Weniger Bürokratie bei erwünschten Übernahmen

Die Regularien für chinesische Auslandsinvestitionen wurden im Zeitraum von 2004 bis 2014 immer weiter gelockert. Dies trug zu einem großen Wachstum der chinesischen Übernahmen im Ausland bei. Ende 2016 wurden die Regularien jedoch wieder in mehreren Schritten verschärft. Mit der neuen Bestimmung zu Auslandsinvestitionen werden jetzt klarere Leitlinien ausgegeben und in erwünschten Bereichen das Verfahren sogar vereinfacht.

Auffangklausel für sensible Branchen

In der neuen Bestimmung wurde bei der Definition des Begriffs „sensible Branche“ eine Auffangklausel neu hinzugefügt, die vorsieht, dass Sektoren mit Investitionsbeschränkungen automatisch in den Bereich der sensiblen Branchen fallen. Mit dieser Änderung geht die neue Bestimmung auf die Leitlinie vom August 2017 ein, insbesondere auf die dort vorgenommene Kategorisierung von Investitionsvorhaben in die Kategorien „beschränkt“ und „verboten“. Unter die Kategorie „beschränkt“ fallen beispielsweise Investitionsvorhaben in den Bereichen Immobilien, Hotels, Filmstudios, Entertainment und Sportvereine; in der Kategorie „verboten“ finden sich unter anderem Bereiche wie wichtige Militärtechnologien und -produkte. Laut der neuen Bestimmung wird die NDRC noch einen Katalog mit sensiblen Branchen erlassen, der dann vermutlich auch die von der Leitlinie genannten Branchen aufnimmt.

Wegfall der Vorabinformierung

Bisher muss bei Investitionsvorhaben mit einem Umfang von über 300 Mio. USD vor Abschluss verbindlicher Verträge oder Abgabe verbindlicher Angebote ein Projektinformationsbericht bei der NDRC eingereicht werden. Nur wenn das Vorhaben mit Chinas Politik über Auslandsinvestitionen im Einklang steht, wird eine Bestätigung erteilt. Diese Anforderung wurde in der revidierten neuen Bestimmung gestrichen, sodass nun bei größeren Investitionen die Erstellung eines Projektinformationsberichts und daher die Vorabprüfung plus anschließendem Bestätigungsschreiben durch die NDRC nicht mehr erforderlich ist.

Zeitpunkt der Einholung der Genehmigung bzw. Meldung

Laut der neuen Bestimmung muss künftig erst vor Vollzug eines Investitionsvorhabens (z.B. vor Kaufpreiszahlung oder Finanzierungszusage) die Genehmigung der NDRC oder die Meldebestätigung vorliegen. Bisher muss dies bereits vor Unterzeichnung der Verträge für ein Investitionsvorhaben geschehen oder zumindest die Wirksamkeit des Unternehmenskaufvertrags unter die aufschiebende Bedingung der Vorlage der Genehmigung bzw. Meldebestätigung gestellt werden. Es bleibt aber weiterhin möglich, den Antrag frühzeitig zu stellen. Hier gilt zu beachten: Kann der chinesische Investor nach Vertragsunterzeichnung keine Genehmigung oder Meldebestätigung vorlegen, kann es beim Vollzug der Verträge zu Verzögerungen kommen, denn die chinesische Devisenverwaltung SAFE, die Zollbehörden oder Banken werden ohne Vorlage der Genehmigung oder Meldebestätigung nicht tätig. Insbesondere kann der Kaufpreis für die Übernahme eines ausländischen Unternehmens solange nicht aus China überwiesen werden.

Dauer des Genehmigungsverfahrens

Lässt die NDRC das genehmigungspflichtige Vorhaben durch Externe bewerten, hat das Bewertungsunternehmen dafür bis zu 90 Arbeitstage Zeit. Bisher beträgt die Frist grundsätzlich höchstens 40 Arbeitstage. Die NDRC muss innerhalb von vier Arbeitstagen nach Annahme der Antragsunterlage ein Bewertungsunternehmen beauftragen. Muss kein Bewertungsunternehmen eingeschaltet werden, erhält der Antragssteller regelmäßig innerhalb von 20 Arbeitstagen, in Ausnahmefällen innerhalb von 30 Arbeitstagen, ab Annahme der Antragsunterlagen einen Bescheid. Ist nur eine Meldung notwendig, erhält der Meldende innerhalb von sieben Arbeitstagen eine Meldebestätigung.

Berichtspflicht bei indirekten Investitionen

Neu hinzugefügt wurde die Regelung, dass chinesische Unternehmen der NDRC auch Investitionen ihrer ausländischen Tochtergesellschaft berichten müssen, die 300 Mio. USD übersteigen. Bei Investitionen in sensiblen Branchen und Ländern ist weiterhin eine Genehmigung einzuholen. Liegt die Investitionssumme unter 300 Mio. USD, ist weder ein Bericht noch eine Genehmigung oder Meldung bei der NDRC erforderlich. Welche Angaben für den Bericht gemacht werden müssen, wird die NDRC noch bekanntgeben. Unklar ist noch, wie sich Berichte und Meldungen in der Praxis unterscheiden.

Ausblick

Nach den jüngsten Verschärfungen werden Genehmigungen für Akquisitionen im Ausland im Grundsatz nur erteilt, wenn diese den staatlichen Vorgaben und industriepolitischen Zielen Chinas entsprechen. Die neue Bestimmung über Auslandsinvestitionen führt immerhin zu einigen Erleichterungen auf Seiten der chinesischen Investoren: Die direkte Antragstellung an die NDRC ohne Vorabprüfung der Provinzbehörden sollte das gesamte Verfahren beschleunigen; eine Vorabinformation bei größeren Investitionsvolumen ist nicht mehr erforderlich; eine Genehmigung ist nur in bestimmten Fällen notwendig und die nunmehr als Regelfall abzugebende Meldung kann online erfolgen. Allerdings schafft die Auffangklausel in sensiblen Branchen Unklarheiten. Es bleibt daher abzuwarten, ob die NDRC zeitnah einen Katalog erlässt, damit chinesische Unternehmen mehr Planungssicherheit bei ihren Investitionen im Ausland haben.

Unklar ist zudem, welche Informationen und Unterlagen bei einer reinen Meldung einzureichen sind und ob eine inhaltliche Prüfung stattfindet. Dazu werden voraussichtlich noch konkrete Anforderungen durch die NDRC erlassen. Obwohl nun die Einholung einer Genehmigung bzw. die Meldung erst zwischen Vertragsabschluss und Vollzug möglich ist, wird es sich in der Praxis häufig empfehlen, den Antrag bereits vor Vertragsabschluss zu stellen, um frühzeitig Transaktionssicherheit zu erlangen.

Porträt Thomas Weidlich
Thomas Weidlich

Thomas Weidlich, LL.M. (Hull) gehört der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft seit 1996 an. Zwischen 2000 und 2005 hat er das Büro der Kanzlei in Singapur geleitet. Seit 2005 ist er verantwortlicher Partner für die rechtliche Beratung im gesamten Asien-Pazifik-Raum mit Schwerpunkt auf China und Indien. Thomas Weidlich ist ausgewiesener Experte für die Beratung und Koordination von grenzüberschreitenden Unternehmenskäufen, Joint Ventures, Börsengängen und Restrukturierungen.

Yuan Shen

Dr. SHEN Yuan, LL.M. (CUPL/Köln) | ist als Anwältin in China zugelassen und seit 2010 im Kölner Büro der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft tätig. Als Counsel konzentriert sie sich in ihrer Beratungstätigkeit auf die Unterstützung deutscher und europäischer Mandanten in den Bereichen Unternehmensgründung, Joint Ventures sowie Arbeitsrecht in China. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Betreuung von chinesischen Unternehmen bei Investitionen in Europa (M&A, Arbeitsrecht, Greenfield Investment).

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch