Was bedeutet das neue Einkommenssteuergesetz für Arbeitnehmer in China?

Auswirkungen auf die Personalstrategie in China

Was bedeutet das neue Einkommenssteuergesetz in China für ausländische Arbeitnehmer?
Bild: Adobe Stock; © Valerii Evlakhov

Zum 1. Januar 2022 tritt das neue chinesische Einkommenssteuergesetz in Kraft und beendet die Zeit, in der nicht-chinesische Arbeitnehmer in China in den Genuss von steuerfreien Zuwendungen und Zuschüssen kamen. Steuerrechtlich gesehen bedeutet es eine Gleichbehandlung von chinesischen und ausländischen Arbeitnehmern, die für Letztere allerdings signifikante einkommensbezogene Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Zuwendungen, wie z.B. Miete und Schulgeld, die von einer Firma in China dem ausländischen Arbeitnehmer üblicherweise angeboten werden und bisher steuerfrei waren, werden nach dem neuen Einkommenssteuergesetz vom kommenden Jahr an zum Gehalt dazugerechnet. Somit unterliegen sie entsprechend der Einkommensbesteuerung. Ab 2022 gilt dann für alle lediglich ein monatlicher Freibetrag, der z.B. beim Schulgeld bei CNY 1.000 pro Kind liegt und bei der Miete maximal CNY 1.500 beträgt.

(Kumulative) Einkommensbesteuerung in China – Stand 2021
Jahreseinkommen (in CNY) Steuersatz Steuerabzug (in CNY)
bis 36.000 3% 0
36.000 – 144.000 10% 2.520
144.000 – 300.000 20% 16.920
300.000 – 420.000 25% 31.920
420.000 – 660.000 30% 52.920
660.000 – 960.000 35% 85.920
ab 960.000 45% 181.920

Quelle: JP contagi Asia

Höhere Kosten für die Firma – Gehaltseinbußen für den Mitarbeiter

Ein Unternehmen in China, das einen Expat oder ausländischen Arbeitnehmer über 2022 hinaus weiterbeschäftigen möchte, wird nach dem neuen Einkommenssteuergesetz höhere Kosten in Kauf nehmen müssen. Bestehende Arbeitsverträge, in denen nicht geregelt wird, welche Vertragspartei diese zusätzliche Steuerlast übernimmt, müssen in diesem Punkt neu verhandelt werden. Einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht, droht eine einseitige Kündigung des Arbeitsvertrags. Auch für das Anwerben von ausländischem Personal muss vom Arbeitgeber in Zukunft ein höheres Budget eingeplant werden.

Auf der anderen Seite wird sich ein ausländischer Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber nicht bereit ist, die höhere Steuerbelastung zu übernehmen oder auszugleichen, sich mit einer Reduzierung des Nettogehalts anfreunden müssen. Gerade für Beschäftigte, die mit Partner und schulpflichtigen Kindern in China leben, wird sich die Frage stellen, inwiefern es sich unter diesen Umständen (noch) lohnt, in China zu arbeiten. Nicht nur die Bereitschaft, sondern auch die Attraktivität, in China zu arbeiten, wird dadurch abnehmen.

Beispiel: Eine Firma in Shanghai beschäftigt einen ausländischen Manager, Herrn M, der mit Familie (2 schulpflichtige Kinder) auch in Shanghai lebt. Neben einem Bruttojahresgehalt von CNY 1 Million übernimmt die Firma zusätzlich die Wohnungsmiete (CNY 300,000 p.a.) sowie das Schulgeld für die 2 Kinder (CNY 400,000 p.a.) des Managers.

Folgen für den Arbeitnehmer Herrn M

Annahme: Der Arbeitgeber von Herrn M lehnt es ab, die höhere Einkommenssteuerlast von Herrn M zu übernehmen, beziehungsweise zu kompensieren.

