Zum 1. Januar 2022 tritt das neue chinesische Einkommenssteuergesetz in Kraft und beendet die Zeit, in der nicht-chinesische Arbeitnehmer in China in den Genuss von steuerfreien Zuwendungen und Zuschüssen kamen. Steuerrechtlich gesehen bedeutet es eine Gleichbehandlung von chinesischen und ausländischen Arbeitnehmern, die für Letztere allerdings signifikante einkommensbezogene Konsequenzen nach sich ziehen könnte.
Zuwendungen, wie z.B. Miete und Schulgeld, die von einer Firma in China dem ausländischen Arbeitnehmer üblicherweise angeboten werden und bisher steuerfrei waren, werden nach dem neuen Einkommenssteuergesetz vom kommenden Jahr an zum Gehalt dazugerechnet. Somit unterliegen sie entsprechend der Einkommensbesteuerung. Ab 2022 gilt dann für alle lediglich ein monatlicher Freibetrag, der z.B. beim Schulgeld bei CNY 1.000 pro Kind liegt und bei der Miete maximal CNY 1.500 beträgt.
(Kumulative) Einkommensbesteuerung in China – Stand 2021
Jahreseinkommen (in CNY) | Steuersatz | Steuerabzug (in CNY) |
bis 36.000 | 3% | 0 |
36.000 – 144.000 | 10% | 2.520 |
144.000 – 300.000 | 20% | 16.920 |
300.000 – 420.000 | 25% | 31.920 |
420.000 – 660.000 | 30% | 52.920 |
660.000 – 960.000 | 35% | 85.920 |
ab 960.000 | 45% | 181.920 |
Quelle: JP contagi Asia
Höhere Kosten für die Firma – Gehaltseinbußen für den Mitarbeiter
Ein Unternehmen in China, das einen Expat oder ausländischen Arbeitnehmer über 2022 hinaus weiterbeschäftigen möchte, wird nach dem neuen Einkommenssteuergesetz höhere Kosten in Kauf nehmen müssen. Bestehende Arbeitsverträge, in denen nicht geregelt wird, welche Vertragspartei diese zusätzliche Steuerlast übernimmt, müssen in diesem Punkt neu verhandelt werden. Einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht, droht eine einseitige Kündigung des Arbeitsvertrags. Auch für das Anwerben von ausländischem Personal muss vom Arbeitgeber in Zukunft ein höheres Budget eingeplant werden.
Auf der anderen Seite wird sich ein ausländischer Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber nicht bereit ist, die höhere Steuerbelastung zu übernehmen oder auszugleichen, sich mit einer Reduzierung des Nettogehalts anfreunden müssen. Gerade für Beschäftigte, die mit Partner und schulpflichtigen Kindern in China leben, wird sich die Frage stellen, inwiefern es sich unter diesen Umständen (noch) lohnt, in China zu arbeiten. Nicht nur die Bereitschaft, sondern auch die Attraktivität, in China zu arbeiten, wird dadurch abnehmen.
Beispiel: Eine Firma in Shanghai beschäftigt einen ausländischen Manager, Herrn M, der mit Familie (2 schulpflichtige Kinder) auch in Shanghai lebt. Neben einem Bruttojahresgehalt von CNY 1 Million übernimmt die Firma zusätzlich die Wohnungsmiete (CNY 300,000 p.a.) sowie das Schulgeld für die 2 Kinder (CNY 400,000 p.a.) des Managers.
Folgen für den Arbeitnehmer Herrn M
Annahme: Der Arbeitgeber von Herrn M lehnt es ab, die höhere Einkommenssteuerlast von Herrn M zu übernehmen, beziehungsweise zu kompensieren.
2021 | 2022 | |||
① | Jahresbruttogehalt | 1.000.000 | 1.000.000 | |
② | Individuelle Einkommensteuer | ①*45% minus Steuerabzug | 268.080 | 268.080 |
③ | Jahresnettogehalt | ①-② | 731.920 | 731.920 |
④ | Jährliche Zuschüsse (z.B. Miete, Schulgeld, Weiterbildung) | 700.000 | 700.000 | |
⑤ | Steuern auf die Zuschüsse | ④*45% minus Steuerabzug | 0 | 273.000 |
⑥ | Jahreszuschüsse (netto) | ④-⑤ | 700.000 | 427.000 |
⑦ | Gesamtnettobezüge (Jahr) | ③+⑥ | 1.431.920 | 1.158.920 |
Quelle: JP contagi Asia
Im Vergleich zum Vorjahr reduziert sich 2022 das Nettoeinkommen von Herrn M um CNY 273.000 (ca. 19%).
Folgen für den Arbeitgeber von Herrn M
Annahme: Der Arbeitgeber möchte Herrn M gerne halten und entscheidet sich darum, die höhere Einkommenssteuerlast von Herrn M ab 2022 komplett zu übernehmen.
