Warum „Made in Germany“ für China interessant bleibt

Politische Minenfelder wie der Handelskonflikt zwischen den USA und China oder der Brexit haben den Markt für Fusionen und Übernahmen 2019 getrübt. Auch chinesische Unternehmen halten sich zurück. Dabei ist ihr Interesse gerade an deutschem Know-how ungebrochen.

Warum „Made in Germany“ für China interessant bleibt
Claudio Chiandussi ist Associate Partner bei EY im Bereich Transaktionsberatung. Er berät seit über 14 Jahren Mandanten im Rahmen nationaler wie internationaler M&A-Transaktionsprojekte, darunter auch drei Jahre in Shanghai und Hongkong. Bildquelle: EY

Noch Mitte 2019 meldeten die Wirtschaftsforscher einen dramatischen Einbruch bei Fusionen und Übernahmen (Mergers and Acquisitions; M&A) von und mit deutschen Firmen. So fiel der M&A-Index des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im April auf den tiefsten Stand seit der ersten Berechnung im Jahr 2005, gefolgt vom zweittiefsten Wert im Mai. Auch die deutsche Wirtschaft wuchs 2019 mit 0,6% so gering wie seit sechs Jahren nicht mehr. Unterm Strich standen im vergangenen Jahr mit 219 Transaktionen jedoch nur zehn weniger als im Jahr 2018, bei gleichzeitig höheren Dealgrößen von bis zu geschätzten 24,5 Mrd. USD, die E.ON für innogy zahlte.

Der weltweite Anteil von chinesischen M&A-Transaktionen 2019
Auf 8,8% sank 2019 der weltweite Anteil von chinesischen M&A-Transaktionen (inkl. Hongkong), von 11,4% im Jahr 2018.

Fünfjährige Rally ausgebremst

Dass damit die Rally nach oben am M&A-Markt nach fünf Jahren beendet ist, überrascht nicht – hatten doch in den Jahren zuvor in erster Linie chinesische Firmen in großem Stil zugekauft, wie die Einstiege von ChemChina bei KraussMaffei oder von Midea bei KUKA beispielhaft zeigten.

Dass der Anteil Chinas an M&A-Deals 2019 auf 8,8% nach 11,4% im Vorjahr sank, hat vier wesentliche Gründe: Erstens ist die konjunkturelle Lage im Land und in der Weltwirtschaft schwierig – auch wegen der anhaltenden Handelsdiskussion mit den USA. Zweitens mangelt es aktuell an Übernahmekandidaten, die (a) technologisch eine sinnvolle Ergänzung des bisherigen Produktportfolios darstellen und (b) in dem erlaubten Rahmen der von der chinesischen Regierung derzeit unterstützten Auslandsinvestitionsbemühungen passen. Gestiegene Wertvorstellungen der Verkäufer lassen viertens zudem Investoren – auch aus dem Reich der Mitte – selektiver als etwa im Boomjahr 2016 agieren.

Deutschland restriktiver bei ausländischen Übernahmen

Das Interesse Chinas an deutschem Know-how bleibt aber bestehen, wie die jüngst verkündete Gründung eines Joint Venture zwischen Daimler und Geely im Rahmen der geplanten Produktion des Smart in China als reines Elektroauto belegt. Manchmal kommen chinesische Bieter allerdings auch einfach nicht zum Zug. Neben unterschiedlichen Preisvorstellungen liegt das auch daran, dass die Bundesregierung inzwischen häufiger ihr Vetorecht einsetzt. Die Liste der „No-Go-Industrien“ für ausländische Käufer umfasst vor allem die kritische Infrastruktur. Zögerte sie bei der Übernahme von KUKA noch, untersagte die Bundesregierung den Einstieg der Chinesen bei dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz aus sicherheitspolitischen Erwägungen. Auch die aktuelle Debatte um den Ausschluss von HUAWEI als Zulieferer für das 5G-Netz zielt in diese Richtung.

Mode und Sportartikel: konsumorientierte Branchen im Fokus

Ein immenses Potenzial liegt in Chinas wachsender und konsumfreudiger Mittelschicht: Viele Unternehmen wollen sich hier ein Stück vom Kuchen sichern. Hinzu kommt, dass die chinesische Regierung Investitionen fördert, die die Abhängigkeit von Schwerindustrie und Exporten reduzieren und das Land zu einem konsumbasierten Wachstum führen.

Entsprechend attraktiv sind verbrauchernahe Branchen wie Mode und Sportartikel, Luxusgüter, Reisedienstleistungen, aber auch die Verpackungsindustrie. Klangvolle Namen standen auch 2019 hoch im Kurs. So machten z.B. Übernahmen durch den chinesischen Mischkonzern Fosun Schlagzeilen: Er kaufte die Modemarke Tom Tailor und die Namensrechte sowie zwei Hotelketten des britischen Reiseveranstalters Thomas Cook. Im Vorjahr waren bereits das Pariser Traditionshaus Carven, der Schweizer Luxusschuhhersteller Bally, das französische Modelabel Lanvin oder der österreichische Textilhersteller Wolford in chinesische Hände gegangen.

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