  2021 2022
Jahresbruttogehalt 1.000.000 1.000.000
Individuelle Einkommensteuer ①*45% minus Steuerabzug 268.080 268.080
Jahresnettogehalt ①-② 731.920 731.920
Jährliche Zuschüsse (z.B. Miete, Schulgeld, Weiterbildung) 700.000 700.000
Steuern auf die Zuschüsse ④*45% minus Steuerabzug 0 273.000
Jahreszuschüsse (netto) ④-⑤ 700.000 427.000
Gesamtnettobezüge (Jahr) ③+⑥ 1.431.920 1.158.920

Quelle: JP contagi Asia

Im Vergleich zum Vorjahr reduziert sich 2022 das Nettoeinkommen von Herrn M um CNY 273.000 (ca. 19%).

Folgen für den Arbeitgeber von Herrn M 

Annahme: Der Arbeitgeber möchte Herrn M gerne halten und entscheidet sich darum, die höhere Einkommenssteuerlast von Herrn M ab 2022 komplett zu übernehmen.

  2021 2022
Gehaltszahlung (Jahr) 1.000.000 1.000.000
Jährliche Zuschüsse (z.B. Miete, Schulgeld, Weiterbildung) 700.000 1.454.545
Steuern auf die Zuschüsse ④*45% minus Steuerabzug 0 612.545
Kosten für das Unternehmen/ Jahr ①+④ 1.700.000 2.272.727

Quelle: JP contagi Asia

Um Herrn M auch im Jahr 2022 das gleiche Nettoeinkommen anzubieten, steigen dementsprechend die Kosten für den Arbeitgeber im Vergleich zu 2021 die Kosten um 33,6%.

Auswirkungen auf den lokalen Arbeitsmarkt

Ausländer müssen sich folgerichtig darauf einstellen, dass ihre Suche nach einer für sie ansprechend bezahlten Arbeit besonders in Städten wie Shanghai, Peking, Guangzhou ab 2022 schwieriger wird. Denn hier ist mittlerweile sehr gut ausgebildetes lokales Personal verfügbar.

Dennoch wird es für die, die über relevante Qualifikationen und Erfahrungen verfügen, auch in Zukunft im chinesischen Arbeitsmarkt eine Nachfrage geben. Rechnen müssen sie allerdings, dass die Dauer ihrer Beschäftigung kürzer als gewünscht ausfallen könnte und sie nach Ablauf ihrer Dienstzeit durch einen lokalen Mitarbeiter abgelöst werden, der während ihrer Beschäftigung bereits mit diesem Ziel aufgebaut wird.

Firmen müssen sich dagegen darauf einstellen, dass die Beschäftigung von Ausländern in China teurer wird. Durch den wachsenden Kostendruck werden sie noch genauer abwägen müssen, welchen Mehrwert ein ausländischer Mitarbeiter schaffen kann. Die lokale Personalstrategie wird sich verstärkt auf das frühzeitige Anwerben und die Entwicklung der lokalen Belegschaft konzentrieren.

Möchte oder kann ein Unternehmen nicht auf ausländisches Personal verzichten, gewinnen Faktoren wie die Haushaltsgröße, und hier vor allem die Anzahl schulpflichtiger Kinder, bei der Bewerberauswahl verstärkt an Bedeutung.

Übersicht über die Vor- und Nachteile verschiedener Arbeitnehmer-Typen in China

Kandidatentypen Vorteile Nachteile
Expatriates
  • Kenntnisse u. Erfahrungen, die im lokalen Markt begrenzt verfügbar sind (z.B. F&E)
  • Besserer Zugriff auf das Tochterunternehmen
  •  Kommunikation mit der Muttergesellschaft
 

