USA aufgestellt sind. Wir beraten sowohl die Verkäufer- als auch die Käuferseite. Die meisten chinesisch-deutschen Transaktionen in den letzten Jahren waren dabei strategische Zukäufe chinesischer Unternehmen. Um hier gut begleiten zu können, muss man die beiden Märkte und die Synergien in der Transaktion kennen und verstehen. Darüber hinaus muss man sich auch mit den passenden Käufern bzw. richtigen Targets beschäftigen. Dabei hilft uns unsere intensive Branchenkenntnis sehr. 2023 werden sich meiner Auffassung nach bei vielen chinesischen Branchen und Unternehmen große Chancen für Transaktionen bieten.

Wie bewerten Sie das Jahr 2022 in Bezug auf die grenzüberschreitenden Transaktionen von chinesischen Investoren? Wie sehen Sie die M&A-Auslandsaktivitäten der chinesischen Unternehmen?

Bao: Wenn man die bisher veröffentlichten statistischen Zahlen zu den Übersee-M&A-Aktivitäten der chinesischen Unternehmen in den ersten drei Quartalen 2022 nimmt, zeigt sich, dass das Gesamtvolumen der Überseeinvestitionen von chinesischen Unternehmen im Vergleich 2021 noch ein Stück zurückgegangen ist. Es gibt viele Gründe dafür, aber die Coronapandemie und damit verbundenen wirtschaftliche Unsicherheit und fehlende Umsetzungsmöglichkeiten der Transaktionen sind die wichtigen Störfaktoren gewesen. Ihr Einfluss auf dem Markt wird bis Mitte 2023 andauern. Im M&A-Markt besteht also bezogen auf chinesische Investoren ein großer Nachholbedarf. Darüber hinaus muss man die Angebotsseite analysieren; welche Branchen und Targets sind interessant. Hier sind einige Sektoren besonders attraktiv für chinesische Inves­toren, so z.B. TMT, Life Science und der Medizinbereich, Hochtechnologieunternehmen, der Energiesektor bzw. erneuerbare Energien inkl. der Technologien in dem Bereich.

Vielen Dank für das Interview.

www.livingstonepartners.com/de/

M&A: „Ich erwarte mehr chinesische Investitionen in Deutschland“

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Als Leiter des China Desk bei Ebner Stolz hat Ran Chen kontinuierlich chinesische Investitionen in Deutschland begleitet – z.B. Hangzhou Honghua beim Erwerb des Konfektionsanlagenherstellers TEXPA. Mit seinem Wissen um chinesische Investoren gibt er einen Ausblick, welche Themen und Branchen 2023 für sie in Deutschland relevant werden könnten.

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In welchen Branchen und Feldern wird es 2023 Ihrer Einschätzung nach zu den meisten chinesischen Investitionen in Deutschland kommen und warum?

Ran Chen ist Partner und Leiter China Desk bei Ebner Stolz. Seit über zehn Jahren begleitet er chinesische Unter­nehmen bei ihren Investitionen in Deutschland und Europa. Dafür verfügt er über mehrjährige Erfahrungen in M&A-Beratung, Cross-Border Due Diligence und Wirtschaftsprüfung.

Chen: Zunächst sollte man auf den grundsätzlichen Bedarf deutscher ­Unternehmen nach Beteiligungen von außen sehen. Er dürfte im nächsten Jahr deutlich erhöht sein. Die deutschen Unternehmen haben 2023 eine Reihe von Herausforderungen zu meistern: die Nachfolgen der Pandemie, die hohen Inflation und auch die allgemein hohe Kostensituation z.B., wegen erhöhter Rohstoffkosten, und vieles mehr. Sie benötigen deshalb zusätz­lichen Kapitalfluss von außen, was die Bereitschaft erhöht, chinesische Investoren mit an Bord zu nehmen. Zudem spielt die Lieferkettensicherheit für viele Unternehmen eine größere Rolle in der Unternehmensstrategie. Regionale Lieferketten vermeiden Zölle und zusätzliche Steuern, können Transportkosten senken und den Lieferzyklus verkürzen. Im Ergebnis schaffen sie somit eine höhere Flexibilität. Selbst Tesla will für seine Gigafactory mehr Lieferungen direkt aus Europa beziehen. Neben dieser Ausgangslage bleibt die Frage nach den für chinesische Investoren interessanten Branchen 2023. Da fallen mir als Erstes die chinesischen Unternehmender Elektromobilität ein – sie sind stark im Aufwind und wollen in Deutschland und Europa Marktanteile gewinnen. Z.B. hatte ein großer chinesischer Batteriehersteller in Thüringen Milliarden­investition getätigt. Auch ein chinesischer Elektroautohersteller hat ja angekündigt, in Deutschland eine ganz eigene Infrastruktur für das Wechseln von Elektrobatterien aufzubauen.

Worauf müssen chinesische ­Investoren bei ihren Investitionen in Deutschland achten?

Chen: Erstens sollten sie sich bei ihren Investitionen der deutlich gestiegenen Kosten bei Materialien und bei Energie ­bewusst sein. Zweitens müssen chinesische Investoren noch besser verstehen, wie die Prozesse in Deutschland laufen. Hier wird anders verhandelt und es werden auch andere Größen als Bezug genommen. In China sind z.B. die Hauptgröße für die Unternehmens­bewertung Gewinne nach Steuern, in Deutschland hingegen der EBITDA. Neben diesen formalen Dingen sollten chinesische Investoren auch beachten, dass es weniger Konsum- und in Teilen auch Industrienachfrage geben wird. Andersherum ist der Zugang zum großen chinesischen Markt umso mehr ein Argument für sie als Investoren. Ein letztes Thema ist einerseits die Investitionskontrolle, bei der in den letzten Jahren die Regularien verschärft wurden, relevant insbesondere für Bereiche wie Halbleiterchips oder Militärtechnologie. Andererseits sind in den letzten Jahren die meisten Investitionen durchgegangen.

Wird es 2023 wieder mehr chinesische Investitionen in Deutschland geben?

Chen: Ja, das könnte ich mir durchaus vorstellen – denn ein großer Bremser wird zunehmend wegfallen, nämlich dass Investoren und Verantwortlichen ­wegen Quarantäneregelungen keine Livemeetings durchführen können. In M&A-Prozessen ist das aber eminent wichtig. In 2023 wird das Reisen zwischen Deutschland und China wahrscheinlich wieder einfacher sein. Ich schätze, dass wir in den nächsten Jahren 70% chinesische Unternehmen strategische Investoren werden sehen und 30% chinesischen Private-Equity-Investoren. Warum? Chinesische ­Unternehmen können als strategische Investoren als Vorteil den Zugang zum riesigen chinesischen Markt bieten. Diesen Zusatznutzen haben europäische Investoren nicht im Koffer. Bleiben wir gespannt.

Vielen Dank für das Interview.

www.ebnerstolz.de

Das Interview führte Georg von Stein.

Lieferketten China-Deutschland: Probleme, Trends, Chancen

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Die Lieferketten China-Deutschland werden sich vor dem Hintergrund des Strebens nach Rohstoffautonomie, des Ukrainekriegs und der zunehmenden China-+1-Strategien 2023 verändern. Kettenglieder werden entfernt, neue hinzugefügt, Alternativen geschaffen. Was bis Anfang 2019 „normal“ schien, wird infrage gestellt. Unternehmen und Investoren sollten sich auf grundlegende Veränderungen vorbereiten.

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1980 lag China noch auf Rang 35 der wichtigsten Importstaaten Deutsch­lands, 1990 bereits auf Rang 14. Seit 2015 bezieht Deutschland die meisten Importe aus China. Im Jahr 2021 war die Volksrepublik zum sechsten Mal in Folge der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Waren im Wert von 245,4 Mrd. EUR wurden zwischen beiden Staaten gehandelt.

In der Zeit vor Corona besuchten Einkäuferteams deutscher Unternehmen die Lieferanten in China im Schnitt ein- bis zweimal pro Jahr. Vor Ort begutachteten sie in den Fabriken die laufenden Produktionen, man besprach weitere Geschäfte und künftige Preise. Mit dem Ausbruch von COVID-19 im Jahre 2020 änderte sich das Bild komplett.

COVID, Zero COVID – was kommt jetzt?

Wie COVID sich auf das wirtschaftliche Zusammenarbeiten ausgewirkt hat, stand überall zu lesen: Angestellte durften nicht mehr ins Büro, Arbeiter kamen nicht mehr in die Fabrik, Produktionen lagen brach, die Transportpreise schnellten in die Höhe. Besonders hart traf diese Entwicklung deutsche Unternehmen ohne Präsenz vor Ort in China! Daraus ergibt sich eine wichtige Lektion für die Zukunft im Chinageschäft: Um auch im Lockdown oder ähnlichen Situationen handlungsfähig zu sein, sollte man eine Chinapräsenz in einer sinnvollen Form aufbauen. Sie sollte unbedingt die Schlüsselfunktionen im Einkauf und Lieferantenmanagement auf dem Laufenden halten, beidseitige Kommunikation fördern sowie Transport und auch Reklamationsmanagementkompetenzen optimieren, damit man auf unerwartete Situationen schnell, sicher und ökonomisch reagieren kann.

Außenhandel: Umsatz (Exporte & Importe) in Mrd. EUR; Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2022

Energieknappheit erhöht Lieferkosten

Aber auch die Energieknappheit in China wirft Probleme auf: Lokale Regierungen stellen Unternehmen Strom zeitweise ab, geben Nutzungslimits pro Tag vor oder machen Auflagen. Stromprobleme wiederum verzögern die Produktion vor Ort; dadurch verschieben sich geplante Lieferdaten und Verschiffungen. Letztlich führt all das zu Brüchen in der Lieferkette, die erhöhte Liefer- und Beschaffungskosten bedingen. In der Folge entsteht für produzierende Betriebe ein Kostendruck, der an die Kunden oft nicht weitergegeben werden kann. Unternehmen sind damit gezwungen, die Kosten beim Produkt und bei der Beschaffung zu reduzieren. Um all das zu vermeiden, suchen Unternehmen neue Beschaffungswege im Einkauf.

„Plan B“ mit Hürden

Auch wenn die chinesische Regierung den Lockdown seit Kurzem lockert und eine Öffnung wieder vorantreibt, so haben ausländische Unternehmen zwischenzeitlich dennoch bereits begonnen, Abhängigkeiten von China in der Lieferkette abzubauen. Berichten zufolge plant Apple sogar, seine Produktion aus China zu verlagern. Back-up- bzw. alternative Lieferanten zu finden gestaltet sich für viele Firmen allerdings als relativ schwierig, sind die heutigen Strukturen mit China doch über die letzten 40 Jahre gewachsen und stark verflochten. In Sachen Preis, Lohn- und Energiekosten bleibt China außerdem eine der besten Optionen. Zudem: Die in den letzten Jahren getätigten kostenintensiven Investitionen deutscher Unternehmen sollen sich nicht nur amortisieren, sondern auch rentieren. Das braucht Zeit und spricht gegen den sofortigen Abzug.

Höhe der Direktinvestitionen aus Deutschland in China und ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen von 2010 bis 2020 (in Mrd. EUR/in Prozent); Quelle: Deutsche Bundesbank, Statistisches Bundesamt (Destatis); Stand: Mai 2022; Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2022

Alternativen gerne – aber wohin?

Viele deutsche Unternehmen betreiben dennoch verstärkt Aufwand für eine „Multiple-Sourcing-Strategie“, um Risiken in den Lieferketten zu diversifizieren.“ So hatten laut einer im Oktober veröffentlichten Konjunkturumfrage des ifo Instituts 50% der Unternehmen berichtet, die Überwachung ihrer Lieferketten verbessert zu haben. 65% setzen auf eine verstärkte Diversifizierung von Lieferketten, indem sie die Zulieferbasis durch neue Lieferanten und Bezugsquellen erweitern. Sogar chinesische Firmen selbst suchen Alternativen zur Beschaffung und Produktion im Heimatland, z.B. in Vietnam, Kambodscha, Myanmar und Afrika (allerdings ein Abenteuer mit unbekanntem Ausgang). Vor allem Südostasien wird also, so die Auffassung im BME-Expertenkreis China, als Ausweichstandort zu China zusätzlich an Bedeutung gewinnen. Allerdings ist Südostasien als Markt zu klein und kann nicht alle Bereiche der benötigten Lieferketten abdecken. Indien wäre als Markt groß genug, kann aber seit Jahren keinen echten Gegenpol zu China bilden.

Und nicht zu vergessen: Alternative Lieferketten verbrauchen erst einmal sogar zusätzliches Geld, denn viele andere Länder produzieren teurer als China. Sollte man dennoch einen Lieferanten in einem anderen Land gefunden haben, kostet es viel Zeit und Geld, die neue Lieferbeziehung effizient aufzubauen. All das spricht dafür, die Lieferbeziehung mit China möglichst aufrechtzuerhalten.

Statt China zu verlassen: Lieferkette funktional verbessern

Neben der Suche nach Alternativstandorten ist es also vielleicht einfacher, die deutsch-chinesischen Lieferketten funktional zu optimieren. Darunter fallen Themen wie der Einsatz moderner Business Intelligence Software, das Perfektionieren des Bestandsmanagements oder auch das Optimieren von Beschaffungskosten mit einem strategischen Warengruppenmanagement.

FAZIT

Die zwischen Deutschland und China seit über 40 Jahre bestehenden Handels- und Lieferbeziehungen sind sehr verflochten. Eine sich von China abkoppelnde Beschaffungsstrategie und Neuausrichtung braucht viel Zeit und sollte gut überlegt werden. Die Umsetzung des von der deutschen Politik teils geforderten „Decoupling“ von China (vom Russlandkonflikt lernend!) dürfte etwa 15 Jahre dauern – denn echte Alternativen für Belieferung und Produktion müssen erst gefunden werden. Insofern sollte man auch 2023 erst einmal an der Belieferung durch China eher festhalten.

www.sgb-group.de

Deutsch-chinesischer M&A-Korridor – quo vadis?

Bildnachweis: Cagkan – stock.adobe.com.