2021 | 2022 | |||
① | Gehaltszahlung (Jahr) | 1.000.000 | 1.000.000 | |
④ | Jährliche Zuschüsse (z.B. Miete, Schulgeld, Weiterbildung) | 700.000 | 1.454.545 | |
⑤ | Steuern auf die Zuschüsse | ④*45% minus Steuerabzug | 0 | 612.545 |
⑧ | Kosten für das Unternehmen/ Jahr | ①+④ | 1.700.000 | 2.272.727 |
Quelle: JP contagi Asia
Um Herrn M auch im Jahr 2022 das gleiche Nettoeinkommen anzubieten, steigen dementsprechend die Kosten für den Arbeitgeber im Vergleich zu 2021 die Kosten um 33,6%.
Auswirkungen auf den lokalen Arbeitsmarkt
Ausländer müssen sich folgerichtig darauf einstellen, dass ihre Suche nach einer für sie ansprechend bezahlten Arbeit besonders in Städten wie Shanghai, Peking, Guangzhou ab 2022 schwieriger wird. Denn hier ist mittlerweile sehr gut ausgebildetes lokales Personal verfügbar.
Dennoch wird es für die, die über relevante Qualifikationen und Erfahrungen verfügen, auch in Zukunft im chinesischen Arbeitsmarkt eine Nachfrage geben. Rechnen müssen sie allerdings, dass die Dauer ihrer Beschäftigung kürzer als gewünscht ausfallen könnte und sie nach Ablauf ihrer Dienstzeit durch einen lokalen Mitarbeiter abgelöst werden, der während ihrer Beschäftigung bereits mit diesem Ziel aufgebaut wird.
Firmen müssen sich dagegen darauf einstellen, dass die Beschäftigung von Ausländern in China teurer wird. Durch den wachsenden Kostendruck werden sie noch genauer abwägen müssen, welchen Mehrwert ein ausländischer Mitarbeiter schaffen kann. Die lokale Personalstrategie wird sich verstärkt auf das frühzeitige Anwerben und die Entwicklung der lokalen Belegschaft konzentrieren.
Möchte oder kann ein Unternehmen nicht auf ausländisches Personal verzichten, gewinnen Faktoren wie die Haushaltsgröße, und hier vor allem die Anzahl schulpflichtiger Kinder, bei der Bewerberauswahl verstärkt an Bedeutung.
Übersicht über die Vor- und Nachteile verschiedener Arbeitnehmer-Typen in China
Kandidatentypen | Vorteile | Nachteile |
Expatriates |
|
|
Lokale Ausländer (mit Arbeitsverträgen in China) |
|
|
Überseechinesen (aus HK, SG, TW etc.) |
|
|
Chin. Rückkehrer (aus dem Ausland) |
|
|
Lokalchinesen (ohne od. limitierte Auslandserfahrung) |
|
|
Quelle: JP contagi Asia
Darüber hinaus sollte eine neue Gruppe von Talenten, die als Ergebnis einer fortlaufenden kulturellen Hybridisierung nach und nach in den Arbeitsmarkt drängen, im Blick behalten werden. Es handelt sich um Kinder, die in China in einem (teils) ausländischen Haushalt geboren wurden und daher mit Chinesisch als zusätzliche Muttersprache aufgewachsen sind. Sie konnten sich somit von klein auf mit der lokalen Sprache und Kultur vertraut machen.
Hoffnungsschimmer
Derzeit befinden sich vor allem diverse ausländische Handelskammern in China im Dialog sowohl mit der chinesischen Regierung als auch den Lokalregierungen, um Anpassungen bzw. eine Verlängerung der bisherigen Regelung zu erwirken. Das heißt, es muss also noch abgewartet werden, welche konkreten Änderungen ab 2022 eintreten. Empfehlenswert ist es aber dennoch, dass sich Unternehmen in China und ihre ausländischen Arbeitnehmer frühzeitig auf mögliche Veränderungen durch das Einkommenssteuergesetz vorbereiten und an Lösungen arbeiten.
Fazit
- Die bevorstehende Reform des Einkommenssteuerrechts wird dazu beitragen, dass der Lokalisierungstrend in der Personalpolitik in China, der bereits durch die Pandemie beschleunigt wurde, im kommenden Jahr noch einmal an Fahrt gewinnt.
- Mit dem neuen Einkommenssteuergesetz werden legal steueroptimierte Einkommensmodelle, von denen besonders ausländische Arbeitnehmer in China profitieren, nach jetziger Auslegung ab 2022 nicht mehr oder sehr eingeschränkt möglich sein.
- Für ausländische Mitarbeiter wird es dadurch schwieriger, in China beruflich Fuß zu fassen, nicht zuletzt, weil die Personalstrategie von Firmen sich verstärkt nach Lokalisierung von Personal ausrichten wird.
- Anpassungen zur vorläufigen Regelung der Einkommensbesteuerung im Jahr 2022 bis hin zu einem weiteren zeitlichen Aufschub dieser Reform sind möglich. Dennoch sollten alle betroffenen Parteien Änderungen einplanen und auf sie vorbereitet sein.
Hsiao J. CHIU
Hsiao J. CHIU ist Mitgründer und Managing Partner von JP contagi Asia, einer lizenzierten deutsch-chinesischen Personalberatung mit Hauptsitz in Shanghai. Als Mitglied der JP-contagi-Gruppe bietet JP über fünf Partnerbüros in Deutschland und der Schweiz seit 2004 HR-Consulting-Dienstleistungen an deutschsprachige Unternehmen in Asien sowie chinesischen Unternehmen in Europa an.