  • Hohe Kosten
  • Fehlende Kenntnisse von Markt & Kultur
  • Sprachbarriere
  • Zeitlich befristeter Einsatz (klassisch 3 +2 Jahre)
  • Risiko des vorzeitigen Abbruchs sowie der Rückführung in die Muttergesellschaft
Lokale Ausländer
(mit  Arbeitsverträgen in China)
  • Kommunikation mit der Muttergesellschaft
  • Westliches Geschäftsverständnis mit lokaler Marktexpertise
  • Langfristige Lösung
  • Hohe Kosten
  • Sprachbarriere
  • Schaffung eines „Glass
    ceilings“ für lokale Mitarbeiter
Überseechinesen
(aus HK, SG, TW etc.)
  • Kenntnisse der lokalen Kultur & Sprache
  • Vertraut im Umgang mit westlichem als auch chinesischem Management
  • Vertraut mit westlichen & lokalen Werten
  • Häufig fehlende Marktkenntnisse
  • Akzeptanzprobleme bei lokalen Mitarbeitern
Chin. Rückkehrer
(aus dem Ausland)
  • Lokal/kulturell verwurzelt mit Kenntnissen der westlichen
    Kultur & Werte
  • Hohe Ambitionen & Erwartungshaltung
  • Hohe Wechselbereitschaft
Lokalchinesen
(ohne od. limitierte Auslandserfahrung)
  • Beste Kenntnisse des chin.
    Marktes
  • Prädestiniert für gewisse Funktionen (z.B. Vertrieb)
  • Kulturelle & sprachliche
    Barrieren
  • Hohe Wechselbereitschaft

Quelle: JP contagi Asia

Darüber hinaus sollte eine neue Gruppe von Talenten, die als Ergebnis einer fortlaufenden kulturellen Hybridisierung nach und nach in den Arbeitsmarkt drängen, im Blick behalten werden. Es handelt sich um Kinder, die in China in einem (teils) ausländischen Haushalt geboren wurden und daher mit Chinesisch als zusätzliche Muttersprache aufgewachsen sind. Sie konnten sich somit von klein auf mit der lokalen Sprache und Kultur vertraut machen.

Hoffnungsschimmer

Derzeit befinden sich vor allem diverse ausländische Handelskammern in China im Dialog sowohl mit der chinesischen Regierung als auch den Lokalregierungen, um Anpassungen bzw. eine Verlängerung der bisherigen Regelung zu erwirken. Das heißt, es muss also noch abgewartet werden, welche konkreten Änderungen ab 2022 eintreten. Empfehlenswert ist es aber dennoch, dass sich Unternehmen in China und ihre ausländischen Arbeitnehmer frühzeitig auf mögliche Veränderungen durch das Einkommenssteuergesetz vorbereiten und an Lösungen arbeiten.

Fazit

  • Die bevorstehende Reform des Einkommenssteuerrechts wird dazu beitragen, dass der Lokalisierungstrend in der Personalpolitik in China, der bereits durch die Pandemie beschleunigt wurde, im kommenden Jahr noch einmal an Fahrt gewinnt.
  • Mit dem neuen Einkommenssteuergesetz werden legal steueroptimierte Einkommensmodelle, von denen besonders ausländische Arbeitnehmer in China profitieren, nach jetziger Auslegung ab 2022 nicht mehr oder sehr eingeschränkt möglich sein.
  • Für ausländische Mitarbeiter wird es dadurch schwieriger, in China beruflich Fuß zu fassen, nicht zuletzt, weil die Personalstrategie von Firmen sich verstärkt nach Lokalisierung von Personal ausrichten wird.
  • Anpassungen zur vorläufigen Regelung der Einkommensbesteuerung im Jahr 2022 bis hin zu einem weiteren zeitlichen Aufschub dieser Reform sind möglich. Dennoch sollten alle betroffenen Parteien Änderungen einplanen und auf sie vorbereitet sein.
Profilbild Hsiao J. Chiu
Hsiao J. CHIU
Managing Partner at JP contagi Asia | Website

Hsiao J. CHIU ist Mitgründer und Managing Partner von JP contagi Asia, einer lizenzierten deutsch-chinesischen Personalberatung mit Hauptsitz in Shanghai. Als Mitglied der JP-contagi-Gruppe bietet JP über fünf Partnerbüros in Deutschland und der Schweiz seit 2004 HR-Consulting-Dienstleistungen an deutschsprachige Unternehmen in Asien sowie chinesischen Unternehmen in Europa an.