Die COVID-19-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, daraus resultierende Lieferengpässe und die Inflation – all das hat sich auch auf die M&A-Aktivitäten ausgewirkt. Der deutsch-chinesische M&A-Korridor ist davon stark betroffen. 12 M&A-Transaktionen chinesischer Investoren in Deutschland bis Ende November 2022 stellen einen signifikanten Rückgang im Vergleich zu den 35 im Gesamtjahr 2021 dar. Ein Ausblick für 2023. 

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Der Verkauf des Geschäftsbereichs Digital Systems von ams OSRAM an Inventronics ist als eine der wenigen größeren Transaktionen erwähnenswert. M&A-Transaktionen deutscher Investoren nach China zeigen einen ähnlichen Trend. Der Kauf von Wing Pet Food durch Symrise im Februar 2022 hebt sich hier vom Trend ab.

Welche Faktoren drücken also auf die Investitionstätigkeit? Neben der ­allgemeinen Unsicherheit im wirt­schaft­­lichen Umfeld und der daraus ­resultierenden Zurückhaltung, Investitionsentscheidungen zu treffen, haben vor allem die Einschränkungen in der Reisetätigkeit einen entscheidenden Einfluss. Sicher kann man erste Werksbesichtigungen und Verhandlungstermine per Videokonferenz durchführen – aber am Ende müssen sich Entscheider, Verkäufer und Management persönlich kennenlernen, was seit Anfang 2020 von und nach China praktisch kaum umsetzbar ist.

Entwicklung Anzahl angekündigter M&A-Transaktionen von chinesischen Investoren in Deutschland; Quelle: Deloitte

2023 – Aussichten bleiben eingetrübt

Eine M&A-Transaktion dauert im chine­sischen Umfeld meist zwölf bis 18 ­Monate. Dementsprechend sind die M&A-Transaktionsstatistiken von 2021 in Teilen noch nicht von der Pandemie beeinflusst; die Effekte werden sich erst voll in 2022 zeigen. Wegen der andauernden Reisebeschränkungen ist auch 2023 mit keiner Belebung zu rechnen. Erschwerend kommt dazu: Auf deutscher Regierungsseite wie in der Bevölkerung wird der Verkauf von deutschen Unternehmen an chinesische ­Inves­toren häufig sehr skeptisch wahrgenommen, vor allem wenn es sich um Technologie­unternehmen handelt oder die kritische Infrastruktur betroffen ist.

Man denke an die öffentliche Diskussion um den Verkauf von Anteilen an einem Terminal des Hamburger ­Hafens an COSCO, die Untersagung des Verkaufs einer Chipfertigung von Elmos an Silex sowie von ERS electronic an ­einen chinesischen Investor. Die skeptische Stimmung dürfte sich auf absehbare Zeit nicht ändern und M&A-Transaktionen in betroffenen Sektoren ­erschweren. Käufer aus China, früher eine attraktive Alternative für Verkäufer, werden zukünftig kaum mehr angesprochen – zu groß ist die Ungewissheit, Transaktionen erfolgreich abschließen zu können. Aus demselben Grund werden sich auch chinesische Investoren gut überlegen, ob sie Zeit und Geld in die Prüfung einer Transaktion investieren wollen. Denkbar schlechte Bedingungen für M&A-Transaktionen.

Entwicklung Anzahl angekündigter M&A-Transaktionen von deutschen Investoren in China; Quelle: Deloitte

Regionalisierung der Lieferketten – Treiber für M&A?

Allerdings hat die Pandemie auch gezeigt, dass Lieferketten regionalisiert werden müssen. Deutsche Unternehmen werden deshalb in China nicht mehr hauptsächlich für den Export in den Weltmarkt produzieren, sondern mehr für den lokalen Markt und ­angrenzende Länder. Die daraus resultierende Anpassung des Produktport­folios kann dazu führen, dass sie lokale Hersteller erwerben, um ein auf die loka­len Bedürfnisse besser angepasstes Produktportfolio anzubieten. Die Notwendigkeit, nach Erwerb in größerem Umfang deutsche Expats einzusetzen, nimmt damit ebenfalls ab.

Was für deutsche Unternehmen in China gilt, gilt im Umkehrschluss auch für Europa: Die Produktion muss näher an den Abnehmermarkt rücken und ­regionalisiert werden. Ob das eher mit Greenfield-Investitionen oder verstärkt auch über M&A-Transaktionen angestrebt wird, bleibt abzuwarten. Der Ausblick für die M&A-Aktivitäten im deutsch-chinesischen Korridor im nächsten Jahr bleibt stark getrübt. Dennoch besteht Hoffnung, dass der Trend zur Regionalisierung der Präsenz im ­jeweiligen Absatzmarkt die M&A-Aktivitäten positiv beeinflusst.

www2.deloitte.com/de