Der Beteiligungssektor in China – Unterschiede und Besonderheiten

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Welche Eigenarten und Unterschiede der Beteiligungssektor in China im Vergleich zum deutschen oder amerikanischen Sektor aufweist, erläutert Dr. Ernst Ludes, Head of Europe bei CVCapital, in diesem aufschlussreichen Interview. Dabei er zeigt auch auf, in welchen Bereichen sich Investoren noch besser aufstellen können.

Investment Plattform China/Deutschland:
Was unterscheidet den Beteiligungssektor in China von unserem?

Dr. Ludes: Der chinesische Beteiligungssektor unterscheidet sich von unserem oder dem amerikanischen darin, dass in China das Venture-Capital- und das Private-Equity-Geschäft sich viel mehr verwischen. In China gibt es vor allem Wachstumsinvestoren, während in Deutschland der Großteil der Investoren BuyOut-Investoren sind, die Mehrheiten erwerben wollen. In China können auch Private Equity-Investoren durchaus in frühphasigen Series C- oder D-Situationen investieren. Bei uns liegt bei Investments in Wachstumsunternehmen der klare Fokus auf Profitabilität, während in China die meisten Wachstumsunternehmen auf Jahre hinaus keinen Profit erwirtschaften. Es wird mehr auf Umsatzwachstum gezielt als auf Ertragswachstum. Man will Marktanteile gewinnen, und pflegt die Philosophie, dass die Profitabilität sich hinterher einstellen wird. Bestes Beispiel ist Meituan, das hinter Tencent und Alibaba einer der größten Digitalkonzerne Chinas ist. Meituan plant eine Kapitalaufnahme in Hongkong von bis zu 4,5 Mrd. USD, macht aber derzeit noch Verluste.

Wie unterscheiden sich die Beteiligungsunternehmen zwischen China und Deutschland in ihrer inneren Struktur?

Zunächst gibt – es auf den gesamten Beteiligungssektor in China bezogen – große Unterschiede in der Qualität und in den Marken. Es gibt zahlreiche große, professionelle Brands wie Sequoia Capital China oder Hillhouse Capital aber auch viele kleinere Beteiligungsunternehmen, die noch nicht so bekannt sind. So gibt es auch Beteiligungsfirmen, in denen die Entscheidungsstrukturen zumindest aus europäischer Sicht unklar sind. Unterschiede gibt es auch in den Entscheidungsprozessen. In Europa sind sie standardisiert, in China gibt es das auch, aber häufig hat der Chairman das letzte Wort und er wiederum kann vieles noch umschmeißen. Während es bei uns tendenziell eher zu Gremienentscheidungen kommt, kommt es in China häufiger zu einer Ein-Mann-Entscheidung, was ggf. die Verlässlichkeit reduzieren kann.

Was sind für die chinesischen Investoren die Gründe, um in Deutschland oder der EU zu investieren?

Aktuell besteht auf der chinesischen Seite noch Interesse, bei uns zu investieren und das obwohl der Wechsel zu Biden die politische Landschaft aus Sicht Chinas weder zu den USA noch zu Europa verbessert hat. Einige chinesische Investments werden nach wie vor behindert. So wurden beispielsweise in Italien chinesische Investments abgelehnt wie z.B. des Automobilherstellers FAW, der den italienischen Lastwagenhersteller IVECO kaufen wollte. Dieses Geschäft ist letztlich von der Regierung blockiert worden. Ich frage mich dabei, warum IVECO strategisch für Italiens Sicherheit so wichtig sein soll. Auf der anderen Seite würde die Transaktion für IVECO große Opportunitäten in China eröffnen, weshalb die Shareholder von IVECO, CNH Industrial, auch dankbar wären, würde die Transaktion zustande kommen.

Wie präsent sind die chinesischen Investoren mit Organisationen vor Ort in Deutschland?

Mich überrascht, dass nur wenige chinesische Private-Equity-Häuser (PE) mit Büros in Europa präsent sind. Schließlich macht es beim Deal Sourcing einen großen Unterschied, wenn Mitarbeiter nur in China vor Ort in einer ganz anderen Zeitzone sitzen und kaum Möglichkeiten für den Aufbau eines intensiven persönlichen Netzwerks haben. Gleichzeitig kommt es mir so vor, dass die Mehrheit der chinesischen Finanzinvestoren opportunistisch auf ihnen unterbreitete Investitionsangebote reagiert. Sie analysieren den Markt in Europa weniger proaktiv und systematisch, um bereits heute zu wissen, welche Assets in den nächsten 18 Monaten in Europa auf den Markt kommen werden. Deswegen sehen wir sie oft als Käufer von Assets, die für europäische PEs weniger attraktiv sind. Nehmen wir die von der chinesischen Hillhouse Capital erworbene Consumer Appliance Sparte von Philips. Sie ist eine tolle Brand, aber eher nicht ein Geschäft, das durch hohe Margen oder besondere Wachstumsaussichten in Europa hervorsticht. Genau das aber suchen westliche PE-Firmen.

Gleichzeitig bringt der Gang nach China in den größten Markt der Welt für die Consumer Appliance Sparte von Philips neue Wachstumsimpulse. Daher ergibt die Akquisition für einen chinesischen Investor Sinn. Wenn die chinesischen Investoren aber nun bei uns an die Assets kommen wollen, die – weil sie profitabel aus sich heraus wachsen – auch für europäische PE-Firmen interessant sind, müssten sie sich wahrscheinlich hier vor Ort besser und stärker aufstellen.

Welche Probleme sollten dabei chinesische Investoren besonders beachten?

Verlässlichkeit ist ein wichtiges Thema, insbesondere auch in der internen Abstimmung. Ich habe eine große Verlässlichkeit bei chinesische Fonds gesehen, aber auch Situationen erlebt, wo der bereits ausgehandelte Deal nochmal ins chinesische Investment Commitee ging und dann ein anderer Investmentvorschlag als der ausgehandelte vorgelegt wurde. So ein Verhalten ist problematisch, denn es spricht sich herum. Jeder gute Investor achtet auf ein verlässliches Erscheinungsbild und eine klar definierte Corporate Governance. Diese Themen sind auch für das Management des Zielunternehmens wichtig. Denn das fragt sich, an wen berichte ich, welche Freiheitsgrade habe ich, wie werden sich die Board Meetings gestalten etc. Stimmen diese Themen nicht, kann das Management opponieren. Und ein Unternehmen gegen das Management zu kaufen ist häufig unmöglich.

Wie sehr sollten chinesische Beteiligungsunternehmen auf deutsche Mitarbeiter an Bord setzen?

Es bedarf eines multikulturellen Ansatzes. Für einen Deal hier ist es besser, wenn der chinesische Fonds verantwortliche lokale Manager einsetzt und der Prozess nicht rein von China aus getrieben wird. Bekommen die chinesischen PE-Firmen diese Themen in den Griff, werden sie im Vergleich zu den europäischen PE- und VC-Firmen einen deutlichen Mehrwert anbieten. Denn schließlich besitzen die chinesischen PE-Firmen ja den besseren Zugang zum chinesischen Markt und dessen Wachstumschancen.

Wir danken Ihnen für das Gespräch, Dr. Ludes.

 


Zur Person

Dr. Ernst Ludes ist Head of Europe der privaten chinesischen Investmentbank CVCapital. Zuvor war er Partner bei dem internationalen Private-Equity-Investor EQT und arbeitete bei Alchemy Partners sowie der M&A- und Corporate-Finance-Beratung Drueker & Co. Seine Karriere startete er bei McKinsey. 2010 gründete Dr. Ludes das Beratungshaus Turning Point Investments zur Beratung von Unternehmen in Sondersituationen.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch