Zwang zur Zweigstellengründung in China?

Aktualisierung vom 10.Oktober 2021

Zwang zur Zweigstellengründung in China?
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Dieser Artikel ist die aktualisierte Version des Artikels „Zwang zur Zweigstellengründung“ aus März 2021.

Fast alle Unternehmen im Flächenland China beschäftigen Mitarbeiter im
Außendienst. Im Falle von Geschäftsmodellen, die viel Personal in der Fläche
benötigen, steigen dann die Investitions- und Unterhaltskosten für behördlich
registrierte Verkaufs- oder Serviceniederlassungen, über die Mitarbeiter in
fernen Provinzen lokal angestellt werden können. Deshalb halten
Unternehmen diese Zahl üblicherweise möglichst niedrig oder lassen die
Mitarbeiter aus dem „Homeoffice“ arbeiten. Allerdings verlangt eine neue
Verordnung vom 24. August 2021 grundsätzlich die Gründung einer
Zweigstelle.

Grundsätzlich benötigen alle Unternehmen in China eine Geschäftslizenz.
Diese erlaubt den Unternehmen, im Rahmen des eingetragenen
Geschäftszweckes in ganz China tätig zu sein. Allerdings gilt, dass ein
Unternehmen nur an seiner behördlich registrierten Unternehmensadresse
Geschäfte ausüben darf.

Gibt es nur einen registrierten Unternehmenssitz in China, müssen alle
Mitarbeiter, auch Außendienstmitarbeiter, an diesem Unternehmenssitz
arbeiten. Das gilt unabhängig davon, ob die Tätigkeit an einem weit
entfernten Ort erbracht werden soll, beziehungsweise muss. Eine dauerhafte
oder auf Dauer angelegte unternehmerische Tätigkeit von Mitarbeitern
außerhalb des registrierten Unternehmenssitzes ist nicht erlaubt. Rechtlich
problematisch werden daher „Verkaufs- oder Serviceniederlassungen“ in
Form von angemieteten Büros oder der Einsatz von Verkaufsmitarbeitern in
anderen Stadtbezirken, Städten oder Provinzen. Dabei ist es irrelevant, ob
aus eigenen Büros, gemieteten Geschäftsräumen oder dem Homeoffice
gearbeitet wird.

Zweigstellengründung ist in China grundsätzlich
zwingend

Seit Ende 2020 gehen Chinas Behörden verstärkt gegen Unternehmen vor,
die dauerhaft Mitarbeiter ohne registrierte Zweigstellen in anderen Städten
beschäftigen. Allerdings gibt es in China bislang keine klaren und
einheitlichen Richtlinien für den Zwang zur Zweigstellengründung. Daher
bleibt unklar, was genau die Behörden als eine verbotene dauerhafte
geschäftliche Tätigkeit außerhalb der behördlich registrierten Adresse des
Unternehmens einstufen. Dies unterscheidet sich von Provinz zu Provinz und
hängt stark vom Einzelfall ab.

So kann die Installation einer Produktionslinie durch Servicemitarbeiter des
Unternehmens bei einem Kunden in einer anderen Provinz – auch wenn diese
mehrere Monate dauert – noch erlaubt sein. Eine durch Mitarbeiter des
Unternehmens betriebene Servicewerkstatt in einer anderen Stadt oder
Provinz hingegen kann schon ab dem ersten Tag „illegal“ sein. Denn in
diesem Fall ist klar, dass die dort ausgeführten Servicedienstleistungen auf
unbestimmte Zeit angeboten werden sollen.

In der Vergangenheit hatten die lokalen Behörden oft ein Auge zugedrückt.
Deswegen hatte es sich in der Praxis etabliert, dass Unternehmen ihre
Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten lassen oder Büros anmieten und die
Mitarbeiter dann von dort aus tätig sind. Für diese Mitarbeiter hatten die
Unternehmen allerdings keine eigene Verkaufs- oder Serviceniederlassung
vor Ort gegründet.

Verschärfte Gesetzeslage

Am 24. August 2021 wurde die „Verordnung zur Regulierung und Verwaltung
von Markteinheiten“ (中华人民共和国市场主体登记管理条例) veröffentlicht, die
zum 1. März 2022 in Kraft tritt und die für Marktteilnehmer eine
vereinheitlichte Pflicht zur Eintragung einer Zweigstelle normiert.

Die Pflicht zur Eintragung einer Zweigstelle hängt davon ab, ob die
Zweigstelle „Geschäftstätigkeiten (经 营 行 为)“ ausübt. Die geltenden Gesetze
und Verordnungen beinhalten jedoch keine Legaldefinition dieses Begriffs.
Zieht man das Gesetz der VR China gegen unlauteren Wettbewerb
(中华人民共和国反不 正 当 竞 争 法) von 2019, und die dort enthaltende
Definition des „Geschäftsbetreibers“ heran, so umfassen
„Geschäftstätigkeiten“ alle „Tätigkeiten der Warenproduktion, des
Warenverkaufs oder der Erbringung von Dienstleistungen zum Zwecke der
Erzielung von Gewinnen“.

Zusätzlich stellen die Behörden in der Praxis darauf ab, ob eine Zweigstelle
„Nebentätigkeiten“ im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des
Unternehmens ausübt. Darunter fallen u.a. Tätigkeiten wie Werbung,
Verkaufsförderungsaktivitäten, Lagern oder Ausstellen von Waren zu
Verkaufszwecken, oder das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten der
Zweigstelle für den Abschluss von Verträgen. Zieht man sowohl den Begriff
des „Geschäftsbetreibers“ zur Konkretisierung des Begriffs
„Geschäftstätigkeiten“, als auch die Auslegung des Begriffs
„Nebentätigkeiten“ durch die Behörden heran, so ergibt sich ein weiter
Anwendungsbereich und damit eine umfassende Pflicht zur Eintragung von
Zweigstellen. Die auf nationaler Ebene erlassene Verordnung ist zwar zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels noch nicht in Kraft getreten,
jedoch haben die Behörden in einigen Provinzen bereits mit deren Umsetzung
begonnen. Immer mehr Unternehmen bekommen die geänderte Gesetzes-und Behördenpraxis nunmehr zu spüren. Zunehmend werden Unternehmen
von Behörden aufgefordert ihre Geschäftsaktivitäten zu registrieren.

Da die Fristen meist zu kurz sind, um innerhalb der gesetzten Fristen eine
Niederlassung zu gründen, haben die behördlichen Aufforderungen oft zur
Folge, dass die Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten am Ort der Zweigstelle
temporär einstellen müssen. Dabei ist künftig damit zu rechnen, dass die
Behörden landesweit härter durchgreifen und auch Strafen erlassen, wenn
eine nicht registrierte „Verkaufs- oder Serviceniederlassung“ entdeckt wird.

Behörden haben das Recht, gegen Unternehmen, die gegen die Vorschriften
verstoßen, Strafen von bis zu RMB 500.000 (ca. EUR 67.000) zu verhängen.
Daneben können die Behörden nicht registrierte Verkaufs- und Servicebüros
schließen und deren „illegal“ erzielte Gewinne einziehen – so z.B. die
Verkaufserlöse des Büros. Hierzu können die Behörden die Büros ohne
Vorankündigung betreten, Unterlagen kopieren und mitnehmen. Und was es
ebenfalls zu bedenken gilt: Der Verstoß wirkt sich für das Unternehmen auch
negativ im Sozialpunktesystem aus.

Alternativen zur Zweigstellengründung in China?

Hat ein Unternehmen sich entschlossen in China zu investieren, sollte es
daher von Anfang bei der (Finanz-)Planung berücksichtigen, dass für eine
flächendeckende Geschäftstätigkeit die Gründung von Zweigstellen
erforderlich ist. Diese ist zwar nicht so aufwendig wie die Gründung eines
eigenständigen Unternehmens, verursacht jedoch zusätzliche Kosten.
Insbesondere sollten Unternehmen kritisch analysieren, wie sie mit möglichst
wenig Niederlassungen einen möglichst großen Teil Chinas, bzw. den für das
Unternehmen relevanten Teil abdecken können. Hierbei ist zu beachten, dass
es zwischen den unterschiedlichen Provinzen oft große kulturelle Unterschiede
gibt.

Auch sollte man prüfen, ob lokale Dienstleister direkt unterbeauftragt werden
oder Service- und Verkaufsmitarbeiter als Selbständige auftreten können, um
so der Pflicht der Gründung einer Niederlassung zu entgehen.

Personaldienstleister oder „befreundete“ Firmen bieten Unternehmen zu
diesem Zweck oft an, den Angestellten für das Unternehmen einzustellen.
Aber Vorsicht: Dies kann, neben unternehmensrechtlichen, auch
steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Probleme mit sich bringen!

Fazit

Für Investoren bedeutet die geschilderte Entwicklung, dass Unternehmungen
in Zukunft den Zwang zur Niederlassungsgründung und somit erhöhte
Gründungs- und Organisationskosten in ihrer Finanzplanung berücksichtigen
sollten, wenn ihr Geschäft viele Außendiensttätigkeiten erfordert. Gleichzeitig
sollte man aber auch die Möglichkeiten der Beauftragung von lokalen
Dienstleistern oder das Anstellen von Service- und Verkaufsmitarbeitern als
Selbständige prüfen.

Rainer Burkardt

Rainer Burkardt ist Gründer und ­Geschäftsführer der chinesischen Anwalts­kanzlei Burkardt & Partner in Shanghai, welche im kanzleimonitor ­unter die Top-5 der Rechtsanwaltskanzleien in China gewählt wurde. Seit 2009 ist Herr Rainer Burkardt Vertrauensanwalt des österreichischen Generalkonsulats in Shanghai und seit 2013 Schiedsrichter der Shanghai International Economic and Trade Arbitration Commission (SHIAC). Sein Fokus liegt auf der Beratung von deutschen, Schweizer und österreichischen Unternehmen bei deren Investitionen in China.

Ondřej Zapletal

Ondřej Zapletal ist Associate Lawyer bei Burkardt & Partner Rechtsanwälte. Er hat an der Shanghaier East China University of Political Science and Law chinesisches Bürger- und Handelsrecht studiert.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch